„Ich enterbe dich!“ Das klingt bedeutungsvoll, doch in Deutschland sind die Folgen für den Enterbten finanziell häufig überschaubar. Schließlich steht dem Nachlassempfänger fast immer zumindest der Pflichtteil zu. Wie hoch die Hürden für einen Pflichtteilentzug sind, geht aus einem aktuellen Urteil des Landgerichts (LG) Frankenthal hervor.
Eltern ordnen den Entzug des Pflichtteils an
Ein Mann war 1997 von seinen Eltern in einem notariell beglaubigten Erbvertrag enterbt worden. Zusätzlich hatte das Paar angeordnet, dass ihrem Sohn auch der Pflichtteil entzogen werden soll. Diese Maßnahme begründeten sie damit, dass der Mann seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen habe. Von der Auseinandersetzung habe die Frau damals auch eine Schädelprellung davongetragen. Anstatt des Sohnes wurde eine soziale Einrichtung aus dem Rhein-Main-Gebiet als Erbin eingesetzt.
Sohn wehrt sich gegen Testament
Nach dem Tod der Frau ging das Erbe auch planmäßig auf die soziale Einrichtung über. Doch der Sohn wehrte sich dagegen, beim Testament seiner Mutter übergangen worden zu sein, und forderte zumindest den Pflichtteil ein.
Fehlverhalten muss im Testament erläutert werden
Vor dem LG Frankenthal hatte der Sohn vollumfänglich Erfolg. Das Gericht gelangte zu der Ansicht, dass die Entziehung des Pflichtteils bereits aus formalen Gründen unwirksam war. Das Fehlverhalten des Erben müsse für einen wirksamen Entzug des Pflichtteilsanspruchs bereits im Testament eindeutig geschildert werden.
Gewalt allein rechtfertigt noch keinen Pflichtteilsentzug
Die Erblasserin hätte dementsprechend auch schildern müssen, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt haben und welche Folgen sich konkret daraus ergeben hätten. Andernfalls könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt stattgefunden habe. Unter diesen Umständen wäre ein Entzug des Pflichtteils nicht zwingend gerechtfertigt.
Schweres Vergehen muss nachgewiesen werden
Für einen wirksamen Pflichtteilsentzug müsse es sich nämlich um ein schweres Vergehen gegen den Erblasser handeln. Um dem Mann den Anspruch auf den Pflichtteil zu verwehren, hätte der soziale Verein als Beklagter nachweisen müssen, dass es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Mutter und Sohn um ein derartiges schweres Vergehen gehandelt hat.
Eltern waren unzufrieden mit Lebenswandel des Sohnes
Des Weiteren sei anzuzweifeln, so das Gericht, dass der Vorfall zwischen Mutter und Sohn wirklich der Hauptgrund für die Pflichtteilsentziehung gewesen sei. Vielmehr könne die Entscheidung der Eltern, ihren Sohn zu enterben, auch mit dessen Lebenswandel zusammenhängen, den Mutter und Vater ablehnten. Eine ablehnende Haltung bezüglich des Lebenswandels ihres Sohnes rechtfertige jedoch nicht die Entziehung des verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteils. (tku)
LG Frankenthal, Urteil vom 11.03.2021 – 8 O 308/20
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