Interview mit Nico Streker, ASSPICK-Geschäftsführer
Herr Streker, die aktuelle Lage in der Wohngebäudeversicherung ist nicht rosig. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht dar?
Die Ertragslage der Wohngebäudeversicherer war in den letzten Jahren tatsächlich alles andere als rosig. Die vorläufigen Zahlen des GDV für 2022 zeigen es wieder ganz deutlich: Die Gebäudeversicherung steckt nach wie vor in einer tiefen Krise. Die CR-Quote (Combined Ratio) liegt 2022 trotz Rekordeinnahmen von 10 Mrd. Euro bei 106%.
Zunehmende Wetterextreme und veraltete Gebäudestrukturen verursachen immer teurere Schäden und beeinflussen die Wirtschaftlichkeit in der Wohngebäudeversicherung. Die Versicherer haben deshalb fleißig saniert und neben der Indexanpassung auch zusätzliche Beitragsanpassungen durchgezogen.
Die Prämienanpassungen strapazieren die Kundenbeziehungen. Wie sieht es mit dem Verständnis auf Kundenseite aus und was können Versicherungsmakler tun?
In einer Zeit steigender Inflation, hoher Bau- und Energiekosten treffen diese massiven Anpassungen viele Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen hart. Das Verständnis auf der Kundenseite hält sich entsprechend in Grenzen. Als Makler versuchen wir in diesem Spannungsverhältnis zu vermitteln, die Hintergründe zu erläutern und Alternativen aufzuzeigen.
Wie lässt sich denn überhaupt auf die Beitragssteigerungen reagieren? Einen Vertrag zu kündigen, dürfte selten ein probates Mittel aus Kundensicht sein.
Eine pauschale Empfehlung ist schwierig. Hier ist sicherlich Augenmaß gefragt. Wir empfehlen unseren Kooperationspartnern, das Thema proaktiv bei den Kunden anzusprechen. Vorschnell sollte kein Kunde seine Gebäudeversicherung kündigen – speziell bei älteren und unsanierten Gebäuden oder Immobilien mit Vorschäden haben diese Kunden dann Schwierigkeiten, einen neuen und vor allem bedarfsgerechten Versicherungsschutz zu erhalten.
Wir als Makler haben unterschiedliche Optionen, auf die derzeitigen Beitragssteigerungen zu reagieren. Neben der Einführung einer Selbstbeteiligung, mit der ein Nachlass verbunden ist, bieten einige Gesellschaften auch einen Stufenplan mit Mehrjährigkeit an. Eine Umdeckung in einen neuen Rahmenvertrag, der Ausschluss einer versicherten Gefahr, kann im Einzelfall kurzfristig helfen. Aber hier ist natürlich Vorsicht geboten. Eine Kompensation aus anderen Sachsparten bzw. die Bündelung von Risiken mit einer Art „Bündelnachlass“ kann auch ein Mittel sein, die Beiträge zu reduzieren.
Die Inflation bleibt hoch, Versicherer werden weiterhin mehr Geld für Reparaturen und Ersatz ausgeben müssen. Eine Entspannung dürfte demnach bei den Prämien nicht so bald kommen?
Die Kosten, die für Reparatur oder Wiedererrichtung eines Gebäudes benötigt werden, steigen seit Jahren im Rahmen der Inflation. Auch für 2023 gehen wir von weiteren Kostensteigerungen aus – allerdings nicht mehr im selben Tempo wie im Vorjahr. Mit einer weicheren Marktsituation in der Gebäudesparte ist dennoch aktuell nicht zu rechnen, zumal viele nachgelagerte Schäden aus dem letzten Jahr erst 2023 zur Auszahlung kommen und durch die hohe Inflation noch weiter steigen.
Nach dem Sturmtief Bernd und den verheerenden Folgen etwa im Ahrtal konnte man davon ausgehen, dass die Menschen vermehrt Versicherungsschutz abschließen, zumindest was den Elementarschutz angeht. Erleben Sie das so oder werden die hohen Preise zu einem Einbruch im Neugeschäft führen?
Unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal verzeichneten die Versicherer einen spürbaren Anstieg beim Neuabschluss von Elementarschadenversicherungen. Auch bei uns kam es zu vielen Rückfragen im Bestand, ob dieser elementare Schutz enthalten ist. Inzwischen beobachten wir einen deutlichen Rückgang der Nachfragen.
Die Bedeutung der Wohngebäudeversicherung wurde nicht zuletzt durch das Unwettertief Bernd wieder mehr als deutlich. Das Eigenheim ist in der Regel die größte Investition im Leben vieler Menschen. Die Gebäudeversicherung bleibt für die allermeisten Hausbesitzer eine existenzielle Absicherung, insofern glaube ich nicht, dass es im Neugeschäft trotz der hohen Anpassungen zu einem Einbruch kommt.
Auch ASSPICK bietet ein Immobilien-Cover an. Wie sieht es hier mit den Preisen aus?
Auch wir als Konzeptmakler können uns den Marktentwicklungen nicht entziehen und haben die Indexanpassung per 01.01.2023 umgesetzt. In unserem Immobiliencover unterscheiden wir generell zwischen EFH (Einfamilienhaus) und MFH (Mehrfamilienhaus) und gehen dort etwas differenzierter als der Markt vor.
Zum einen sprechen wir frühzeitig mit unseren Partnern über die Entwicklung der Schadenquoten im Bestand, analysieren regelmäßig die Schadenzahlen und haben ein aktives Sanierungsmanagement eingeführt. Zum anderen nutzen wir bereits im Angebotsprozess die Möglichkeiten der Vereinbarung einer Selbstbeteiligung je Schadenfall. Dadurch erreichen wir nicht nur eine Beitragsreduzierung, sondern entlasten auch die Schadenquote, da kleinere Schäden im Eigenbehalt des Kunden liegen. Bei EFH bis 150 m2 Wohnfläche konnten wir im letzten Jahr – entgegen dem Markttrend – die Prämien sogar senken, da sich dort die Schadenquote im Vergleich zum MFH-Cover positiv entwickelt hat.
Da unser Gebäudecover auf einer Jahreshöchstentschädigung basiert und alle Gefahren bis auf „unbenannte Gefahren“ obligatorisch mitversichert sind, haben wir generell ein höheres Beitragsniveau pro Vertrag. Das hilft dann auch in schwierigen Phasen, wie z. B. 2021 nach den Elementarereignissen, die Schadenquoten im Cover im Griff zu behalten.
Webinar zur Zukunft der Wohngebäudeversicherung
ASSPICK ist ein auf die Wohnungswirtschaft spezialisiertes Maklerhaus sowie ein Unternehmen der MARTENS & PRAHL Gruppe und bietet am 16.03.2022 von 10:00 bis 11:00 Uhr das Webinar „Quo vadis, Wohngebäude?“ an. Neben den allgemeinen Entwicklungen am Markt der Wohngebäudeversicherung gibt es einen Einblick in die ASSPICK Produktwerkstatt (Stichwort: nachhaltige Tarife, Smart Home, Energieausweis) und Informationen zur Debatte über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Auch aktuelle Urteile und neue Vertriebsansätze werden präsentiert. Weitere Informationen gibt es direkt bei ASSPICK.
Bild: ASSPICK-Geschäftsführer Nico Streker, Fotograf: Nicolas Döring
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