Bei der Suche nach neuen Akquisitionsthemen und Geschäftsfeldern war die Versicherungsbranche schon immer sehr erfindungsreich und fantasievoll. Jeder erfolgreiche Verkäufer weiß, dass Kaufentscheidungen im Bauch getroffen werden und nicht im Kopf. Es kommt also darauf an, den Kunden auf seiner Gefühlsebene abzuholen und ein Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Verkäufer herzustellen. Versicherungsvermittler haben in der Skala der angesehensten Berufe schlechte Karten. Das hat verschiedene Ursachen und wird den Vermittlern in der Gesamtheit sicher nicht gerecht. Kommt der Versicherungsvermittler aber als solcher daher, braucht der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses Zeit und Geduld. Deshalb ist es für Versicherungsvermittler einfacher, gleich als Problemlöser aufzutreten. Auf der Score-card prominenter Problemlöser aktuell ganz oben: Generationenberater, bAV-Experte, Tarifwechselberater. Es steckt schon im Namen: Im Vordergrund steht die Beratung zum aufgerufenen Thema. Dort geht es immer (auch) um die Beratung über rechtliche Inhalte. Das ist für Versicherungsvermittler nicht immer unproblematisch. Denn je nach Umfang und Ausprägung der Beratung drohen Konflikte mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Versicherungsvermittlung und Rechtsdienstleistung
Versicherungsvermittler müssen für sich grundsätzlich klären, ob und in welchem Umfang sie rechtlich beraten dürfen. Die Zulässigkeit richtet sich nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Danach ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch andere Gesetze erlaubt wird (§ 3 RDG). Unter Rechtsdienstleistung versteht das Gesetz jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Die Vorschrift ist sehr unbestimmt gehalten und daher restriktiv auszulegen. Wichtig ist das Erfordernis einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls, eine einfache Rechtsanwendung reicht dafür nicht aus. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Wiedergabe und der bloßen schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpfen, erfüllen daher nicht das Merkmal der rechtlichen Prüfung. Insoweit ist es durchaus fraglich, ob im Falle einer Beratung über den Inhalt von zu vermittelnden Versicherungsverträgen im Breitengeschäft überhaupt eine Rechtsdienstleistung vorliegt. Bei einer Beratung über die sozialversicherungsrechtliche, steuerrechtliche und versicherungsrechtliche Gestaltung von Altersvorsorgestrategien im Vorfeld einer Versicherungsvermittlung ist dies im Zweifel eher zu bejahen.
Zulässige Nebenleistungen
Doch selbst wenn Teile der Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers als Rechtsdienstleistung zu qualifizieren sind, wären sie ihm erlaubt, wenn sie im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbracht werden und als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 RDG). Versicherungsvermittler übernehmen für den Versicherer (Versicherungsvertreter) oder den Kunden (Versicherungsmakler) die Vermittlung von Versicherungsverträgen. Es ist unbestritten, dass die auf den Abschluss gerichtete und den Abschluss vorbereitende Beratung durch den Versicherungsvermittler als vorbereitende Tätigkeit für die Vermittlung notwendig ist und damit zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehört. Die beratende Tätigkeit steht somit im direkten Zusammenhang mit der Vermittlungstätigkeit des Versicherungsvermittlers. Das bedeutet, dass die vom Versicherungsvermittler erbrachte Beratungsleistung im Zusammenhang mit einem Vermittlungsgeschäft gemäß § 5 Abs. 1 RDG zulässig ist, auch wenn die Beratung rechtlich geprägt ist. Hierbei ist es grundsätzlich unerheblich, wer die Vergütung für das Vermittlungsgeschäft übernimmt. Üblicherweise ist dies das Versicherungsunternehmen. Es ist aber auch denkbar und in Teilen geübte Praxis, dass der Versicherungsnehmer die Vermittlungsvergütung trägt. Wichtig ist nur, dass die Vergütung für die Vermittlung geschuldet ist und nicht für die Rechtsdienstleistung.
