Interview mit Anna Reichhardt, Geschäftsführerin des Maklerunternehmens VML GmbH
Frau Reichhardt, zu Ihrem Produktportfolio zählt auch Versicherungsschutz rund ums Pferd. Haben Sie eine besondere Affinität zu Pferden oder zum Reitsport?
Das Thema Pferd liegt bei uns quasi in der Familie. Mein Mann, der Gründer der VML GmbH, ist auf dem elterlichen Reitbetrieb „Pferdeparadies Leberle“ aufgewachsen und hat natürlich dadurch eine besondere Verbindung und auch das Verständnis sowohl zu Pferden als auch zu deren Besitzern. Man kann sagen, dass dieses Thema bei uns eine Herzensangelegenheit ist.
Wie hat sich denn die Pandemie auf den Reitsport bzw. die Nachfrage nach Pferden ausgewirkt?
Seit Beginn der Pandemie haben wir auf jeden Fall einen Zuwachs an Kunden, die ein Pferd besitzen. Vor allem im ländlichen Raum konnte man den Zuwachs deutlich spüren. Viele Reiter, die bereits ein Pferd besitzen, haben sich innerhalb der letzten zwei Jahre noch ein weiteres Tier angeschafft. Demzufolge haben auch die Reitbeteiligungen zugenommen, da es natürlich für jemand mit mehreren Pferden oft nicht zu bewerkstelligen ist, alle Pferde gleichermaßen zu bewegen. Ebenfalls wissen wir über den elterlichen Reitbetrieb, dass die Nachfrage nach einem Stallplatz deutlich gestiegen ist.
Wiederum hatten Reitschulen und Reitlehrer einen Einbruch, da aufgrund der Coronamaßnahmen Reitunterricht erst einmal nicht gestattet war. Selbst aktuell unterliegt der Reitunterricht der 2G-plus-Regelung.
Ein Pferd zu halten, ohne eine Pferdehaftpflichtversicherung abzuschließen – wissen Pferdeliebhaber denn, was im schlimmsten Fall auf sie zukommen kann?
Es ist eigentlich allen Pferdebesitzern klar, dass sie eine Pferdehaftpflichtversicherung benötigen, sobald ein Pferd angeschafft wird. Als Pferdebesitzer ohne Haftpflicht für sein Tier würde man in 99% aller Ställe keinen Platz bekommen. Allein aus diesem Grund ist es jedem Pferdebesitzer klar, vorab eine Pferdehaftpflicht abzuschließen. Was im schlimmsten Fall aber auf sie zukommen könnte, ist den wenigsten bewusst. Wenn wir unseren Kunden im Beratungsgespräch erläutern, dass laut BGB der Halter für sein Tier persönlich haftet und es anhand von Beispielen darstellen, ist eindeutig, dass es oftmals unterschätzt wird.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein Pferd scheut beim Ausreiten, wirft den Reiter ab und geht durch. Das Pferd springt auf die nahe gelegene, viel befahrene Bundesstraße und verursacht einen Unfall. Im schlimmsten Fall mit verletzten Personen. Hier sind wir schnell bei einer extremen Schadenhöhe, für die man ohne Pferdehaftpflichtversicherung sein Leben lang zahlen müsste.
Sollte eine Pferdehalterhaftpflicht Ihrer Meinung nach verpflichtend sein?
Definitiv. Pferde sind athletische, kraftvolle Tiere. Diese enorme Stärke kann natürlich auch enormen Schaden anrichten. Und nicht zu vergessen, Pferde sind Fluchttiere. Ein Haftpflichtschaden des eigenen Pferdes kann quasi wie ein Lotto-Gewinn sein – nur andersrum.
Werden alle gängigen Risiken über die Halterhaftpflicht abgedeckt?
Am besten kann dies anhand eines Beispiels erklärt werden. Sie lassen ihr Pferd auf dem Weg von der Weide zum Stall noch etwas grasen, das Pferd erschrickt, geht durch, galoppiert auf das Feld nebenan und über die angrenzende Straße. Dabei muss der entgegenkommende Autofahrer ausweichen und fährt in den Graben. Der Autofahrer ist verletzt und bricht sich das Bein.
- Auf dem Feld entsteht ein erheblicher Schaden = Flurschaden
- Auto ist beschädigt = Sachschaden
- Autofahrer verletzt = Personenschaden
- Autofahrer kann aufgrund des gebrochenen Beins nicht arbeiten = Vermögensschaden
Wie schnell so ein Schaden entstehen kann, erläutert dieses einfache Beispiel. Daher sollte jede Pferdehaftpflichtversicherung gegen Sach-, Personen-, Vermögens- und Flurschäden absichern. Leider ist das jedoch nicht standardisiert bei allen Anbietern der Fall – von manchen Pferdehaftpflichtversicherern werden Flurschäden sogar ausgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen sind daher äußerst wichtig.
