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2. August 2024
AU-Bescheinigung: Fingierte Krankschreibung nach Kündigung?

AU-Bescheinigung: Fingierte Krankschreibung nach Kündigung?

Wie glaubhaft ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn sich ein Arbeitnehmer nach seiner Kündigung für die noch verbleibende Dauer des Arbeitsvertrags krankschreiben lässt? Und was passiert, wenn eine AU ihren Beweiswert verliert? Damit hatte sich mal wieder ein Gericht zu beschäftigen.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) dient üblicherweise als offizieller Nachweis für die Krankheit eines Arbeitnehmers. Der Beweiswert einer solchen Bescheinigung gilt jedoch als erschüttert, wenn ein Arbeitnehmer nach einer Eigen- oder Arbeitgeberkündigung eine oder mehrere Bescheinigungen einreicht, die genau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdecken. Dann stellt sich auch die Frage nach der Entgeltfortzahlung. In einem Streitfall in Mecklenburg-Vorpommern ging es jüngst genau um diese Frage.

Krankschreibung folgt direkt auf Kündigung

Ein Arbeitnehmer war schon mehrmals krankgeschrieben, als er schließlich seine Kündigung bei seinem Arbeitgeber einreichte. Einen Tag nach der Kündigung ging der Mann zum Arzt, der ihm eine AU-Bescheinigung ausstellte. Die Diagnose umfasste insbesondere körperliche Beschwerden, für die aber keine klare organische Ursache gefunden werden konnte. Der AU-Bescheinigung folgte eine weitere, sodass der Arbeitnehmer schließlich für die komplette verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses krankgeschrieben war. Der Arzt überwies ihn an einen Facharzt und verschrieb ihm Medikamente. Beides nahm der Arbeitnehmer jedoch nicht in Anspruch. Gleichzeitig beklagte er aber, dass er in den letzten drei Monaten vor Ausspruch der Kündigung annähernd 20% seines Körpergewichts verloren habe. Er habe an Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Schwindel und Atembeschwerden gelitten. Die Medikamente habe er nicht genommen, weil er hoffte, durch mehr Ruhe genesen zu können, beim Facharzt hätte er sowieso keinen Termin bekommen können.

Arbeitgeber zweifelt Arbeitsunfähigkeit an

Der Arbeitnehmer vertrat nun die Ansicht, dass ihm eine Entgeltfortzahlung für die Zeit ab seiner ersten Krankschreibung nach Kündigung zustehe und klagte diese gerichtlich bei seinem Arbeitgeber ein. Denn dieser, ein Wursthersteller, bestritt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei. Das Arbeitsgericht (ArbG) folgte den Ausführungen des Klägers und stellte fest: Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der beklagte Arbeitgeber legte daraufhin Berufung beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ein.

Nun ist es nicht der erste Fall, bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor Gericht landet. Auch das Bundesarbeitsgericht (z.B. Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23) hat hierzu schon entschieden. Das Berufungsgericht stellte deshalb fest, dass die Vorinstanz zwar die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Beweisregeln richtig dargestellt habe, diese jedoch nicht auf den vorliegenden Fall angewandt habe. Der Beweiswert der AU-Bescheinigungen sei eben schon deshalb erschüttert, weil damit „passgenau“ die Kündigungsfrist abgedeckt werde. Die Einschätzung des behandelnden Arztes könne entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht allein ausschlaggebend sein, da dieser sich auf die Schilderungen des Patienten verlassen müsse. Dem Kläger stehe es zwar frei, ob er die Medikamente einnehme und ob er einen Facharzt aufsuche. Gegen eine Erkrankung spreche es allerdings, wenn er sich, anders als von einem Erkrankten zu erwarten, über sämtliche ärztlichen Anordnungen hinwegsetze. Der behandelnde Arzt habe die Medikamente gerade nicht lediglich für den Bedarfsfall verschrieben. Ebenso wenig finde sich irgendwo ein Hinweis des Arztes, es zunächst mit Ruhe zu versuchen und die Medikamente gegebenenfalls erst später einzunehmen. Im Übrigen stehe ein Bedarf an Ruhe nicht einer Arbeitsunfähigkeit gleich.

Arbeitnehmer hätte abseits der AU-Bescheinigung Nachweis erbringen müssen

Eine AU-Bescheinigung hat zwar eine hohe Aussagekraft und ein einfaches Anzweifeln vonseiten des Arbeitgebers genügt nicht, dennoch konnte der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht darlegen, inwieweit er tatsächlich arbeitsunfähig war. Denn gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen AU-Bescheinigung zu erschüttern, tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage der Bescheinigung bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen. (bh)

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.05.2024 – Az. 5 Sa 98/23

Vorinstanz:

ArbG Rostock, Urteil vom 05.06.2023 – Az. 2 Ca 1525/22

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