Unzulässige Hauptleistung
Etwas anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer die Rechtsdienstleistung direkt bezahlt. Beispiel: Bittet ein Versicherungsnehmer den Versicherungsvermittler im Zusammenhang mit der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages um Prüfung, ob und gegebenenfalls wann der Altvertrag gekündigt werden kann, liegt im Zweifel eine rechtliche Prüfung im Einzelfall und damit eine Rechtsdienstleistung vor. Diese stünde aber als vorbereitende Maßnahme der Vermittlung eines neuen Vertrages im Zusammenhang mit dem Vermittlungsgeschäft und wäre deshalb gemäß § 5 Abs. 1 RDG wegen des Zusammenhangs mit der Vermittlung zulässig. Bittet demgegenüber ein Kunde einen Versicherungsvermittler um Prüfung der Kündigungsmöglichkeiten eines Altvertrages, ohne dass über den Abschluss eines neuen Vertrages gesprochen wird, und bietet der Kunde dem Vermittler für die Prüfung ein Honorar von 50 Euro, dann liegt keine Nebenleistung (es fehlt an der Vermittlung) vor, sondern eine Hauptleistung, die selbstständig vergütet wird. Dies wäre nicht nach § 5 Abs. 1 RDG zulässig.
Rechtsberatung durch Versicherungsmakler
Versicherungsmaklern ist eine solche Rechtsberatung aber im Rahmen des § 34d Abs. 1 Satz 4 GewO erlaubt. Denn mit der Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung wird Versicherungsmaklern (nicht Versicherungsvertretern!) zugleich die Befugnis eingeräumt, bei Personen, die nicht Verbraucher sind, gegen gesondertes Honorar Beratungen über Versicherungsverträge durchzuführen, auch wenn die Beratungen rechtlich geprägt sind und mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit nicht im Zusammenhang stehen. Es ist dabei zu beachten, dass wegen der klaren Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Nichtverbraucher die rechtliche Beratung bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt bei Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB von § 34d GewO nicht gedeckt ist. Für die Beratung von Verbrauchern kann § 34d GewO also nicht als Erlaubnisnorm herangezogen werden.
Rechtsberatung durch Versicherungsberater
Die Beratungsbefugnis der Versicherungsberater geht weiter. Ihnen ist nicht nur die rechtliche Beratung bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt auch bei Verbrauchern erlaubt, sondern sie sind darüber hinaus auch befugt, Verbraucher und Nichtverbraucher bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertreten (§ 34e GewO).
Schlussfolgerungen für die Praxis
Gerade wenn Versicherungsvermittler sich auf verschiedene Spezialthemen spezialisieren, sind sie gut beraten, ihr eigentliches Geschäftsmodell der Versicherungsvermittlung nicht aus den Augen zu verlieren. Abgesehen davon, dass sie ihre Kunden beim ersten geschäftlichen Kontakt über den gewerberechtlichen Status informieren müssen (§ 11 VersVermV), laufen sie sonst Gefahr, sich im Anwendungsbereich des RDG zu verlieren, wenn der Zusammenhang mit der Vermittlungstätigkeit verloren geht. So steht beispielsweise die Formulierung von Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen oder Versorgungswerken bei Betrieben erkennbar nicht im Zusammenhang mit einer Vermittlungstätigkeit. Ebenso wenig handelt es sich um die rechtliche Beratung bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen. Im Einzelnen ist die Abgrenzung schwierig und ungeklärt. Deshalb ist bei allem Eifer um Servicefähigkeit im Zweifel Zurückhaltung bei rechtlichen Themen angeraten. Verstöße gegen das RDG sind unter verschiedenen Gesichtspunkten rechtlich relevant: Es drohen Bußgelder, wettbewerbsrechtliche Verfahren und Rückzahlungs- und Haftpflichtverbindlichkeiten. Geschlossene Geschäftsbesorgungsverträge und erteilte Vollmachten erweisen sich möglicherweise als nichtig.
Den Text lesen Sie auch in der AssCompact 08/2015, Seite 80f.
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