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23. November 2022
Wie existenzsichernd eine BU im Ernstfall ist

Wie existenzsichernd eine BU im Ernstfall ist

Auch wegen der Inflation ist es ein guter Zeitpunkt, mit BU-Versicherungskunden zu reden. So macht es Makler und BU-Spezialist Matthias Helberg – mit klarer Meinung zu „Berufsgruppenbingo“ in der Schüler-BU und zur Gefahr der Schaffung einer ungesunden XXL-Grundfähigkeitsversicherung.

Interview mit Matthias Helberg, Inhaber von Matthias Helberg Versicherungsmakler e. K.
Herr Helberg, inwieweit beeinflussen Inflation und Preissteigerungen die BU-Versicherung?

Einerseits werden wir uns darauf einzustellen haben, dass Verbraucher sparen müssen und dies auch beim Versicherungsschutz machen werden. Andererseits sollte genau die Inflation Anlass sein, sich höher abzusichern und Erhöhungsmöglichkeiten zu nutzen, um die Kaufkraft der BU-Rente zu erhalten. Hinzu kommt, dass alle in Annahmerichtlinien und Versicherungsbedingungen in Euro angegebenen Werte überprüft werden müssen. Eine maximale BU-Rente von 1.000 Euro beim Abschluss oder von 2.500 Euro bei der Nutzung von Nachversicherungsgarantien reicht an Absicherung zukünftig immer öfter nicht mehr aus.

Muss man also unbedingt über die Erhöhung von BU-Renten bzw. Nachversicherungsoptionen reden?

Mit den Versicherern? Ja, siehe oben. Und mit den Kundinnen und Kunden sowieso. Das gilt schon beim Abschluss und auch bei der weiteren Vertragsbetreuung.

Wie gehen Sie diesbezüglich nun auf Ihre Kunden zu?

Seit vielen Jahren kontaktieren wir jedes Jahr jede einzelne Kundin, jeden einzelnen Kunden, kurz bevor die Dynamik ansteht. Wir fragen, ob die Dynamik gewünscht wird, ob sich beispielsweise etwas am Einkommen geändert hat, und sorgen für eine entsprechende Umsetzung. Endet die Phase, in der Versicherte ihre BU-Rente ohne Anlass und ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen können, machen wir sie auch darauf aufmerksam. Denn die meisten Versicherer machen das nicht.

Können Sie abschätzen, ob die BU teurer werden wird? Oder könnten möglicherweise steigende Zinsen und ein veränderter Rechnungszins gegenwirken?

Die Entwicklung ist ja seit Jahren eher so, dass die BU für beliebte Risiken – meistens Akademiker – günstiger wird, während sie für unbeliebte Risiken wie Handwerker und pädagogische Berufe teurer wird. Die Auswirkungen des Garantiezinses sind hingegen meistens minimal, auch wenn das der eine oder andere Versicherer im Schlussverkauf gern anders darstellt. Spannend ist die Frage, ob die Überschussbeteiligung gehalten werden kann. Am liebsten kürzen die Versicherer sie beim Rentenbezug – dort, wo kaum jemand hinsieht.

Zweites großes Thema in der BU ist die Covid-Erkrankung und Long Covid. Gibt es hier aus Ihrer Sicht Probleme?

Die Angabe einer Covid-19-Infektion beim Abschluss einer BU-Versicherung ist bei vielen Versicherern nach wie vor unkritisch, wenn sie seit mehreren Monaten überstanden ist und man wieder normal arbeiten kann. Leidet jemand hingegen noch unter Long Covid, wird es zeitnah keinen Versicherungsschutz geben. Einen BU-Leistungsfall wegen Corona hatten wir noch nicht. Mein Eindruck ist jedoch, dass sich die Krankheit bzw. die deswegen geänderten Lebensumstände nicht gerade positiv auf die Psyche der Versicherten auswirken. Möglicherweise werden die größten Corona-Probleme also erst über den Umweg psychischer Erkrankungen sichtbar werden.

Wie beurteilen Sie im Allgemeinen die Annahmepolitik der Versicherer?

Unterschiedlich.

Kurze Antwort. Aber es gibt ja immer wieder Ausnahmen und Sonderaktionen, beispielsweise mit reduzierten Gesundheitsfragen. Ist das sinnvoll?

Wenige Gesundheitsfragen bedeuten nicht, dass sie deswegen leicht zu beantworten sind. Für manche Menschen ist das eine gute Chance auf Versicherungsschutz ohne Ausschlussklauseln. Die meisten Menschen, die bei uns anfragen, scheitern aber auch an diesen BU-Aktionen. Für sie ist eine anonymisierte Risikovoranfrage für einen normalen BU-Vertrag der bessere Weg.

Zudem scheinen Sie von der Schüler-BU überzeugt zu sein. Was gibt es hier zu beachten?

Die Schüler-BU war vor mehr als zehn Jahren ein Geheimtipp. Inzwischen haben es die Versicherer dank ihrer unsäglichen Berufsgruppen-Einstufungen geschafft, schon den Hauptschüler abzustrafen. Realschüler zahlen mehr als Gesamtschüler und diese manchmal mehr als Gymnasiasten, selbst wenn sie in der gleichen Jahrgangsstufe sind. Welch Wahnsinn! Was ich vor vielen Jahren einmal „Berufsgruppenbingo“ getauft habe, hat inzwischen die Schüler-BU deutlich unattraktiver gemacht. Als Argument für sie ist noch geblieben, den Kindern möglichst zu gesunden Zeiten Versicherungsschutz zu sichern, den sie später sowieso brauchen werden.

