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19. September 2022
Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

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Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Herr Wörner, wie haben Sie als Vermittler die Zeit in Erinnerung?

Anton Wörner: Da unsere Agentur in Heilbronn ist, habe ich die Flut zunächst nur in den Medien wahrgenommen. Mich hat der Anruf von Herrn Dr. Rechmeier aufgeweckt. Er sagte: „Herr Wörner, es ist alles kaputt.“ Ich wusste erst gar nicht, wie er das meint. Es war ein kurzes Gespräch. Telefon und E-Mail funktionierten zunächst nicht, sodass es nicht einfach war, den Kontakt zu halten. Ich habe den Versicherern die Schadenmeldungen geschickt. Ich wusste, dass ich es telefonisch nicht zu versuchen brauche, weil die Leitungen heiß laufen. Nachts habe ich wach gelegen und mich gefragt: Wie wird das alles, wie positioniert sich der Versicherer, werden meine Kunden zufrieden sein? Ein Großschaden-Regulierer der Alte Leipziger hat dann übergeordnet verschiedene Spezialgutachter koordiniert. Alle haben versucht, so gut es geht zu helfen und haben offene oder nicht zu klärende Fragen im Sinn der Betroffenen gelöst. Die Abwicklung war sehr professionell. Mir ist klar, dass ein Unternehmen für ein derartiges Schadenereignis keine Manpower vorhalten kann.

Herr Waldmann, die Alte Leipziger hat in den betroffenen Gebieten eine Gesamtschadensumme von ca. 70 Mio. Euro zu verzeichnen. 60% der Schadensumme haben Sie mittlerweile ausbezahlt, also bei Weitem noch nicht alles. Woran liegt es, dass nicht alle Fälle abgeschlossen sind?

Kai Waldmann: Wir wären alle froh, wenn es schneller gehen würde. Die Inflation und die Lieferkettenengpässe machen den ohnehin langwierigen Wiederaufbau allerdings noch schwerer. Wir haben derzeit beispielsweise einen Schadenfall, der vor einem Jahr noch 290.000 Euro gekostet hat und nun deutlich höher liegt. Eine Heizung, die nicht geliefert wird, können sie nicht einbauen. In manchen Fällen bremst auch die Bank bei der Auszahlung, da der Wiederaufbaufortschritt wegen der Liefer- und Handwerkerengpässe stockt. Die Herausforderungen sind also sehr vielschichtig.

Wir haben im Rahmen der umfangreichen Maßnahmen zur Bewältigung dieser außergewöhnlichen Situation alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sensibilisiert, möglichst lösungsorientiert vorzugehen und für unsere Kunden ein Höchstmaß an Empathie aufzubringen, denn die Menschen stehen enorm unter Stress und haben Existenzängste. Mitarbeiter haben im Sommer 2021 ihren Urlaub verschoben, viele Überstunden und Samstagsarbeit geleistet, um möglichst schnell die Schäden zu bearbeiten und mit Abschlagszahlungen helfen zu können. Uns Versicherern kommt in solchen Katastrophenfällen ja eine ganz zentrale Bedeutung zu.

Bei einer Gesamtschadensumme von 70 Mio. Euro haben wir nur eine Handvoll Beschwerden. Ich würde sagen, insgesamt machen wir als Branche einen guten Job. Die Alte Leipziger ist jetzt 203 Jahre alt und die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal hat alles bisher Dagewesene im negativen Sinn übertroffen. Natürlich haben wir auch viel gelernt, zum Beispiel, dass es möglich sein sollte, woanders wiederaufzubauen und trotzdem den vollen Wert zu erhalten. Das ist in unserer Wohngebäudeversicherung mittlerweile berücksichtigt. Schlimm ist es aber ganz besonders, wenn Sie einen Kunden haben, der bei Ihnen alles versichert hat, nur keine Deckung für Elementarschäden. In diesen Fällen können Sie leider keine Leistung erbringen.

Die Rückversicherer gehen von deutlich anderen Naturereignisverläufen aus. Die Inflation und die veränderte Schadenerwartung führen zu steigenden Prämien. Welchen Stellenwert nimmt die Absicherung von Naturgefahren in diesem Kontext künftig in der Beratung ein, Herr Wörner?

Anton Wörner: Vielen Menschen denken, für sie bestehe das Risiko von Überschwemmungen nicht, weil sie nicht in der Nähe eines Flusses wohnen. Das ist ein Irrtum. Starkregen und Oberflächenwasser können überall auftreten. Ich bin kein Freund von zu viel Regulierung und stehe einer Pflichtversicherung skeptisch gegenüber. Aber es ist wichtig, die Kunden vollumfänglich zu versichern. Ein Haus gegen Feuer, Leitungswasserschäden oder Diebstahl zu versichern ist mittlerweile Standard. Dabei ist der monetäre Schaden bei Leitungswasser begrenzt. Ein Hochwasser hingegen ist ein wirklich großer Schaden. Gegen diesen sollten sich die Menschen ganz selbstverständlich absichern und nicht wegen eines möglichst geringen Monatsbeitrags darauf verzichten. Es ist noch viel Aufklärung zu leisten. Ich merke aber auch, dass die Menschen beispielsweise die Rückstau-Thematik heute besser einschätzen können als früher, weil es häufiger derartige Schadenfälle gibt.