Eine Frau, die an Alopezia totalis (kompletter Haarverlust am Kopf) leidet, hatte sich seit Jahren mit einer Echthaarperücke beholfen. Ihre gesetzliche Krankenkasse erstattete ihr jedoch lediglich den Vertragspreis für eine Kunsthaarperücke. Die Differenz beglich die Frau aus eigener Tasche. Eines Tages wollte sie jedoch nicht mehr einsehen, die Kosten selbst tragen zu müssen und klagte gegen ihre Krankenkasse vor dem Sozialgericht (SG) Dresden.
Krankenkasse sieht Versorgung als ausreichend an
Die Krankenkasse vertrat in dem Verfahren die Meinung, dass Kunsthaarperücken eine ausreichende Versorgung darstellten und insbesondere auf den ersten Blick nicht von Echthaarversorgungen unterschieden werden könnten.
Ästhetischer Eindruck sekundär
Das Gericht sah das jedoch anders. Das SG Dresden ließ zwar offen, ob Kunsthaarperücken tatsächlich eine optisch ausreichende Versorgung darstellten, das sei aber auch unerheblich. Nach Anhörung eines Friseurmeisters, der auf Perücken spezialisiert ist, zeigte sich das Gericht überzeugt, dass die Versorgung mit einer Echthaarperücke allein schon wirtschaftlich geboten sei. Echthaarperücken könnten nämlich deutlich länger genutzt werden, bevor sie unansehnlich würden und ausgetauscht werden müssten.
Längere Nutzung als wirtschaftlicher Vorteil
Im Falle der Klägerin waren die Echthaarperücken zwar ungefähr 50% teurer, konnten jedoch doppelt so lange getragen werden, bevor eine Neuversorgung nötig wurde.
Vorgehen bei vorübergehender Haarlosigkeit ungeklärt
Während die dauerhafte Haarlosigkeit selten vorkommt und auf längere Zeiträume eine Versorgung mit weiteren Perücken notwendig macht, hat das Gericht ausdrücklich keine Entscheidung zu der häufiger auftretenden vorübergehenden Haarlosigkeit bei Frauen getroffen. Gerade in diesen Fällen, wie sie beispielsweise durch Chemotherapie auftreten, ist die Rechtsauffassung der deutschen Sozialgerichte nicht eindeutig. Frauen, die eine Echthaarversorgung sicherstellen möchten, müssen sich im Zweifel privat absichern. Betroffene Frauen sollten sich vor dem Erwerb einer Echthaarperücke mit ihrer Krankenversicherung in Verbindung setzen. (tku)
SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 18.02.2021, Az.: S 18 KR 304/18
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