Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Die Berufsunfähigkeitsrente ist eine private Versicherungsleistung, die von einer Berufsunfähigkeitsversicherung gezahlt wird, sofern die Leistungsvoraussetzungen entsprechend vorliegen bzw. der Versicherte dieses bewiesen hat. Hierzu dient das langwierige Leistungsprüfungsverfahren, welches Versicherte mit der BU-Versicherung durchlaufen müssen. In der Regel ist im Falle einer Berufsunfähigkeit auch noch eine Beitragsbefreiung mitversichert, so dass die Prämien für die Berufsunfähigkeitsversicherung für die Zeit der Berufsunfähigkeit von dieser übernommen werden.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung tritt jedoch erst dann ein, wenn die versicherte Person aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50% auszuüben. Im Gegensatz zum Krankengeld soll mit der BU-Rente nicht die Zeit einer kurzfristigen Erkrankung finanziell überbrückt werden, sondern im Zweifel der Lebensstandard bis zum Beginn des Rentenalters gesichert werden.
Wozu dient das gesetzliche Krankengeld?
Das gesetzliche Krankengeld ist eine Lohnersatzleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei Arbeitsunfähigkeit erhalten Angestellte vom Arbeitgeber in der Regel sechs Wochen lang weiterhin ihr Arbeitsentgelt fortgezahlt. Anschließend zahlt die Krankenkasse 70% des regelmäßig erzielten Bruttoarbeitsentgelts bis zur Beitragsbemessungsgrenze, jedoch nicht mehr als 90% des letzten Nettoarbeitsentgelts (vgl. § 47 Abs. 1 SGB V). Das Krankengeld ist einschließlich der Entgeltfortzahlung auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren beschränkt.
Wichtig ist jedoch, folgende zwei Begriffe bzw. Leistungen auseinanderzuhalten: Krankengeld und Krankentagegeld. Krankengeld wird von der GKV gezahlt, Krankentagegeld von einer privaten Krankenversicherung (PKV). Nur gesetzlich Krankenversicherte können Krankengeld erhalten. Bei privat Versicherten, die in der Regel keinen Anspruch an das gesetzliche Sozialsystem haben, wäre zunächst ein Bezug von Krankentagegeld der sinnvolle Weg, bevor es um die Frage einer möglichen Berufsunfähigkeit geht. Denn der gleichzeitige Bezug von Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrente schließt sich häufig aus (siehe dazu: Rechtliche Fallstricke)
Kürzung oder gar Ausschluss des Krankengeldes bei Bezug einer BU-Rente?
Der Versicherungsfall beim Krankengeld ist die Arbeitsunfähigkeit, bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist es die Berufsunfähigkeit. Beides kann natürlich zugleich vorliegen, muss aber nicht. Es stellt sich dann jedoch die Frage, ob beide Leistungen zeitgleich bezogen werden können. Grundsätzlich gilt: Krankengeld und Berufsunfähigkeitsleistungen sind zwei unterschiedliche Leistungen aus verschiedenen „Versicherungssystemen“. Die BU-Versicherung für sich genommen ist eine Summenversicherung. Sie kann also grundsätzlich nicht gekürzt werden, darf also auch nichts „anrechnen“. Das Krankengeld kann nur gekürzt werden, wenn gesetzliche Kürzungsmöglichkeiten für eine Krankenkasse bestehen. Hierzu hat der Gesetzgeber in § 50 Abs. 2 SGB 5 Kürzungsmöglichkeiten vorgesehen, jedoch gerade keine für bzw. beim Bezug von privaten BU-Leistungen. Die Auszahlung einer privaten Berufsunfähigkeitsrente hat somit keinen direkten Einfluss auf das Krankengeld. Das bedeutet, dass das Krankengeld nicht gekürzt wird, nur weil der Versicherte zusätzlich eine BU-Rente erhält. Die Zahlung einer privaten BU-Rente steht der Zahlung des Krankengeldes also nicht im Wege. Eine Wechselwirkung, die den einen oder anderen Anspruch in ihrer Höhe kürzt, besteht damit grundsätzlich also nicht.
Fazit und Hinweise
Bezieht ein Versicherungsnehmer eine private BU-Rente und gleichzeitig ein gesetzliches Krankengeld, so kann weder der BU-Versicherer noch die gesetzliche Krankenkasse die Leistungen kürzen. Selbst wenn der Versicherte in Summe beider Leistungen monatlich mehr Einkommen hätte als zu der Zeit, als er noch regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, zahlen die private und gesetzliche Versicherung den entsprechenden Teil bzw. die vereinbarte Leistung. Dennoch sollte insbesondere der freiwillig gesetzlich Versicherte die individuelle Situation genau prüfen, um Klarheit über die Höhe der möglichen Ansprüche zu erhalten. Insbesondere bei BU-Leistungsanträgen sind gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung Angaben hinsichtlich des Bezuges von gesetzlichem Krankengeld zu machen.
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