AssCompact suche
Home
Assekuranz
1. April 2022
Zu Versicherungsanlageprodukten nachhaltig beraten
Zu Versicherungsanlageprodukten nachhaltig beraten

Zu Versicherungsanlageprodukten nachhaltig beraten

Rund um den Begriff der Nachhaltigkeit entstehen Definitionen. Fragen bleiben, z. B. bei der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden. Nach welchen Kriterien sollen Fonds in Fondspolicen ausgewählt werden? Findet sich anhand der Abfrage überhaupt ein Produkt? Das IVFP bietet bei diesen Fragen Hilfe.

Ein Artikel von Andreas Kick, Partner und Prokurist der Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH

Bei der Beratung zu Ver­­si­cherungsanlageprodukten ist schon immer (und seit Inkrafttreten der IDD am 23.02.2018 ganz besonders) darauf zu achten, dass das empfohlene Produkt zu den Kunden passt. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Risikoneigung, das Anlageziel, die Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf den speziellen Produkttyp sowie die finanziellen Verhältnisse der Kunden.

Mithilfe von Softwareanwendungen wie dem AnlegerprofilFINDER des IVFP ist es möglich, ein Anlegerprofil unter Berücksichtigung aller genannten Dimensionen zu erstellen und darauf basierend das passende Versicherungsanlageprodukt zu empfehlen. Dies ist eine willkommene und gerne genutzte Hilfestellung für Berater und Kunden, da sowohl das Produktangebot als auch die Flexibilität dieser Produkte in den letzten Jahren immer weiter zugenommen hat. Ab dem 02.08.2022 kommt nun mit den Nachhaltigkeitspräferenzen ein weiterer Aspekt hinzu, den es zu berücksichtigen gilt.

Renditenachteile bei nachhaltigen Produkten?

Von der Sinnhaftigkeit dieser Abfrage ist allerdings noch nicht jeder überzeugt. Stets das Beste für ihre Kunden im Sinn beschäftigt eine Frage viele Berater nach wie vor: Ist nachhaltige Geldanlage unter Renditegesichtspunkten überhaupt sinnvoll? Ein gutes (Versicherungs-)Anlageprodukt zeichnet sich im Wesentlichen über das jeweilige Rendite-Risiko-Profil aus. Nun ist es prinzipiell schwierig, eine Pro­gnose abzugeben, ob nachhaltige Produkte in der Zukunft eine bessere Performance erzielen werden als konventionelle.

Im Wesentlichen sind bei nachhaltigen Finanzprodukten zwei gegenläufige Entwicklungen festzustellen. Einerseits lässt sich argumentieren, dass bei einem Investment in „braune“ Unternehmen Renditenachteile entstehen, da auf Industrien gesetzt wird, deren Gewinne sich beispielsweise auf prekären Arbeitsbedingungen oder der Gratis-Entsorgung ihrer Abgase begründen. Solche Praktiken sind jedoch nicht mehr zeitgemäß und erst recht nicht zukunftsträchtig. Vergleichbar ist dies mit einer Investition in Unternehmen, die dabei sind, den Strukturwandel zu verschlafen.

Andererseits haben besonders nachhaltige Unternehmen durch die aktuelle Fokussierung auch hohe Bewertungen, was die Rendite­erwartung negativ beeinflusst. Eine seriöse Aussage dazu, welcher dieser beiden Effekte überwiegt, kann schlichtweg heute nicht gegeben werden.

Risikostreuung mit nach­haltigen Finanzprodukten

Eine adäquate Risikostreuung hingegen ist auch mit nachhaltigen Finanzprodukten möglich, sofern sich die Anlage nicht auf einen einzigen Bereich bzw. Sektor konzentriert. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn 100% des Sparbeitrags in einen einzelnen Themenfonds (zum Beispiel Wasser, Energie) fließen würden. Kunden können und dürfen durch die Wahl solcher Fonds zwar Schwerpunkte in ihrer Anlage setzen, grundsätzlich ist jedoch auf eine breite Streuung zu achten, um das Risiko zu diversifizieren.

