Bei der Geltendmachung von Leistungsansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) stellt sich für den Versicherten regelmäßig die Frage, in welchem Umfang und in welcher Weise er an der Leistungsprüfung mitwirken muss. Verweigert der Versicherte ohne gerechtfertigten Grund seine Mitwirkung, hat der Versicherer das Recht, die Leistung allein aufgrund dessen zu verweigern. Falls jedoch das Mitwirkungsverlangen des Versicherers unrechtmäßig ist, kann der Versicherte die Leistung vor Gericht einklagen.
Das Landgericht Berlin (LG) hat über die Reichweite dieser Mitwirkung durch den Versicherten geurteilt und dabei die Rechte der Versicherten gestärkt.
Versicherer lehnt Leistung trotz umfangreicher Unterlagen ab
Der BU-Versicherte hatte bei seinem BU-Versicherer einen Leistungsantrag eingereicht, weil er wegen einer psychischen Beeinträchtigung nicht mehr zu mindestens 50% in seinem Beruf arbeiten konnte. Dazu übersandte der BU-Versicherte dem Versicherer mehrere Unterlagen, wie etwa den ausgefüllten Antrag auf Berufsunfähigkeitsleistungen, ein Gutachten seines Krankenversicherers, das Arbeitsunfähigkeit attestierte, ein weiteres Gutachten, das Berufsunfähigkeit feststellte, einen Entlassungsbrief über eine stationäre Behandlung, einen Behandlungsbericht seiner behandelnden Psychotherapeutin, eine Aufstellung von Behandlungsdaten sowie (weitere) Unterlagen seiner behandelnden Ärzte.
Dennoch teilte der Versicherer nach Sichtung der Unterlagen mit, dass er nicht beurteilen könne, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege. Die Begründung: Es fehle an Informationen zum aktuellen Befinden des Versicherten. Konkret hat der Versicherer dem BU-Versicherten vorgeworfen, dass er keine generelle Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben habe, auf deren Grundlage der Versicherer weitere Informationen hätte einholen können. Die Folge: Der Versicherer zahlte nicht.
Versicherer kann sich die Entscheidung nicht beliebig offen halten
Damit war der BU-Versicherte jedoch überhaupt nicht einverstanden und klagte vor dem LG auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente. Und die Richter am LG entschieden: Der Versicherer müsse schon darlegen, welche Daten er konkret benötige. Der allgemeine Verweis auf eine nicht hinreichende Begründung reiche nicht. Denn: Nicht jede vom Betroffenen gegebene Einwilligung berechtige den Versicherer, Gesundheitsdaten zu erheben; dies könne nur eine freiwillig gegebene Einwilligung.
Wörtlich schreibt das Urteil: „Es kann nicht angehen, dass ein Versicherer unter pauschalem Hinweis darauf, ein Versicherungsfall sei nicht hinreichend dargetan, von einer Leistungsentscheidung absieht und [...] zuwartet, bis aus seiner Sicht genügend dargetan ist. Damit könne sich der Versicherer die Entscheidung zur Leistungspflicht beliebig offenhalten, so das LG. Und das ließen die Richter nicht gelten.
Der Versicherte erhält vom Versicherer nun rückwirkend rund 76.000 Euro Berufsunfähigkeitsrente. (as)
LG Berlin, Urteil vom 18.08.2021 – Az. 23 O 180/18
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