Interview mit Gunnar Knierim, Director Financial Institutions Germany & Luxembourg bei AllianceBernstein
Herr Knierim, wie schlägt sich die allgemeine Wirtschaftslage aktuell auf AllianceBernstein nieder?
Die Situation ist mit Sicherheit derzeit keine einfache. Auch ein globaler Vermögensverwalter wie AllianceBernstein kann nicht in einem Vakuum operieren. Die Jahre der Pandemie und die weiterhin andauernde Verunsicherung an den globalen Kapitalmärkten ist auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Da wir jedoch eine ganze Reihe von differenzierten Anlagelösungen anbieten, die sich auch in den schwierigen Phasen bewährt haben, und wir durch unsere enge, langjährige Kundenbindung eine gute Vertrauensbasis geschaffen haben, sind wir bislang zum Glück glimpflicher davongekommen als manch einer unserer Konkurrenten.
Die Entwicklungen in den USA um den Schuldenstreit, die Konjunktur und den Arbeitsmarkt beschäftigen die Finanzmärkte. Wie sehr sind Ihre Fonds davon betroffen?
Die Wurzeln unseres Unternehmens liegen in den USA und ein beträchtlicher Teil des verwalteten Vermögens ebenso. Gerade unsere Expertise für US-Aktien wird jedoch auch hierzulande sehr geschätzt und viele unserer Kunden haben einen langen Anlagehorizont, der in volatilen Zeiten sehr wichtig ist. Auf der festverzinslichen Seite sind durch die in den USA zuerst erfolgte Zinswende auch wieder attraktive Investmentchancen entstanden. Dadurch entsteht also derzeit ein eher gemischtes Bild.
AllianceBernstein hat mit Aktien-, Anleihen- und Multi-Asset-Fonds sowie Alternatives ein großes Angebot an Anlageprodukten. Wo ist derzeit der größte Zuspruch, insbesondere auch im deutschen Vermittlergeschäft?
Da wir in vielen verschiedenen Asset-Klassen sehr wettbewerbsfähige Produkte am Markt haben, sehen wir im deutschen Vermittlermarkt bei Aktien-, Anleihen- und Multi-Asset-Fonds eine konstant hohe Nachfrage. Vor allem die Rentenseite mit unseren bewährten Income-Strategien wie European Income oder American Income erfreut sich 2023 wieder zunehmender Beliebtheit. In den vergangenen zwei bis drei Jahren haben wir großes Interesse auf Vermittlerseite an unseren ESG-Strategien, US-Aktienfonds sowie unseren Themenfonds International Health Care und International Technology gesehen.
Gibt es einen verbindenden Ansatz hinter den Fonds, eine Art AB-Philosophie?
Selbstverständlich finden Sie bei einem Vollanbieter, wie wir es sind, auch dementsprechend höchst unterschiedliche Anlageansätze. Was jedoch als wesentlicher Pfeiler unserer Unternehmensphilosophie alle Strategien verbindet, ist die grundlegende Überzeugung, dass wahrhaft aktives Investieren langfristig einen Mehrwert bietet. Das gilt vor allem in turbulenten Marktphasen, wie wir sie seit einiger Zeit wieder erleben.
Research kostet Geld. Deshalb sind ETFs aufgrund niedrigerer Kosten und vermeintlich besserer Performance gefragt. Spüren Sie diese Entwicklung?
Der Margendruck für Asset-Manager ist enorm und wird auch so bald nicht nachlassen. Das gilt im Übrigen nicht nur für den Retailbereich, sondern auch und insbesondere für institutionelle Mandate. Wir bei AB haben jedoch bereits seit einigen Jahren damit begonnen, uns dem hochkompetitiven Umfeld anzupassen und innovative Gebührenmodelle zu offerieren. Auch auf der Kostenseite haben wir große Einsparungen erzielen können. Aktuell ist hierbei KI-gestütztes Research ein wichtiges Thema.
Zuletzt gab es in Deutschland eine Art Hinwendung der Deutschen zu Aktien und Fonds. Nun macht die Volatilität den Anlegern wieder größere Sorgen. Zu Recht?
