Interview mit Peter Koßmann, Leiter Maklervertrieb Schaden/Unfall bei der ERGO Versicherung AG, und Karin Brandl, Bereichsleiterin Schaden KOMPOSIT bei der ERGO Versicherung AG
Frau Brandl, der Wert einer Versicherung zeigt sich im Schadenfall. Kunden und Makler wollen eine schnelle Regulierung, Versicherer eine effiziente Abwicklung. Das könnte gut zusammenpassen, klappt aber nicht immer, oder?
Karin Brandl Nein, nicht immer. Manchmal liegen die Erwartungen von Kunden bzw. Maklern anders als die des Versicherers. Eines ist jedoch gewiss: Der Schadenfall ist entscheidend, um den Vertrauensvorschuss des Kunden zu bestätigen. Dies gelingt uns immer besser, da wir alle unsere Produkte und Prozesse am Kunden ausrichten und so die Interessenlagen immer mehr zueinander führen können.
Wo sehen Sie bislang die größten Baustellen in der Praxis – auch in der Zusammenarbeit mit Maklern?
KB Aus Schadensicht ist dies eindeutig die Kommunikation: Verzögerungen können an vielen Stellen des Prozesses auftreten. Durch die besondere Dreier-Konstellation – Kunde-Makler-Versicherer – dauert es oftmals länger, bis wirklich alle benötigten Informationen vom Kunden über den Makler zu uns gelangen.
Peter Koßmann In diesem Bereich benötigen wir strukturierte Datenmodelle und automatisierte Prozesse, um noch effizienter zu werden. Auch die Regulierung könnte an manchen Stellen einfacher ablaufen. Hieran arbeiten wir aktuell. Zudem gibt es noch komplexe Bedingungen und Sonderregelungen in unseren Produkten, die wir angehen. Wir kennen unsere Baustellen und sind auf einem guten Weg, diese zu beheben.
Die Digitalisierung bietet Lösungen an – von Schaden-Apps bis KI ist alles dabei. Die Möglichkeiten für die Schadenregulierung sind vermutlich noch lange nicht ausgeschöpft?
KB KI-Technologien bergen noch ein enormes ungenutztes Potenzial. Bereits heute ist absehbar, dass sie die Versicherungsbranche ordentlich auf den Kopf stellen werden. Der Bereich, in dem sie potenziell ihre größte Wirkung entfalten werden, ist das Kundenerlebnis. Die ersten Auswirkungen der Digitalisierung sind aktuell schon sichtbar: Der Datenaustausch über digitale Schnittstellen und die Entwicklung weg vom Papier haben viele Prozesse revolutioniert und deutlich effizienter gemacht. Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam mit unseren Maklern weiterentwickeln, um den Mehrwert solcher digitalen Lösungen auf beiden Seiten nutzbar zu machen.
Diese Visionen sind manchmal noch weit weg von der täglichen Kommunikation zwischen Versicherern und Maklern. BiPRO soll das ändern, mittlerweile sprechen wir von der Generation RNext. Was verbirgt sich hinter?
PK BiPRO RNext ist ein neues Normenmodell. Die BiPRO hat damit auf die sich wandelnden Anforderungen bei der Einführung agiler Methoden, der Entwicklung cloudbasierter Dienste sowie neuer Tools und Programmiersprachen reagiert. Diese Normen nutzen wir, um künftig die Schadenmeldungen online und in einem strukturierten Datenformat zu erhalten. Bisher lief dies über den klassischen Mail-Versand, was regelmäßig zu Ungenauigkeiten in den zugelieferten Daten führte und eine maschinelle Verarbeitung erschwerte.
RNext bietet jetzt die Möglichkeit der Online-Meldung über eine Schnittstelle direkt im Maklerverwaltungsprogramm (MVP), was dazu führt, dass wir als Versicherer die Daten im „richtigen“ Format erhalten und diese digital verarbeiten können. Neben der Möglichkeit, den Schaden bequem aus dem MVP zu melden, bietet der RNext-Schadenservice noch weitere Vorteile: Zu jedem Schaden kann eine Detailabfrage angefordert werden, die Informationen zum gewünschten Schaden liefert. Dabei handelt es sich z. B. um den aktuellen Status, erfolgte Zahlungen, das Schadendatum oder den zuständigen Sachbearbeiter. Diese volldigitale und auf Knopfdruck mögliche Schadeninformation erspart den Maklern und uns zeitaufwendige Telefonnachfragen und ist somit ein Effizienzgewinn für beide Seiten.
Welche Bedeutung hat die Schadenregulierung für den Maklervertrieb Schaden/Unfall? Lange war Schaden bei BiPRO gar kein Thema.
