Vermittler mussten während der Corona-Krise auf digitale Kundenkommunikation setzen. Würden Sie sagen, dies ist den meisten Vermittlern gelungen?
Thomas Lüer: Aus meiner Sicht ist einer Vielzahl von Vertriebspartnern der digitale Switch gelungen. Insgesamt ist jedoch im ganzen Markt sicherlich noch Luft nach oben, wobei wir uns auf einem guten Weg befinden. Große Häuser sind hier sicherlich etwas besser aufgestellt als viele der kleineren Marktteilnehmer. Aus vielen Gesprächen mit Vertriebspartnern wissen wir, dass Beratungs- und Unterstützungsbedarf in Sachen digitale Kundenkommunikation besteht.
Ralf Pispers: Viele Versicherungsvermittler reduzieren die digitale Kommunikation immer noch auf E-Mail und Telefon. Dabei gibt es heute die Möglichkeit, den Prozess von der Beratung bis hin zur Police komplett digital abzuwickeln.
Bei einigen Banken gibt es Videoberatung schon länger, die Ausschließlichkeit wird technisch von den Versicherern ausgestattet. Für Versicherungsmakler gab es kostenlose Angebote von Pools und anderen Dienstleistern. Wo liegen insbesondere für Makler die Herausforderungen?
Ralf Pispers: Aus meiner Sicht ist die Versicherungsbranche – in Sachen Videoberatung – definitiv weiter als Banken. Die Banken haben eine „mediale Filiale“ also ein Call-Center mit Ausstattung zur Videoberatung. In den Filialen, das heißt mit den persönlichen Beratern geht da heute noch gar nichts. Unabhängig von der Branche muss ein Umdenken stattfinden. Denn: Bis jetzt war Videoberatung für viele Makler eine Notlösung und wurde nicht als Top-Service verstanden. Durch Corona und die damit verbundenen Veränderungen in der Gesellschaft, wird Videoberatung jetzt zum Muss-Service.
Thomas Lüer: Das Vermittlergeschäft basiert auf dem engen Kundenkontakt. Beratung und Abwicklung laufen auf der persönlichen Ebene ab. Das heißt: Der direkt Kundenkontakt, also der Termin vor Ort, ist häufig noch immer der präferierte Weg. Das Kundenverhalten und auch die Kundenerwartung werden sich jedoch durch Corona nachhaltig verändern. Viele Kunden merken jetzt, dass der digitale Weg durchaus Vorteile mit sich bringt. Daher muss die volldigitale Beratung neben dem Angebot der persönlichen Beratung zum Standard der Vertriebspartner entwickelt werden. Ich bin überzeugt, dass Vermittler und Kunden gerade inmitten dieses Umdenkprozesses sind. Sobald beide Seiten feststellen, dass das technisch einwandfrei geht, wird sich die Videoberatung als probate Beratungsalternative fest etablieren.
HDI hat ein digitales Hilfspaket für Makler aufgelegt. Was ist darin enthalten?
Thomas Lüer: Vermittler, die eine vernünftige Online-Beratung auf die Beine stellen wollen, müssen sich aktuell die Informationen mühsam zusammentragen und bei der Vielzahl von Angeboten haben sie die Qual der Wahl. Mit dem digitalen Hilfspaket von HDI bekommen sie eine Komplettlösung an die Hand und damit weit mehr als die Einrichtung eines Video-Chats. Unsere Digitalisierungsinitiative #handschlag steht unter dem Motto „Zukunft gemeinsam gestalten“. Mit dem digitalen Hilfspaket unterstreichen wir einmal mehr, das das keine Lippenbekenntnisse sind. Das Hilfspaket haben wir gemeinsam mit unseren Partnern PBM, Dotkomm und dem IT-Berater Adesso exklusiv für Makler entwickelt und das in einer rekordverdächtigen Geschwindigkeit.