Im jüngsten Fondspolicen-Nachhaltigkeits-Rating des IVFP hat sich gezeigt, dass die Auswahl an nachhaltigen Fonds im Rahmen einer Fondspolice im Marktdurchschnitt ausgezeichnet ist. Im Vergleich zum Vorjahr gab es dabei einen deutlichen Sprung nach oben. Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass Versicherer ihre Fondsauswahl weiter optimieren, um Kunden eine optimale Ausgestaltung ihrer Fondspolicen – auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten – zu ermöglichen.

Verpflichtende Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen

Was verlangt nun aber die Änderung in der Delegierten Verordnung zur IDD konkret von Beraterinnen und Beratern? Kunden müssen künftig nach ihren Präferenzen hinsichtlich eines Mindestanteils an nachhaltigen (gemäß Art. 9 Transparenzverordnung) und ökologisch nachhaltigen Investitionen (gemäß Art. 2 Nr. 17 Taxonomieverordnung) befragt werden.

Darüber hinaus gilt es, die individuelle Entscheidung zu berücksichtigen, ob die Investition nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt, wobei Art und Umfang durch die Kunden selbst zu definieren sind. Was dabei genau unter nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu verstehen ist, wird in den technischen Regulierungsstandards zur Transparenzverordnung definiert, die voraussichtlich am 01.01.2023 in Kraft treten werden. Das sind beispielsweise der CO2-Fußabdruck, der Energieverbrauch und auch Kinderarbeit. Das klingt nicht nur komplex, sondern ist es auch. Aufgrund dieser schwer verständlichen Definition der Nachhaltigkeitspräferenzen, sind diese mit einer einfachen Fragenlogik nicht im geforderten Maße abbildbar.

Der bessere Weg besteht darin, das angebotene Anlageuniversum gemeinsam mit Kunden nach deren Vorlieben zu filtern und den Weg hin zu der gefundenen Lösung zu dokumentieren. Die Filterlogik muss sich dabei an den regulatorischen Anforderungen orientieren. Indem nicht durch eine komplexe Fragelogik alle Eventualitäten abgefragt werden (müssen) und anschließend kein passendes Finanzinstrument oder Versicherungsanlageprodukt angeboten werden kann, wird viel Frust verhindert. Für den bereits erwähnten AnlegerprofilFINDER des IVFP ist ein entsprechendes Update vorgesehen, um auch nach dem 02.08.2022 eine optimale Unterstützung bei der Ermittlung des passenden Versicherungsanlageproduktes zu gewährleisten.

Der Bedarf an einer derartigen Unterstützung dürfte aufgrund der neuen Anforderungen nie höher gewesen sein. Das gilt umso mehr, als es je nach empfohlenem Produkt notwendig sein kann, Kunden im Rahmen des Beratungs­gesprächs besondere Hinweise zu geben und diese auch zu dokumentieren. Ein Beispiel dafür sind Produkte mit Garantien. Hier ist gegebenenfalls Kunden zu erläutern, dass für den Teil der Anlage, der für die Garantieerzeugung verwendet wird, keine Nachhaltigkeitspräferenzen berücksichtigt werden können, da dieser Teil im Sicherungsvermögen investiert ist. Eine automatisierte Lösung stellt dabei sicher, dass solche produktspezifischen Hinweise ausgegeben und dokumentiert werden.

Vertriebliche Chancen bei entsprechender Schulung

Die vorangegangene Beschreibung der komplexen Aspekte bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Beratung lässt erahnen, dass es in diesem Bereich einen gesteigerten Schulungsbedarf gibt. Einerseits gilt es, mögliche Fallstricke in der Beratungspraxis zu erkennen, andererseits bietet das Thema Nachhaltigkeit neben enormen vertrieblichen Chancen auch die Möglichkeit, die Reputation unserer Branchen zu steigern. Insbesondere das „Denken in langen Zeiträumen“ ist eng verbunden mit dem Nachhaltigkeits­begriff – und wer könnte das besser vertreten als die Versicherungsbranche, deren Kernkompetenz (gerade im Vorsorgebereich) es schon immer war, Produkte und Dienstleistungen mit generationenübergreifendem Charakter zu entwickeln? Im Rahmen von Vorträgen und Seminaren schafft es die Akademie des IVFP, diese beiden Aspekte miteinander zu verbinden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2022, S. 40 f., und in unserem ePaper.

Bild: © ETAJOE - stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Andreas Kick