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13. September 2019
Welche Rentenreformen den Anstieg der Altersarmut (nicht) aufhalten

Welche Rentenreformen den Anstieg der Altersarmut (nicht) aufhalten

In zwanzig Jahren könnte mehr als jeder fünfte Rentner von Altersarmut betroffen sein. Diese Entwicklung werden auch die derzeit diskutierten Rentenreformen nicht aufhalten, so das Ergebnis einer neuen Studie von DIW Berlin und Bertelsmann Stiftung. Der Analyse zufolge sind beide Varianten der Grundrente nicht zielgenau. Nachgebessert könnte das Konzept von Arbeitsminister Heil aber durchaus mehr Wirkung entfalten.

Selbst bei einer positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird die Altersarmut in Deutschland in den kommenden zwei Jahrzehnten weiter zunehmen und die Grundsicherungsquote steigen. Das größte Risiko haben Alleinstehende und Geringqualifizierte. Bis zum Jahr 2039 könnte ein Fünftel der Rentner hierzulande (21,6%) unter Altersarmut leiden. Diesen deutlichen Anstieg werden auch die derzeit diskutierten Konzepte zur Rentenreform nicht bremsen können. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Modell aus Koalitionsvertrag kann wachsende Altersarmut kaum bremsen

Der Untersuchung zufolge sind sowohl das bislang im Koalitionsvertrag beschriebene Konzept einer Grundrente mit grundsätzlicher Bedürftigkeitsprüfung als auch die Variante von Arbeitsminister Heil ohne eine solche Prüfung noch nicht hinreichend zielgenau. Das Modell des Koalitionsvertrags sieht für Grundsicherungsempfänger, die mindestens 35 Jahre in die Sozialkassen einzahlen, eine Erhöhung des Grundsicherungsbedarfs um 10% vor. Den Zuschlag gibt es allerdings erst, nachdem die Bedürftigkeit geprüft wurde. Laut Studie würde dieses Modell das Armutsrisiko bis 2039 nur um 0,4 Prozentpunkte auf dann 21,2% abschwächen. „Der Hauptgrund für diesen geringen Effekt liegt darin, dass weniger als ein Drittel der Personen mit Grundsicherungsanspruch auf die geforderten 35 Versicherungsjahre kommen“, erklärt Studienautor Johannes Geyer vom DIW Berlin.

Die Knackpunkte der Grundrente

Dagegen könnte das Modell von Arbeitsminister Heil durchaus mehr Wirkung entfalten, um die zunehmende Altersarmut zu bremsen. Diese Variante sieht eine Aufwertung von niedrigen Beiträgen in die Rentenversicherung für Personen mit mindestens 35 Versicherungsjahren ohne Bedürftigkeitsprüfung vor. Mit dem Konzept ließe sich laut DIW-Berechnungen die Armutsrisikoquote bis zum Jahr 2039 auf 18,4% verringern. Zugleich würden bei der Reform aber auch viele Personen profitieren, die mit ihrem Nettoeinkommen deutlich oberhalb der Grundsicherungsschwelle liegen. Von einem Anteil von 85% der 3,1 Mio. berechtigten Personen ist die Rede, die eigentlich keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter hätten. Aufgrund dieses großen Kreises von Begünstigten käme das Grundrentenkonzept des Arbeitsministers auch deutlich teurer. Die Studienautoren gehen von Mehrkosten im Ausgangsjahr von rund 7 Mrd. Euro aus, während bei der Variante aus dem Koalitionsvertrag die Mehrkosten lediglich 1 Mrd. Euro betragen würden.

Studie plädiert für Nachbesserungen in Heils Konzept

Um die Grundrente zielgenauer zu machen, schlagen die DIW-Experten vor, das Modell um eine einfache Einkommensprüfung (ohne Vermögensprüfung) und eine etwas flexiblere Auslegung der Versicherungszeiten zu ergänzen. Die Einkommensprüfung würde gewährleisten, dass tatsächlich nur in einkommensschwachen Haushalten die Rentenanwartschaften aufgewertet werden. Von einer flexibleren Auslegung der anerkannten Versicherungszeiten würde der wachsende Anteil von Menschen profitieren, die im Lebensverlauf längere versicherungsfreie Zeiten oder Phasen der Erwerbslosigkeit aufweisen.

Ergänzungen würden auch die Kosten senken

Wie die Studienautoren zudem anmerken, könnten diese Ergänzungen auch die Kosten von Heils Reform verringern. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung von Bedeutung. Denn wenn die Generation der sogenannten „Baby-Boomer“ in Rente geht, kommen hohe Belastungen auf die öffentlichen Kassen zu. (tk)

Bild: © eyetronic – stock.adobe.com