In den vergangenen Jahren wurde viel über die Alternativen zur BU-Versicherung gesprochen. Heute grenzt man wesentlich deutlicher ab. Haben die Grundfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung ihren – richtigen – Platz am Markt gefunden?

Wäre die Abgrenzung deutlich, würde niemand eine Grundfähigkeitsversicherung als Möglichkeit der Arbeitskraftabsicherung oder gar als Alternative zur BU-Versicherung bezeichnen.

Erst neulich habe ich in einem Blogbeitrag einen realen Fall geschildert: Der Kunde hat eine unheil­bare, tödlich verlaufende Krankheit, wird ein sicherer Leistungsfall für eine Grundfähigkeitsversicherung werden. Er kann nicht mehr arbeiten, ist voll erwerbsgemindert und bekommt ganze 990 Euro Erwerbsminderungsrente. Bis er aber so stark eingeschränkt ist, dass eine Grundfähigkeitsversicherung leisten würde, können noch Jahre vergehen. Aber wovon soll er bis dahin die Beiträge dafür zahlen? Und wie viele Jahre Leistungsdauer bleiben dann überhaupt noch?

Ich kann absolut gut verstehen, dass Lebensversicherer nach neuen Produkten suchen. Aber wenn wir als Branche wieder einmal gegenüber Verbrauchern falsche Vorstellungen wecken, wird uns das allen irgendwann auf die Füße fallen.

Zur Erwerbsunfähigkeitsversicherung: Sie wäre eigentlich wirklich eine gute BU-Alternative zum Beispiel für handwerkliche Berufe. Aber sie ist quasi tot. Zu aufwendig in der Gesundheitsprüfung, zu schwer ist der Leistungsauslöser zu verdeutlichen. Ich frage mich da manchmal, warum wir noch keine private Erwerbsminderungszusatzrente haben. Angelehnt an die Anforderungen und Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung (DRV): Wenn und solange die DRV eine Erwerbsminderungsrente zahlt, zahlen wir. Zahlt sie nur eine halbe Erwerbsminderungsrente, zahlen wir auch nur die Hälfte. Zahlt die DRV nichts, zahlen wir auch nichts. So etwas muss sich doch kalkulieren lassen? Vermitteln ließe es sich sicherlich – und würde keine falschen Hoffnungen wecken.

Ähnlich wie in der BU wird aber ja nun auch in der Grundfähigkeitsversicherung an den Leistungen geschraubt und spezifiziert. Eine Entwicklung, die Sie auch so wahrnehmen?

Ich sage nur „Marktmechanismen“. Die einen wollen oder müssen vergleichen, die anderen wollen möglichst schlecht vergleichbar sein, aber besser als der Wettbewerb aussehen. Wir haben jetzt schon die Situation, dass eine Grundfähigkeitsversicherung mit allerlei Zusatzbausteinen das Gleiche wie eine BU-Versicherung kosten kann. Es ist eine absurde, aber logische Entwicklung. An deren Ende steht die XXL-Mega-Grundfähigkeitsversicherung, die das Gleiche wie eine sehr gute BU-Versicherung kostet, aber deren Qualität dennoch längst nicht erreicht.

Sie sind Experte für die BU. Warum haben Sie sich so eng spezialisiert?

Zum einen, weil es sehr befriedigend ist zu sehen, wie hilfreich und existenzsichernd eine BU im Ernstfall wirklich ist. Zum anderen, weil erst eine Spezialisierung überhaupt ermöglicht, sich einem Thema in einer Intensivität zu widmen, die man als Allrounder niemals erreichen kann.

Über Matthias Helberg

Versicherungsmakler Matthias Helberg (helberg.info) ist BU-Versicherungsspezialist und erreichte mit seinem Blog Bekanntheit über die Branche hinaus. Für Aufmerksamkeit sorgte vor allem seine Kritik an BU-Versicherungstests des Verbrauchermagazins Finanztest. Sein Maklerbetrieb unterstützt soziale Projekte, etwa vom Kinderhilfswerk „terres des hommes“ und der „Ärzte ohne Grenzen“.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2022, s. 48 f., und in unserem ePaper.

Weitere Beiträge zum Sonderthema Existenzschutz finden Sie hier.

Bild: © Matthias Helberg Versicherungsmakler e. K.

 
Ein Interview mit
Matthias Helberg

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Erwin Daffner … am 24. November 2022 - 12:01

In dem geschilderten Fall leistet die BU-Versicherung eine Rente in Höhe von 2.338,49 Euro / Monat. 

Welche Abgaben wie Krankenversicherung, Steuer etc. gehen davon ab? 

Wie hoch war der Bruttoverdienst?

Gespeichert von Matthias Helbe… am 24. November 2022 - 14:22

Hallo Herr Daffner,

schönen Dank, dass Sie meinen Blogartikel gelesen haben.

Da der Kunde eine volle EWR bekommt, werden keine GKV-Beiträge auf die BU-Rente fällig.

Er muss höchstens gut 500.- € der BU-Rente mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern (den Ertragsanteil). 

Herzliche Grüße

Matthias Helberg