Die EU hat einige regulatorische Maßnahmen auf den Weg gebracht, um sicherzustellen, dass das Thema Nachhaltigkeit auch in der Finanzberatung mehr berücksichtigt wird.
Wie bewerten Sie denn die bisherigen Schritte?
Marcel Malmendier: Diese Schritte sind aus unserer Sicht richtig. Dass momentan die Generierung von Daten zur Nachhaltigkeitsbeurteilung von Unternehmen und Projekten wie vor allem die EU-Taxonomie Priorität hat, ist klar. Das ist eine wichtige Basis für Investments generell und damit auch für Finanzberatung. Mit der Offenlegungsverordnung kommt nun für Produktanbieter wie für Finanzberater ab dem 10. März 2021 ein wichtiger Schritt hinzu. Finanzberater, die ihre Ernsthaftigkeit im Bereich der Nachhaltigkeit zeigen wollen, sollten diese Chance nutzen und offen ausweisen, wie sie mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen.
Kritisiert wird zum einen, man würde Anleger durch Gesetze und Vorschriften bevormunden, die gar nicht von dem Thema Nachhaltigkeit überzeugt sind, und zum anderen Gefahr laufen, dass Anbieter Greenwashing betreiben.
Marcel Malmendier: Jede Veränderung erzeugt Widerstände. Ob der EU-Weg unter Changemanagement-Gesichtspunkten gut aufgesetzt ist, darüber kann man streiten. Aber die generelle Richtung ist gut und ist im Übrigen eine folgerichtige Umsetzung der Agenda 2030 der UN. Greenwashing ist ein Trittbrettfahrer-Phänomen. Hier ist ein kritischer Diskurs gefordert, der zeigt, dass viele große Investmenthäuser derzeit im Kern vor allem die Marketingfarbe ändern.
Nun wird ja die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in der Beratung verpflichtend. Was raten Sie Kollegen, die sich bislang noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben?
Nadja Schiller: Die Erfassung der Nachhaltigkeitspräferenzen sollte man als Chance und nicht als notwendiges Übel sehen. Die Menschen sind immer besser informiert und haben konkrete Vorstellungen von ihrem finanziellen Engagement und dessen Auswirkungen. Wir Berater sollten uns ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen, eigene Werte formulieren und uns die Produkte genau ansehen. Es genügt nicht, bei der Suche nach geeigneten Investmentfonds und ETFs in der Fondsdatenbank Filter wie „nachhaltig / ESG“ oder „FNG-Siegel“ des Forum Nachhaltige Geldanlagen zu aktivieren oder auf Bezeichnungen wie „sustainable“, „ESG“, „SRI“, also Socially Responsible Investment, etc. zu vertrauen. Häufig genügt ein Blick auf die aktuellen Top-10-Positionen oder in die Vermögensaufstellung des letzten Jahres- bzw. Halbjahresberichts, um kritische Unternehmen zu finden, die nicht mit den Werten des Anlegers vereinbar sind. Neben diesem anschaulichen Ansatz, Produkte nach Ausschlusskriterien zu filtern, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass Finanzberater weitere Ansätze für nachhaltiges Investieren verstehen. Dazu gehören zum Beispiel Best-in-Class-Ansätze und verschiedene Konzepte des Impact Investing, bei dem die Unternehmen positiv selektiert werden, die einen Beitrag leisten, um beispielsweise soziale und ökologische Probleme zu lösen. Zudem sollte sich jeder mit den SDGs, also den Sustainable Development Goals, aus 2015 vertraut machen, die zukunftsweisende Investmentthemen definieren.
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Seite 3 Worin liegt denn die größte Herausforderung in der Beratung rund um nachhaltige Finanz- und Versicherungsprodukte?
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