Die russische Invasion in die Ukraine, die sich immer weiter hochschaukelnde Rivalität zwischen China und den USA, die hartnäckige Inflation, der Klimawandel und die mit der Transformation verbundenen Kosten – die Liste der Risiken ist auch nach Überwindung der Covid-Pandemie lang. Aber hinter jedem vermeintlichen Risiko lauert auch eine Chance. Das gilt auch im Investmentbereich. Angst ist generell ein schlechter Berater, vor allem wenn man inmitten von Markteinbrüchen verkauft und Verluste realisiert.
Dann lassen Sie uns auf Fondspolicen blicken. Sind diese aus Ihrer Sicht überhaupt eine interessante Alternative zu direkten Anlagen?
Fondspolicen verbinden das Bedürfnis eines Anlegers nach Absicherung seiner Risiken mit den Ertragschancen von Kapitalanlagen. Selbst wenn die Zinsen zuletzt wieder gestiegen sind, ist die klassische Kapitallebensversicherung eher ein Auslaufmodell. Fondsgebundene Versicherungen jedoch bieten mehr Flexibilität, Transparenz und Chancen. Sollte noch eine Reform bzw. ein Ausbau der staatlichen Förderung für die Altersvorsorge hinzukommen, könnte dieser Bereich sogar einen Boom erleben. Wir stehen den Versicherern als verlässlicher Partner zur Seite, auch um die Vermittler für die gestiegenen Anforderungen auf der Beratungsseite zu schulen.
AllianceBernstein ist ja auch Fondslieferant für Versicherer. Welche Rolle spielen Ihre Fonds bei der Fondsauswahl? Gerne wird bei der Auswahl in Fondspolicen auf Bewährtes zurückgegriffen.
Wir arbeiten seit vielen Jahrzehnten mit den Versicherungsgesellschaften in Deutschland vertrauensvoll zusammen und liefern wichtige Investmentlösungen für deren Fondspolicen-Geschäft. Einige unserer Flaggschifffonds sind dabei ein fester Bestandteil in der Fondsauswahl der Versicherer. Was uns ganz besonders freut, ist, dass wir als einer der wenigen Fondsanbieter für Versicherungen mit einem 5-Sterne-Rating für die Fondsqualität unserer Produkte innerhalb der Versicherungspolicen ausgezeichnet wurden. Das macht uns sehr stolz und zeigt, dass sich die Versicherer auf die Leistungen unserer Investment-Teams langfristig verlassen können.
Welche Ihrer Fonds sind hier besonders gefragt oder aus Ihrer Sicht interessant?
Einer der bekanntesten Fonds innerhalb des Fondspolicen-Marktes ist unser AB Sustainable Global Thematic Portfolio, einer der ersten Fonds im Markt, der an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet wurde. Auch unser AB American Growth Portfolio findet sich seit vielen Jahrzehnten in Versicherungspolicen wieder. Er wurde kürzlich als bester US-Aktienfonds der letzten 20 Jahre gewürdigt. Des weiteren wurde unser AB International Health Care Portfolio von vielen Versicherungsgesellschaften in den Fokus genommen.
AB hat kürzlich erst einen Fonds aufgesetzt, der besonders auf „ESG Improvers“ setzt? Wie sieht dieser aus und welche Erwartungen haben Sie?
Die ESG-Ratings, die viele Fonds als Auswahlgrundlage verwenden, sind rückwärtsgewandt, zeichnen ein unvollständiges Bild und benachteiligen manche Unternehmen zu Unrecht. Daraus ergibt sich die Chance, Unternehmen zu identifizieren, die einen positiven Wandel vorantreiben, bevor er sich in den Ratings niederschlägt, und in diese zu investieren. Wenn dann die Ratingagenturen letztendlich die Verbesserungen honorieren, sollte es einen erheblichen Kursschub geben, da die betreffenden Unternehmen dann in den Fokus der ESG-Anleger rücken, und das ist in der Vergangenheit auch meist so gewesen. Wir erhoffen uns durch diese innovative Ergänzung unserer Responsible-Investing-Palette u. a. Zuspruch von Kunden, die vielleicht noch vor „puren“ ESG-Fonds zurückschrecken.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 54 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Gunnar Knierim, AllianceBernstein bzw. © iamchamp – stock.adobe.com
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