Natürlich gibt es immer Grenzen im Versicherungsbereich. Alle Risiken abzudecken, wäre für keinen Besitzer bezahlbar. Daher führen wir immer im Vorfeld ein Gespräch, um die Situation des Besitzers und des Pferdes zu analysieren und daraus die bestmögliche Absicherung für jeden Kunden individuell zu erarbeiten und die nicht versicherbaren Bereiche so gering wie möglich zu halten.
Nicht versicherbar in der Pferdehalterhaftpflicht sind beispielsweise eigene Schäden. Beispiel hierzu: Mein Pferd tritt im eigenen Pferdeanhänger so stark gegen die Wand, dass diese kaputt ist – nicht versichert. Im gemieteten Pferdeanhänger wäre es versichert, sofern die Klausel gemietete und geliehene Gegenstände erfüllt ist.
Auf welche Einschlüsse gilt es also bei den Produkten zu achten?
Unserer Meinung nach ist es wichtig, auf folgende Einschlüsse zu achten: Flurschäden, Reitbeteiligung – unterschieden in Eigenschaden und Fremdschaden – Führen des Pferdes an Halfter und Strick, Absicherung im Ausland, Reiten mit gebissloser Zäumung, Schutz auf Turnieren, Schäden an geliehenen und gemieteten Utensilien, Kutschfahrten.
Die Deckungssumme sollte unserer Meinung nach nicht unter 20 Mio. Euro liegen. Die meisten Versicherer bieten eine Deckungssumme zwischen 1 und 10 Mio. Euro an, was sehr schnell erschöpft sein kann. Vor allem wenn es sich um Personenschäden handelt.
Mit welchen Kosten ist denn in der Regel zu rechnen, um eine adäquate Absicherung zu erhalten?
Natürlich ist es schwer, hier einen fixen Betrag zu nennen, da so viele Faktoren zu beachten sind. Allein, ob ich ein Pferd zum privaten Hobbyreiten halte oder ein Gnadenbrotpferd, ein Pony oder Turnierpferd – das ist schon die erste grundsätzliche Frage, die wir stellen müssen, ohne überhaupt die versicherten Schadenfälle zu besprechen, die wichtig sind.
Als ungefähren Richtwert für eine Pferdehalterhaftpflichtversicherung für ein Pferd, das rein zum Hobbyreiten gedacht ist, würden wir die Beitragsspanne aktuell zwischen 110 und 190 Euro im Jahr ansetzen. Wobei nicht der Beitrag wichtig ist, sondern immer das Kleingedruckte in den Bedingungen!
Welche Rolle spielt denn eine Krankenversicherung für Pferde?
Die Pferdekrankenversicherung oder Pferde-OP-Versicherung ist eine der wichtigsten Versicherungen für Pferdehalter. Eine Pferde-OP kann plötzlich sehr hohe Kosten verursachen. Hat beispielsweise ein Pferd eine plötzliche Kolik und muss in die Tierklinik und dort operiert werden, kommt zu den OP-Kosten noch der Aufenthalt in der Klinik dazu. Solch ein medizinischer Einsatz kann schnell mehrere Tausend Euro kosten. Um zu verhindern, dass der Pferdehalter dadurch in finanzielle Nöte kommt, ist es sehr sinnvoll, eine Pferde-OP-Versicherung abzuschließen. Bei der Pferdekrankenversicherung geht es hauptsächlich darum, Routineuntersuchungen und wiederkehrende ärztliche Leistungen wie Impfungen, Wurmkuren, Blutbilder, Krankheiten abzudecken.
Wie nehmen Sie das Angebot auf dem Markt wahr? Gibt es passenden Schutz zu bezahlbaren Prämien?
Nicht jede Versicherungsgesellschaft, die für Menschen eine Krankenversicherung anbietet, bietet auch eine Krankenversicherung für Pferde an. Das Angebot ist dadurch schon etwas geringer, allerdings nicht zwingend schlechter. Wir finden hier Gesellschaften, die wissen, wovon sie sprechen, und auf den Bereich Tier spezialisiert sind.
Natürlich gilt auch hier, dass nicht alle Wehwehchen oder Behandlungen in den Tarifen abgesichert werden können. Es müssen einfach Grenzen gezogen werden – wie es bei unserer eigenen Krankenversicherung ja auch ist. Trotzdem muss man sagen, dass es Tarife gibt, die eine wirklich gute Leistung bieten für einen fairen Beitrag. Ausschlaggebend ist hier allerdings eine ausgiebige Beratung – auf keinen Fall blauäugig etwas mal eben schnell abschließen.
In welchen Fällen sind denn spezielle Absicherungen wie etwa eine Pferdelebensversicherung sinnvoll?
Die Pferdelebensversicherung ist sinnvoll für Pferdehalter, die mit ihren Pferden Geld verdienen, zum Beispiel Sport- und Zuchttiere.
Solche Pferde haben meistens auch einen sehr hohen finanziellen Wert. Sollte ein solches Pferd infolge einer Krankheit oder eines Unfalls sterben oder dadurch für die Zucht ausscheiden, sichert eine Pferdelebensversicherung dieses Risiko ab.
Weitere Informationen zur VML gibt es hier.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2022, S. 50 f., und in unserem ePaper.
Bild: © taylon – stock.adobe.com
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