Die Debatte um ein Provisionsverbot in der Finanzberatung ist noch lange nicht abgeschlossen. Die provisionsbasierte Beratung ist schon lange das etablierte Geschäftsmodell in der Branche – doch nicht jeder sieht darin eine für alle Parteien zufriedenstellendes System. So erwägt die EU-Kommission, ein EU-weites Verbot für Provisionen in der Finanzberatung auszusprechen.
Stimmen für und gegen ein Provisionsverbot gibt es nur allzu viele. Auch die Bundesregierung ist sich uneins (AssCompact berichtete: EU-Provisionsverbot: Bundesregierung gibt sich uneinig). Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg findet in mehreren Mitteilungen deutliche Worte gegen die provisionsbasierte Beratung. Und auch eine Studie von der Universität Regensburg will nun mit Zahlen und Fakten aufzeigen, dass Provisionen keineswegs im Sinne der Anleger seien.
„Finanzieller Schaden“ durch Provisionen
Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, hält ein Provisionsverbot für „dringend erforderlich“, um Fehlanreize zu beseitigen. In der Verbraucherberatung erlebe man täglich, zu welchem finanziellen Schaden eine derartige Beratung führe. Provisionen im Finanzvertrieb seien die Ursache für ein strukturelles Problem, nämlich dass Finanzberater nicht im Interesse der Ratsuchenden handeln würden, wenn sie für den Vertriebserfolg über Provisionen von Dritten vergütet würden.
Ein Verkaufsgespräch auf Provisionsbasis sei kein Beratungsgespräch, das sich nur am Bedarf der Verbraucher ausrichtet. Es würden gezielt ausschließlich Produkte verkauft, für die eine Provision gezahlt wird und die dadurch „hohe Kosten“ für die Verbraucher verursachen, so die Mitteilung der Verbraucherzentrale. Außerdem würden bestehende Anlagen häufiger umgeschichtet, um neue Anlagen gegen Provision verkaufen zu können. Über derartig entstehende hohe Kosten des Provisionsvertriebs werde die durch eine gute Anlage erreichbare Rendite geschmälert, was insbesondere bei der Altersvorsorge direkt zu Lasten der Rente gehe, so Nauhauser.
„Um viele Tausend Euro wohlhabender“
„Praktisch jede Verbraucherin und jeder Verbraucher, deren Anlageprodukte wir uns angesehen haben, wären um viele Tausend Euro wohlhabender, hätten sie eine Beratung erhalten, die sich an ihrem Bedarf und ihren Interessen ausgerichtet hätte“, sagt der Abteilungsleiter. Doch diese werde bei einem Provisionsmodell nicht umgesetzt. Dagegen sei der „Verkauf vorbei am Verbraucherbedarf“ die Regel. Insbesondere die entsprechenden Angestellten bei einer Bank kommen bei der Verbraucherzentrale nicht gut weg – sie nennt sie lediglich „sogenannte“ Berater.
Daher appelliere die Verbraucherzentrale an die politischen Verantwortlichen, „zum Wohle aller“ Sparer ein Provisionsverbot schnellstmöglich durchzusetzen. Wo Beratung draufstehe, dürfe keine Provision drin sein. Beratung und Verkauf müssten gesetzlich voneinander abgegrenzt werden.
Studie: Höhere Rendite in Ländern mit Provisionsverbot
Ein Team rund um Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und Direktor am Center for Finance der Universität Regensburg, hat sich nun des Themas angenommen und eine Studie mit dem Titel „Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern“ veröffentlicht. Die Ergebnisse seien laut Mitteilung der Uni Regensburg eindeutig: Das Vermögen der Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot sei signifikant stärker gewachsen als in Ländern ohne Provisionsverbot. Der um länderspezifische Effekte bereinigte Renditeunterschied liege laut dem Forscherteam bei 1,7% p. a.
Fast doppelt so hohes Vermögen
Um den durch Provisionsberatung entstehenden Interessenkonflikt zu beseitigen, hätten Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen sowie Australien und Neuseeland zu verschiedenen Zeitpunkten in der jüngeren Vergangenheit Provisionsverbote eingeführt, wodurch sich alternative Bezahlungsweisen durchgesetzt hätten. Die Branchenverbände in Deutschland würden ihrerseits vor einer „Servicewüste“ für den Verbraucher warnen sowie vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die Datenlage jedoch würde derartige Befürchtungen widerlegen.