PK Die Schadenregulierung war für den ERGO Maklervertrieb natürlich auch bisher ein Erfolgstreiber, konnte jedoch nicht stringent End-to-End betrachtet werden. 2020/21 haben wir dann den Aufbau einer BiPRO-Schadenschnittstelle priorisiert und entsprechend fokussiert vorangetrieben. Mit der RNext-Schnittstelle zahlen wir auf unser Werteversprechen ein, unseren Maklern exzellente Serviceprozesse zur Verfügung zu stellen, die schnell, digital und intuitiv sind. Gerade im schadenintensiven Kfz-Bereich, etwa dem Flottengeschäft, bietet der neue Schadenservice einen großen Mehrwert für unsere Makler und eine Entlastung für die Schadenabteilungen. Ziel ist es, unseren gesamten Wertschöpfungsprozess schneller und digitaler zu machen und dabei die Bedürfnisse unserer Makler in den Mittelpunkt zu stellen. Die neuen RNext-Normen tragen einen wichtigen Teil zur Erreichung dieses Ziels bei.
Geht es hauptsächlich um den Bereich Kfz-Versicherung? Oder ist das nur der Start?
KB Kfz ist der Startpunkt, da wir hier schon sehr viel in den FolgeJourneys finalisiert haben. Aber natürlich werden wir dieses Jahr spartenübergreifend weitere Journeys umsetzen. Im Fokus stehen Sparten mit hohen Schadenzahlen wie Sach oder Haftpflicht.
PK Gemäß dem Grundsatz „Die Norm ist der Code“ ist der Anbindungsprozess von RNext-Schnittstellen deutlich zeit- und kosteneffizienter geworden. Als Pioniere im Markt stellt uns das Projekt vor besondere Herausforderungen. Ziel für die nächsten Jahre ist es, die RNext-Services weiter auszubauen und diese Services möglichst vielen Maklern zur Verfügung zu stellen.
Könnten Sie den Prozess anhand eines Beispiels erläutern?
KB Angenommen, ein Kunde hat einen Tierschaden und meldet bei seinem Makler, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig ist und besichtigt werden soll. Dabei steht ein möglicher Totalschaden im Raum. Der Makler gibt zunächst eine Meldung im MVP ein und diese geht bei uns per BiPRO ein. Gleichzeitig erfolgt eine automatisierte Schadenanlage und eine Deckungsprüfung wird angestoßen.
Über die Schnittstelle erhalten Kunde und Makler innerhalb von wenigen Minuten eine Rückmeldung mit Schadennummer und im Idealfall eine Deckungsbestätigung. Bei uns wird der Schaden automatisiert in die weitere Verarbeitung gegeben, das heißt, ein Auftrag geht an einen Sachverständigen raus. Dann meldet sich der Sachverständige auf Wunsch beim Makler oder Kunden und vereinbart einen Besichtigungstermin.
Nach der Besichtigung erfolgt die Erstellung des Gutachtens. Dies kann der Makler in BiPRO verfolgen und ist damit jederzeit auskunftsfähig gegenüber seinem Kunden. Je nach Entscheidung und Gutachtenhöhe zahlen wir entweder nach Gutachten aus oder beauftragen die Reparatur.
Was sind denn die Voraussetzungen, um als Makler eine RNext-Schnittstelle nutzen zu können?
PK Voraussetzung ist zunächst eine Mitgliedschaft im BiPRO e. V. Um die Schnittstelle nutzen zu können, müssen die Makler sie implementieren. Die meisten mittelständischen Makler sind bereits BiPRO-Mitglieder, da sie schon andere Normen nutzen. Bei Interesse lohnt es sich immer, seinen Maklerbetreuer anzusprechen.
Um einen neuen Standard zu etablieren, braucht es ja möglichst viele Mitstreiter in der Branche. Wie sehen Sie RNext hier bislang aufgestellt? Wer ist denn aktuell bereits an Bord?
PK Derzeit dürften wir mit RNext einer der Frontrunner sein. Aber auch große Mitbewerber haben sich bereits auf den Weg gemacht, die neue Normengeneration zu implementieren.
Wie sieht denn der Fahrplan für das laufende Jahr aus?
PK Wir werden die BiPRO-Services konsequent weiter ausbauen und diese möglichst vielen Maklern zur Verfügung stellen. Gleichzeitig werden wir unsere Services optimieren und auf die übrigen Komposit-Sparten ausdehnen. Ziel ist es, unseren Kunden die beste Schadenregulierung am Markt zu bieten.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 24 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Peter Koßmann und Karin Brandl, ERGO Versicherung AG
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