Im ersten Quartal des Jahres 2023 wurden in Deutschland Wohnimmobilien für etwa 1,2 Mrd. Euro gehandelt. Wie der Immobiliendienstleister Savills weiter mitteilt, wurde ein so niedriges Quartalsvolumen zuletzt Anfang 2011 erfasst. Das Volumen verteilt sich auf nur 20 Wohnungsdeals. Im Mittel der vergangenen zehn Jahre waren es pro Quartal durchschnittlich dreimal so viele Verkäufe.
„Angesichts der Unsicherheit bei den Zinsen agieren viele Investoren nach wie vor zurückhaltend. Dies erklärt die spürbar gedämpfte Marktaktivität der letzten Monate. Angebotsseitig könnte das Transaktionsvolumen in diesem Jahr hingegen leicht in zweistellige Milliardenhöhen steigen. Die Frage ist, ob genug Nachfrage vorhanden sein wird. Während wir bei Neubauten weiterhin eine rege Nachfrage unter den institutionellen Käufern erwarten, ziehen sich ebendiese Käufer zunehmend aus dem nicht sanierten Bestand zurück“, erklärt Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany. Da zudem die Wohnimmobilien-AGs auf die Verkäuferseite gewechselt seien und auf die Gebote der Private-Equity-Fonds bislang kaum Eigentümer eingehen würden, könnte das Transaktionsvolumen noch längere Zeit unterdurchschnittlich bleiben, so Nemecek weiter.
Kleinteiliger Markt
Auf zwei Portfolioverkäufe im dreistelligen Millionenbereich ist es zurückzuführen, dass das Volumen trotz der wenigen Transaktionen überhaupt die Marke von 1 Mrd. Euro knackte. Diese beiden Deals machten zusammen fast die Hälfte des Volumens aus. Abgesehen davon präsentierte sich der Markt laut Savills überwiegend kleinteilig. Vorherrschend waren Verkäufe im mittleren und unteren zweistelligen Millionenbereich.
„Weil die Wohnimmobilien-AGs als Käufer weggefallen sind und viele Fondsmanager nur sehr selektiv agieren, stoßen kleinere und mittlere Losgrößen derzeit auf mehr Interesse, beispielsweise unter Privatinvestoren und Family Offices. Wir beobachten, dass in den kommenden Monaten mehr Eigentümer solche Produkte an den Markt bringen wollen, sodass ab Spätsommer oder Herbst steigende Transaktionszahlen wahrscheinlich sind“, berichtet Marco Högl, Director und Head of Residential Capital Markets bei Savills Germany.
Eigenkapitalstarke Käufer spielen größere Rolle
Family Offices waren im ersten Quartal für rund ein Viertel des Ankaufsvolumens verantwortlich, wohingegen sie in den vergangenen fünf Jahren nie mehr als 2% Marktanteil hatten. Nach Einschätzung der Experten von Savills wird deren stärkeres Engagement die Zurückhaltung anderer Investorentypen aber nicht abfedern können. Offene Spezialfonds und Fondsmanager waren im ersten Quartal mit 58% Anteil am Volumen die aktivsten Investoren.
„Für Investoren mit Fremdkapitaleinsatz sind die derzeitigen Angebotspreise am Wohninvestmentmarkt oftmals nicht darstellbar. Dies erklärt ihr sehr selektives Handeln, obwohl viele Fondsvehikel weiterhin nach Objekten für ihr Portfolio suchen. Eigenkapitalkäufer können in diesem Umfeld offensiver agieren und haben angesichts des temporär ausgedünnten Bieterfelds relativ viele Kaufoptionen, die Produkte, die viele Investorenkriterien erfüllen, bleiben jedoch begehrt. Sie setzen in der Regel auf hochwertige Objekte, die langfristige stabile Kapitalwerte und Mietzahlungen versprechen“, konstatiert Nemecek. Auch opportunistische Investoren würden sich bereit machen, wobei diese eher ältere Bestandsportfolios im Blick haben. „Die Preisvorstellungen der Private-Equity-Fonds decken sich aber nur in Ausnahmefällen mit denen der Eigentümer, sodass wir bislang nur relativ wenige Ankäufe beobachtet haben“, so Nemecek weiter. Für die opportunistischen Akteure seien insbesondere die noch lange anhaltende Anspannung der meisten Wohnungsmärkte und damit die Aussicht auf langfristig steigende Mieten und Preise ausschlaggebend für ein Engagement.
Noch stärkere Zweiteilung am Markt zwischen Neubau und Bestand
Am Markt besteht weiterhin eine Zweiteilung in Neubau und Bestand. Nach Einschätzung von Savills dürften sich risikoaverse institutionelle Investoren noch stärker auf komplettsanierte Gebäude und Neubauten konzentrieren, da bei nicht sanierten Bestandsobjekten der Sanierungsdruck wächst und ein Kostenrisiko besteht. Im ersten Quartal 2023 machten Deals von Projektentwicklungen fast 44% des Transaktionsvolumens aus – deutlich mehr als im Mittel der vergangenen fünf Jahre (24%). Neubauten dürften auch im weiteren Jahresverlauf stark im Fokus stehen. „Wir erwarten eine noch stärkere Zweiteilung des Marktes zwischen Neubau und Bestand. Neubauten werden das Produkt für institutionelle Investoren bleiben. Weil das Angebot vor dem Hintergrund der rückläufigen Bautätigkeit knapp bleibt, dürften sich die Preise hier bald stabilisieren und langfristig hoch bleiben. Ältere Bestände werden hingegen zunehmend ein Produkt für Wohnbauspezialisten. Angesichts der Größe des unsanierten Wohnungsbestands erwarten wir eine dynamische Entwicklung im Value-Add-Segment. Die potenziellen Käufer solcher Bestände erwarten allerdings spürbare Preisnachlässe, die viele Eigentümer bislang noch nicht akzeptieren“, erläutert Högl.
Weiterhin angespannte Lage auf Mietwohnungsmärkten
Laut Savills sind deutsche Wohnimmobilien bei Investoren, die kontinuierliche und nahezu ausfallsichere Mieten möchten, weiterhin sehr gefragt. Die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebrochen hoch bei einem weiterhin knappen Angebot. Da der Neubau momentan nicht an Fahrt aufnimmt, droht Eigentümern von Wohnimmobilien in den meisten Märkten kein struktureller Leerstand und es ist von steten Zahlungsströmen auszugehen. „Im Vergleich zu vielen gewerblichen Immobiliennutzungen verheißen Wohnimmobilien somit mehr Stabilität, sodass insbesondere langfristig orientierte Investoren sie weiterhin als Bestandteil ihrer Portfolios auswählen dürften“, schätzt Matti Schenk, Associate Director Research bei Savills Germany.
Ausblick auf das laufende Jahr
Was die weitere Entwicklung am Wohninvestmentmarkt angeht, dürfte es laut Savills vor allem auf die Schnelligkeit des Preisanpassungsprozesses und das Handeln der Politik ankommen. Bei Neubauprodukten gehen die Experten von einer baldigen Bodenbildung der Preise aus – mit positiven Auswirkungen auf das Transaktionsvolumen. Im Bestand werde entscheidend sein, ob die Eigentümer zu stärkeren Preisnachlässen bereit sind. „Damit wieder mehr Geld in den Bestand und vor allem in dessen Sanierung fließt, müsste aber auch die Politik für mehr Planungssicherheit sorgen. Umfangreichere Förderprogramme oder Sonderabschreibungen wären ein Weg, um den Investoren die Angst vor der Sanierungswelle zu nehmen“, unterstreicht Högl. (tk)
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