Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Auch viele Jahre nach der Einführung der Dokumentationspflicht für Versicherungsvermittler besteht bei den meisten Versicherungsvermittlern immer noch Unsicherheit darüber, wie eine „richtige“ Beratungsdokumentation auszusehen hat. Vermittler suchen zudem in der Regel „Muster“ oder „Vorlagen“, mit denen sie Haftung vermeiden oder ausschließen können. Diese Erwartungshaltung ist trügerisch und geht von einem falschen Grundverständnis aus. Wer als Vermittler einen Beratungsfehler begeht, kann ihn nicht per Beratungsdokumentation kaschieren. Im Gegenteil wird eine richtige und vollständige Beratungsdokumentation den Beratungsfehler schonungslos offenlegen. Umgekehrt führt eine fehlerhafte oder fehlende Beratungsdokumentation nicht automatisch zur Haftung des Vermittlers, weil durch eine fehlerhafte oder fehlende Beratungsdokumentation beim Kunden kein Schaden entstehen kann.
Vorgaben des Gesetzgebers
Die gesetzliche Vorgabe ist umständlich formuliert und enthält zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Gemäß § 61 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben und dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren. Strukturell enthält die Vorschrift vier Elemente: Befragung nach Wünschen und Bedürfnissen, Beratung, Angabe der Gründe für jeden Rat, Dokumentation. Danach muss jede Dokumentation die Elemente Befragung, Beratung, Angabe der Gründe für jeden Rat enthalten. Das ist nicht mehr als eine grobe Struktur oder Grobgliederung.
Umsetzung in der Praxis
Das Gesetz verhält sich aber nicht darüber, wie und was der Vermittler fragen, beraten und begründen muss. Dies ist von der individuellen Situation abhängig. Insoweit eröffnet sich dem Vermittler ein von fachlichen Kriterien begleiteter Ermessensspielraum, seine Befragung und Beratung der individuellen Situation anzupassen. Insoweit verbieten sich vorgefertigte Beratungsdokumentationen mit Kästchen zum Ankreuzen, die ebenso wenig Rückschlüsse auf die individuelle Beratung zulassen wie schlichte, aber inhaltsleere Dokumentationen, nach denen ein Versicherungsvertrag empfohlen worden sei, weil der Kunde ihn so gewollt habe oder er seinem Bedarf entspreche. Idealiter gibt die Beratungsdokumentation eine Beratung so wieder, dass sich ein Dritter einen Überblick über den Ablauf der Beratung verschaffen kann. Eine gute Beratungsdokumentation entlarvt aber wie dargestellt auch Beratungsfehler.
Jeder Vermittler muss deshalb dafür sorgen, dass seine Beratung kundengerecht und fehlerfrei erfolgt. Dann kann Haftung gar nicht erst entstehen. Zur Fehlervermeidung gehört, dass der Vermittler nur Beratungen durchführt, für die er fachlich qualifiziert ist und die er inhaltlich beherrscht. Die Beratungsdokumentation sorgt dafür, die kundengerechte Beratung im Streitfall zu belegen. Macht ein Kunde einen Beratungsfehler geltend, kommt es ggf. zu einer gerichtlichen Überprüfung der Beratung. Das ist nicht unproblematisch, weil die Gerichte über einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt urteilen müssen bzw. können, in dem der Kunde einen wie auch immer verursachten Schaden behauptet. Die Gerichte haben dann die Möglichkeit, die im Verfahren festgestellte Beratung des Versicherungsvermittlers an einer nach den Erkenntnissen des Gerichts „idealtypischen“ Beratung zu messen. Im Nachhinein fällt es leichter zu erkennen, was man in der streitbefangenen Beratung möglicherweise besser gemacht hätte bzw. wie eine „richtige“ Beratung ausgesehen hätte.
Es ist also für Versicherungsvermittler wichtig, dies zu antizipieren. Das bedeutet, die wesentlichen Beratungselemente im Vorfeld zu durchdenken und dabei die wichtigsten Punkte zu identifizieren, auf sie im Beratungsgespräch einzugehen und dies zu dokumentieren. Zu den wichtigsten Punkten zählen nach der Rechtsprechung auch die Aufklärung über Nachteile einer Umdeckung oder die Kosten einer Nettopolice im Stornofall. Mit der Dokumentation kann der Vermittler im Streitfall den vorgeworfenen Beratungsfehler widerlegen. Das ist die wesentliche Funktion der Beratungsdokumentation aus Vermittlersicht.
Seite 1 Welche Folgen haben Lücken in der Beratungsdokumentation für Makler?
Seite 2 Beweislastumkehr
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können