Interview mit Dr. Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung AG
Frau Dr. Eichelberg, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung in der bKV?
Wir sind sehr zufrieden mit der Produktentwicklung. Wir sind seit über 20 Jahren in der bKV unterwegs und wir sehen, dass das Thema immer mehr Fahrt aufnimmt. Unser Wachstum lag im vergangenen Jahr bei 22%.
Wir sehen drei Entwicklungen: den Fachkräftemangel, ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und einen neuen Fokus auf soziale Nachhaltigkeit in den Unternehmen. Dieser Dreiklang bringt Bewegung in die bKV. Aber erst 5% der Unternehmen in Deutschland haben eine bKV. Dabei gibt es über 400.000 Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden. Das Potenzial ist sehr groß und wir erleben auch 2023 einen sich fortsetzenden Wachstumstrend.
Erreichen Sie denn tatsächlich Firmen mit nur zehn Mitarbeitern?
Die Bandbreite, was Größe und Branche angeht, ist sehr groß und auch Makler sprechen mit unterschiedlichsten Unternehmen über die bKV.
Kann es sein, dass sich die private Krankenzusatz- und die betriebliche Krankenversicherung irgendwann „kannibalisieren?“
Ich würde sagen, es gibt unterschiedliche Perspektiven auf diese beiden Portfolios. Wer heute in den Urlaub fahren will, der schließt natürlich weiterhin eine Auslandsreisekrankenversicherung ab. Wem seine Zähne wichtig sind, der geht dieses Thema an. Bei der bKV geht es darum, dass sich der Arbeitgeber die Gesundheitsfürsorge für seine Belegschaft auf die Fahne schreibt. Im Grunde ergänzen sich die Pakete. Das sehen wir auch in unseren Zahlen.
Sie haben es vorhin angesprochen: Die bKV wird zu einem Teil von ESG?
Ja, wir erleben einen Wandel. Bis vor vier Jahren war die bKV meist arbeitnehmerfinanziert. Der Arbeitgeber bot einen Rahmenvertag, innerhalb dessen sich Mitarbeitende versichern konnten. Mittlerweile werden immer mehr Verträge vom Arbeitgeber finanziert.
Welche Tarife sind bei Ihnen hauptsächlich gefragt?
Die Tarife, die sofort erlebbar sind: unsere Budgettarife. Die Nachfrage ist sehr groß. Es gibt aber viele Arbeitgeber, die eine andere Art von Erlebbarkeit über die Budgettarife hinaus wollen. Sie möchten, dass ihre Mitarbeitenden bei einer ernsthaften Erkrankung abgesichert sind. Etwa über die sogenannten Hochkostentarife, also die stationäre Absicherung und die Zahnzusatzversicherung. Viele Arbeitgeber wählen daher eine Kombi: Die Budgettarife helfen eher den gesunden Mitarbeitenden, die anderen Tarife bei schweren Erkrankungen.
Wie sieht denn in der Regel das Budget aus?
Unsere günstigsten Tarife im Budgettarif fangen bei 9,90 Euro an – im Monat pro Mitarbeitendem. Eine stationäre Abdeckung liegt etwa bei 20 Euro. Das sind eher kleine Beträge, die für den Einzelnen investiert werden. Aus Maklersicht summiert sich das natürlich, je nachdem, wie groß das Unternehmen ist.
Ähneln sich die Produkte heute nicht sehr am Markt?
Natürlich geht es um das Produkt, aber es geht fast noch mehr um die Einfachheit der Beratung und die Unterstützung für den Makler und den Arbeitgeber. Es entscheidet sich viel über die Zusammenarbeit, die Implementierung im Betrieb und die Verwaltung der Verträge. Und da bieten wir mit unserer Expertise mehr. Schließlich ist es unser Anspruch, führender Partner für den Mittelstand zu sein.
Ein Beispiel, wie wir uns beim Produkt vom Markt abheben: In unserem neuen Tarif, und das ist einzigartig am Markt, bekommen Mitarbeitende bis zu einem bestimmten Budget rezeptfreie Medikamente erstattet, also beispielsweise Medikamente gegen Kopfschmerzen oder Heuschnupfen. Der Arbeitgeber wird hier zum „Kümmerer“ für seine Belegschaft und macht seine Fürsorge über die Gesundheitsversorgung erlebbar.
Noch ein anderes Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeit einen Unfall hat und er stationär behandelt werden muss, dann verdoppelt sich das Budget in diesem Jahr und im darauffolgenden.
Immer wichtiger werden aber auch digitale Angebote etwa für mentale Gesundheit oder Ernährung.