Konkret habe die Studie die Effekte der Einführung eines Provisionsverbots auf die Vermögensbildung von privaten Haushalten untersucht, mithilfe von OECD-Daten für den Zeitraum von 1997 bis 2021. Laut Prof. Sebastian habe man in der Studie „klare, eindeutige und messbare Ergebnisse feststellen“ können, die zeigen würden, dass die Einführung des Provisionsverbots in allen Ländern das Vermögen der privaten Haushalte deutlich gesteigert hätte. Über die 1,7% p. a. mehr Rendite könnten nach einer Modellrechnung je nach Anlagezeitraum Sparer in Ländern mit Provisionsverbot mit fast doppelt so hohem Vermögen rechnen wie Sparer in Ländern mit Provisionsberatung.
Studie in der Kritik
Doch die Ergebnisse der Studie werden nicht von allen ohne Weiteres akzeptiert. Tobias Huber, Executive Assistant bei Allianz und ehemaliger Forscher auf dem Gebiet, betonte in dem sozialen Netzwerk LinkedIn, dass die in der Studie verwendete Methodik die genannten Ergebnisse „in keiner Weise“ rechtfertige. Man solle mit makroökonomischen Daten wie Daten auf der Länderebene (Finnland, Großbritannien, Deutschland etc.) nicht mikroökonomische Fragestellungen auf der Haushaltsebene untersuchen. Eher brauche man Daten pro Individuum für jedes Jahr des Beobachtungszeitraums in einem einzigen Land. Denn dann könne man die jährliche Rendite vor und nach dem Eintritt des Provisionsverbots vergleichen. (mki)
Bild: © penguiiin – stock.adobe.com
Lesen Sie auch: Provisionsverbot: Ist die Regulierung überhaupt notwendig?
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Leserkommentare
Comments
Falsche Behauptungen und nicht valide Studien
Die Zentrale Verbraucherschutz Baden-Württemberg trommelt mal wieder gegen ein Provisionsverbot. Die Gründe sind reine Behauptungen, die der Realität nicht entsprechen. Hinzu kommt, dass die Zentrale Verbraucherschutz Marktteilnehmer ist. Die persönliche Beratung kostet EUR 66,00 / Stunde, die telefonische EUR 111,60 / Stunde. Die Qualität der Beratung kann nicht beurteilt werden, da die Zentralen Verbraucherschutz sich den Qualitätsstandards der EU entziehen. Eine Überprüfung durch die Gewerbeämter findet nicht statt.
Wir mussten in Untersuchungen immer wieder feststellen, dass die Empfehlungen der Verbraucherschützer auf ihren Internetseiten Qualitätsmängel aufwiesen, die bei registrierten Beratern wohl die Haftung ausgelöst hätten.
Die Studie, die nun vorgelegt wurde, lässt Zweifel an der Validität aufkommen, da die Untersuchungsansätze zu ergebnisorientiert sind. Einige Themen bleiben außer Betracht, die jedoch relevant sind. Vor allem kann der Nachweis nicht geführt werden, dass die Vermögenssteigerung durch das Provisionsverbot erzeugt wurde.
Es blieb außer Betracht, dass Bevölkerungsschichten mit geringeren Einkommen praktisch keinen Zugang mehr zu Systemen der privaten Altersvorsorge haben. Die Vermögenssteigerungen wurden durch die höheren Einkommensschichten erwirtschaftet, was für diese in den letzten Jahren nicht so schwierig war. Gerade in Großbritannien konnte man diese Unterschiede in der Entwicklung der Einkommensschichten in der Bevölkerung sehen.
In unserer Studie mit der bbg haben 2010 diese Fragen eingehend untersucht. Deutlich wurde hierbei, dass die Provisionsberatung in den ersten 5 Jahren der Laufzeit eines Vertrages für den Kunden wirtschaftlich sinnvoller ist. Dies ist darin begründet, dass ein Honorar in voller Höhe abfließt, während die Provision über die Zeit verdient wird. Man übersieht häufig, dass es in der überwiegenden Zahl der Fälle einer Beratung zur Vermögensbildung nicht um die Einmalanlage großer Beträge geht. Dies ist nur bei höheren Einkommen der Fall. Die üblichen monatlichen Zahlungen führen erst über die Zeit zu Provisionseinnahmen.
Der Honorarberater hat stets sein Honorar in der Tasche, egal wie gut sein Rat war. Der Provisionsempfänger verdient sein Geld nur, wenn der Kunde wenigstens 5 Jahre durchhält.
Wo ist dann der Anreiz zu einer kundenorientierten Beratung besser?
Unsere Studie brachte seinerzeit auch zu Tage, dass die Honorarberater die durch Gesetz und Rechtsprechung vorgegebenen Qualitätsmerkmale seltener erfüllten als Makler und Mehrfachagenten.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können