Wegeunfälle sind ein wichtiger Aspekt der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland. Sie umfassen Unfälle, die auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit geschehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Anerkennung als Wegeunfall ist, dass der Unfall auf dem direkten Weg ohne Umwege stattgefunden hat. Was dies genau bedeutet, darüber wird häufig gestritten.
Und so hatte auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in einer aktuellen Entscheidung eine besondere Art des Abwegs zu beurteilen.
Geklagt hatte ein Mann, der auf dem Rückweg von der Arbeit einen schweren Verkehrsunfall erlitt. Mit seinem PKW geriet er auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit einem LKW zusammen, wobei er erhebliche Verletzungen erlitt. Der Notarzt stellte bei ihm eine Unterzuckerung fest. Der Mann leidet an einer insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ I.
Orientierungslos wegen Unterzuckerung
Die Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall ab, da der Mann 4 km über seinen Wohnort hinaus unterwegs gewesen sei. Zum Unfallzeitpunkt sei der Kläger über seinen Wohnort hinaus in südöstlicher Fahrtrichtung unterwegs gewesen. Sowohl sein Wohnort als auch sein Arbeitsort befänden sich in entgegengesetzter Richtung. Der Verkehrsunfall habe sich somit auf einem Abweg ereignet. Sowohl die Wohnung als auch der Betrieb befanden sich in entgegengesetzter Richtung; folglich habe sich der Unfall auf einem Abweg ereignet. Und dieser sei nicht versichert, so die Begründung der Berufsgenossenschaft.
Dagegen legte der Mann Widerspruch ein und hielt entgegen, dass er an Diabetes erkrankt sei. Zum Unfallzeitpunkt sei er stark unterzuckert und orientierungslos gewesen. Aus diesem Grund sei er an seiner Wohnung vorbeigefahren und auf einen Abweg geraten. An die Einzelheiten habe er keine Erinnerung. Aus seiner Warte heraus, sei er also auf diesem Abweg weiter versichert gewesen.
Irrtümlicher Abweg nur ausnahmsweise versichert
Der Mann klagte vor dem Sozialgericht und bekam Recht. Die Berufsgenossenschaft legte jedoch Berufung ein. Und anders als die erste Instanz hat das angerufene LSG die Rechtsauffassung der Genossenschaft bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Wegeunfall auf direkter Strecke vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst sei – ein Abweg jedoch nicht. Nur ausnahmsweise könne ein irrtümlicher Abweg versichert sein, wenn seine Ursache allein in äußeren Umständen der Beschaffenheit des Verkehrsraums liege, z. B. Dunkelheit, Nebel oder schlechte Beschilderung.
Vorliegend sei der Mann jedoch aufgrund einer inneren Ursache auf einen Abweg geraten, nämlich der Orientierungslosigkeit aufgrund einer Bewusstseinsstörung infolge diabetesbedingter Unterzuckerung. Die Einbeziehung solcher Abwege in die Wegeunfallversicherung würde eine Überdehnung des Versicherungsschutzes auf Arbeitswegen darstellen und dem Sinn und Zweck der Wegeunfallversicherung widersprechen. (bh)
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12.04.2024 – Az. L 14 U 164/21 (Revision zugelassen)
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