Wächst denn eine bKV üblicherweise mit der Berufskarriere mit?
Wir bieten hier natürlich maximale Flexibilität. So können wir nach einer Beförderung oder dem Erreichen einer gewissen Betriebszugehörigkeit höherwertige Tarife zusammenstellen. Trend ist aber, dass die Unternehmen allen Mitarbeitenden das gleiche Angebot machen wollen. Soziale Gerechtigkeit spielt hier mittlerweile eine sehr große Rolle.
Eine bKV kann beispielsweise auch ein Weihnachtsgeschenk für die Belegschaft sein. Der Clou: Wenn ein Unternehmen einen Budgettarif erst im November oder Dezember abschließt, steht den Mitarbeitenden dennoch das gesamte Gesundheitsbudget zur Verfügung und nicht nur ein Zwölftel.
Gibt es denn auch so etwas wie ein Scheitern der bKV? Also wenn die Verträge zwar gemacht sind, aber die Mitarbeiter diese gar nicht annehmen?
Wir sehen eher den umgekehrten Fall. Natürlich ist es den Unternehmen wichtig zu sehen, was bei den Menschen ankommt. So kann man durch Mitarbeiterzufriedenheitsbefragungen feststellen, ob die bKV die Zufriedenheit steigert. Beim Recruiting haben wir Unternehmen erlebt, die eine Stellenausschreibung ohne bKV-Angebot geschaltet haben – und dann später mit einem bKV-Angebot. Und siehe da, es gab mehr Bewerbungen.
Aber wenn Sie nach Storni fragen, also ob Arbeitgeber wieder von einer eingerichteten bKV abrücken, weil sie von der Belegschaft nicht angenommen wird, dann ist das noch nicht vorgekommen.
Kann der Arbeitgeber tracken, wie oft die bKV in Anspruch genommen wurde?
Ja, wir können dem Arbeitgeber aufzeigen, wie die Inanspruchnahme insgesamt ist. Aber er erhält nicht zuletzt aus Gründen des Datenschutzes nur eine aggregierte Übersicht und selbstverständlich keine Details zu einzelnen Krankheitsbildern.
Wie sieht es mit Preissteigerungen aus?
Die Beiträge unserer bKV-Tarife sind seit acht Jahren und damit seit ihrer Einführung stabil. Das ist uns sehr wichtig. Wir kalkulieren sehr solide, damit sich der Arbeitgeber darauf verlassen kann. Und es ist mir strategisch auch sehr wichtig, dass wir vernünftige Kollektive haben und nicht für jedes Unternehmen einen eigenen Vertrag stricken. Dann wären die Kollektive zu klein und wenn es eine Häufung von schweren Krankheiten gäbe, würde dies zu Preissteigerungen führen.
Ein schnelles Geschäft ist die bKV nicht. Was bedeutet dies für Versicherer und für Makler?
Das hängt vor allem von der Unternehmensgröße ab. Bei großen Firmen dauert die Analyse, wie eine Neuaufstellung in der Gesundheitsfürsorge aussehen kann, welche Leistungen es gibt und welche Produkte infrage kommen, meist etwas länger. Aber gerade bei eigentümergeführten Unternehmen im Mittelstand erleben wir oft, dass es sehr schnell geht.
Ich sage mal liebevoll, die bKV ist der Türöffner zum Firmenkundengeschäft. Normalerweise hört sich die Geschäftsführung einen Vorschlag zur bKV gerne an. Das ist dann eine gute Gelegenheit, Fuß im Unternehmen zu fassen – über die bKV hinaus als Einstieg ins Sachgeschäft. Es geht aber auch umgekehrt: Wenn ein Maklerbetrieb ein Unternehmen in den Kompositsparten berät, warum nicht auch mal über Gesundheit sprechen?
Das sagt sich einfach, aber nicht jeder Sachspezialist wird direkt zum bKV-Spezialisten.
Richtig ist, dass bei der bKV oftmals Geschäftsführung, Personalleiter, Betriebsrat und Steuerberater eingebunden sind. Und dafür braucht es ein gewisses Know-how. Aber: Wir sind hier sehr spezialisiert aufgestellt und unterstützen bei der Beratung. Dabei sind wir für versierte Makler genauso da wie für Einsteiger. Wir werden regelmäßig für unsere Tarife, aber auch für unsere Vertriebsunterstützung ausgezeichnet. Es kann jede Frage bei uns adressiert werden. Was wir klar sehen: Wer einmal damit angefangen hat, den lässt die bKV auch nicht mehr los.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2023, S. 30 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Dr. Sylvia Eichelberg, Gothaer
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