Ralf Pispers: Um Kunden professionell digital betreuen zu können, braucht der Makler drei Assets: Erstens die technische Ausstattung für eine professionellen Videoberatung. Zweitens Datensicherheit beim digitalen Austausch von Nachrichten und Dokumenten, denn nicht immer werden in der Branche alle Regeln der DSGVO eingehalten. Drittens die Möglichkeit, Verträge und Dokumente digital und rechtsgültig signieren zu lassen. Dabei ist die digitale Signatur über Distanz gemeint. Alle drei Bausteine haben wir in ein Paket gegeben – mit den erforderlichen Plattformen sowie Schulung und Coaching für die professionelle Bedienung. Abgerundet wird das Paket mit einem Medien-Set für Website, E-Mail, Social Media etc. Damit können Makler ihre neuen, digitalen Services zielgerecht vermarkten und sich so im Markt abheben.
Welches Ziel verfolgt HDI damit?
Thomas Lüer: Unser vorrangiges Ziel ist es aktuell, unsere Vertriebspartner in die Lage zu versetzen, sich in der Krise digital aufzustellen und den Wandel für sich zu nutzen. Langfristig wollen wir die Digitalisierung des Maklerberufs weiter vorantreiben. Dazu gehört, dass Makler auch über das Ende der aktuellen Krise hinaus von den Chancen digitaler Beratung profitieren. Denn die Corona-Krise wird die digitale Transformation vieler Gesellschaftsbereiche beschleunigen und Kunden werden die Vorteile der digitalen Angebote stärker nutzen als vor der Krise.
Nun geht es ja nicht nur um Videotelefonie, sondern vor allem auch um die Einbindung der Kommunikation in die Beratungsprozesse. Wie kann das funktionieren?
Ralf Pispers: Durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie DSGVO, IDD oder Geldwäschegesetz sind die Vorgaben an die Prozesse sehr eindeutig. Diese sind durch den Einsatz der genannten Lösungen sehr gut umsetzbar, denn dafür sind sie gemacht. Wichtig ist jedoch, dass sie auch genug Raum für die individuellen Vertriebsstrategien oder Spezialisierung der Makler lassen. Jeder Makler sollte etwas Zeit investieren, um die Plattformen in seinen Arbeitsalltag und seine Prozesse zu integrieren. Erst dann werden sie zu einem nachhaltigen und wertvollen Baustein seines Geschäfts.
Thomas Lüer: Im Grunde bilden wir mit dem Hilfspaket den physischen Beratungstermin digital ab. Alle Komponenten berücksichtigen geltendes Recht und wir richten uns selbstverständlich nach allen Regularien.
Die Bedeutung der digitalen Makler-Versicherer-Kommunikation hat die Branche vor Längerem erkannt. Das letzte Stück hin zum Verbraucher scheint oftmals aber noch nicht eingebunden zu sein. Gibt es hier Fortschritte?
Ralf Pispers: Der Wandel muss sich in den Köpfen vollziehen. In der digitalen Makler-Versicherer-Kommunikation werden wertvolle Zeitvorteile in der Be- und Verarbeitung von Angeboten, Anträgen, Schäden etc. gesehen. In Richtung Kunde ist die Denke immer noch, dass der einzig praktikable Prozess im physischen Termin vor Ort liegt – inklusive An- und Abfahrt, schwieriger Terminfindung mit dem Kunden etc. Insofern ist die Corona-Krise ein Prozessbeschleuniger, der die Veränderung regelrecht erzwingt. Wir befinden uns aktuell in einem Tipping-Point, also dem Zeitpunkt, an dem sich eine Marktsituation komplett verändert.
Thomas Lüer: Für viele Makler gilt es im ersten Schritt, eine vernünftige Videoberatung auf die Beine zu stellen. Das ist absolut nachvollziehbar, jedoch ein wenig zu kurz gesprungen. Unser digitales Hilfspaket ist weit mehr als die reine Videoberatung. Es umfasst neben dem technischen Equipment elementare Tools von der Beratung bis zum DSGVO-konformen Abschluss. Noch zögern Kunden, eine rein digitale Beratung in Anspruch zu nehmen. Es ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit, bis auch bei Kunden das Umdenken einsetzen wird. Danach werden digitale Beratung und Abwicklung Teil einer neuen Normalität werden. Vermittler sollten auf diesen Bedarf eingestellt sein und den Weg gemeinsam mit ihren Kunden gehen.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können