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17. Dezember 2024
Werben mit Unabhängigkeit: „Das erste Urteil zugunsten eines Maklers“
Werben mit Unabhängigkeit: „Das erste Urteil zugunsten eines Maklers“

Werben mit Unabhängigkeit: „Das erste Urteil zugunsten eines Maklers“

Verbraucherschützer gehen aktuell aggressiv gegen Makler vor, die mit dem Begriff „Unabhängigkeit“ auf ihrer Website werben. Das Landgericht Leipzig hat nun zugunsten eines Maklers entschieden. Was waren die Gründe? Und welche Folgen hat das Urteil für Versicherungsmakler? Rechtsexperte Björn Thorben M. Jöhnke erläutert den Richterspruch.

Interview mit Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Herr Jöhnke, wie kam es zu der Auseinandersetzung mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), und welche zentralen Argumente wurden von den Verbraucherschützern in dem Rechtsstreit vorgebracht?

Der Bundesverband geht aktuell und nach unserem Dafürhalten recht aggressiv gegen Versicherungsmakler vor, die auf ihrer Webseite mit dem Begriff „Unabhängigkeit“ werben. Der Verband mahnt Versicherungsmakler zunächst wettbewerbsrechtlich ab und verklagt diese sodann, wenn keine Unterlassungserklärung vorgerichtlich abgegeben wird. Im Kern führt der Verband an, dass ein Versicherungsmakler nicht unabhängig sein könne, da er nicht von Versicherungsnehmern vergütet werde, sondern von Versicherern Provisionen erhalte. Unabhängig könne nach der Auffassung des Verbands nur ein Versicherungsberater sein, der von Versicherten vergütet wird.

Das Landgericht Leipzig hat im Sinne der Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers entschieden (Urteil v. 04.12.2024 – Az. 05 O 1092/24). Welche wesentlichen Gründe und rechtlichen Grundlagen führten zu diesem Urteil?

Das Gericht ist der Rechtsauffassung von Jöhnke & Reichow gefolgt und hat in nachvollziehbarer Weise nicht auf die Vergütung des Versicherungsmaklers abgestellt, sondern auf die Tatsache, dass Versicherungsmakler rechtlich nun mal im „Lager“ der Versicherten stehen und auch von diesen beauftragt werden, mithin gerade nicht an Versicherungen gebunden sind, wie zum Beispiel Versicherungsvertreter.

Der vzbv argumentierte, dass provisionsbasierte Vergütungen die Unabhängigkeit von Maklern infrage stellen könnten. Wie wurde dieses Argument entkräftet?

In dem vorliegenden Rechtsstreit war unstreitig keine einseitige Beteiligung durch ein Versicherungsunternehmen bei dem beklagten Versicherungsmakler gegeben. Zwar erzielt der beklagte Versicherungsmakler vorwiegend Einkünfte aus Provisionen, aber verstreut über den gesamten (Versicherungs-)Markt. Dem Versicherten steht es schließlich auch offen, die Möglichkeit einer Nettopolice gegen Vermittlungshonorar zu wählen. Folglich bestehe überhaupt keine Gefahr, dass der Versicherungsmakler in einer Abhängigkeit stehe.

Das Gericht bejahte, dass eine Werbung mit einer erhöhten Vermögensschadenhaftpflichtversicherungssumme zulässig ist. Welche Bedeutung hat dieses Urteil für die Werbepraxis von Versicherungsmaklern?

Grundsätzlich ist eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten wettbewerbsrechtlich verboten. Die Werbung mit einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung betrachtete der Verband sodann als eben eine solche Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Tatsächlich hatte der Versicherungsmakler jedoch eine höhere Deckungssumme versichert, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Dadurch, so das Landgericht korrekt schlussfolgernd, werbe der beklagte Versicherungsmakler nicht mit einer Selbstverständlichkeit. Diese nachvollziehbare rechtliche Würdigung ist äußerst bedeutsam, schließlich werden Versicherungsnehmer im Versicherungsfall bzw. im Haftungsfall bessergestellt, als wenn nur die Mindestversicherungssumme abgesichert wäre.

Welche Folgen hat das Urteil für Versicherungsmakler in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung von Werbeaussagen und die Nutzung des Begriffs „unabhängig“?

Dieses Urteil ist nach unserem Kenntnisstand die erste Entscheidung, die zugunsten eines Versicherungsmaklers ausging. Sie ist damit wegweisend und stärkt die Rechte der Versicherungsmakler, nämlich mit einer Unabhängigkeit werben zu dürfen. Die Entscheidung ist an sich auch inhaltlich richtig. Denn die Diskussion, Versicherungsmakler könnten gar nicht unabhängig beraten, da sie Provisionen von Versicherungen erhalten, wird durch den vzbv ad absurdum geführt. Die pauschale Unterstellung, Versicherungsmakler würden ausschließlich diejenigen Versicherungen mit den höchsten Provisionssätzen empfehlen, ist weder belegt noch nachvollziehbar. Nach dieser Auffassung würden Versicherungsmakler sowohl entgegen den gesetzlichen Vorgaben als auch gegen die ständige Rechtsprechung des BGH verstoßen, um höhere Provisionen erhalten zu können. Diesen Argumenten hat das Landgericht „einen Riegel vorgeschoben“ und bestätigt, dass der Versicherungsmakler in der Tat „unabhängig“ ist und damit auch werben kann. Das Landgericht hat sich ungeachtet bisheriger Entscheidungen unvoreingenommen mit allen rechtlichen Auffassungen der Prozessbevollmächtigten auseinandergesetzt und das Urteil ausführlich begründet.

Das Landgericht Leipzig hat mit seinem Urteil die Rechtsauffassung des Landgerichts Bremen ausdrücklich nicht geteilt. Welche Unterschiede in den Argumentationen können diese abweichenden Entscheidungen erklären?

Das Landgericht Bremen stützte seine Auffassung auf § 94 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), worin Bezeichnungen zur Unabhängigen Honorar-Anlageberatung geregelt sind. Nach dieser Vorschrift, dessen Gedanke das Landgericht Bremen auf Versicherungsmakler übertragen hat, dürfen sich Honorar-Anlageberater nur als „unabhängig“ bezeichnen, wenn diese im Register Unabhängiger Anlageberater nach § 93 WpHG eingetragen sind. Gegen die Übertragung dieses Rechtsgedankens spricht jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber anscheinend für den Versicherungsmakler – möglicherweise sogar bewusst – eine solche Regelung nicht treffen wollte. Von daher erscheint dieses Argument aus § 94 Abs. 1 WpHG in Bezug auf den Versicherungsmakler eher fernliegend.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und ein Gang zum Bundesgerichtshof könnte folgen. Was wären die möglichen Auswirkungen einer höchstrichterlichen Entscheidung auf die Branche?

Zunächst könnte der Verband die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einlegen. Sodann hätte ein Berufungsgericht über diese aufgeworfenen Rechtsfragen zu entscheiden. Als dann wäre – je nach Ausgang eines möglichen Berufungsverfahrens – eine Revision zum BGH denkbar. Der BGH hätte dann die Möglichkeit dieses Thema für die Branche abschließend zu klären, was für Versicherungsmakler mehr Rechtssicherheit für die Außendarstellung bedeuten könnte. Durch eine höchstrichterliche Entscheidung könnte der aktuellen Geschäftspraktik des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, nämlich Versicherungsmakler kostenpflichtig abzumahnen, bestenfalls Einhalt geboten werden.

Bild: © alesmunt – stock.adobe.com