Ein Artikel von Michaela Ferling, Rechtsanwältin der Kanzlei FERLING RECHTSANWÄLTE
Ausgangspunkt ist zunächst § 87 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB), der einem Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, gewährt. Die Bestimmung steckt damit den Kreis derjenigen Geschäfte ab, für die der Handelsvertreter aufgrund seines Tätigwerdens eine Provisionsanwartschaft erwirbt. Doch was ist hiervon umfasst?
Ohne Zweifel ist damit eine Abschlussprovision gemeint, die der Handelsvertreter für das Zustandekommen eines Vertrages zwischen einem Unternehmer und dem Kunden erhält. Dabei muss der Geschäftsabschluss auf die Tätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen sein, die Tätigkeit des Handelsvertreters muss danach kausal für das Zustandekommen des Geschäfts gewesen sein. Kurzum: Das Geschäft wäre ohne die Mitwirkung des Handelsvertreters nicht oder zumindest nicht in der abgeschlossenen Form zustande gekommen.
Doch wie schaut es mit Bestandsprovisionen aus? Für Altkunden, die bereits mit dem Unternehmer in Geschäftskontakt standen, gilt für die Provisionspflicht von Nachbestellungen Folgendes: Einlaufende Nachbestellungen von Altkunden, die der Handelsvertreter bereits übernommen hat, sind nicht provisionspflichtig, da es an einer Mitwirkung fehlt. Hat der Handelsvertreter sich allerdings für eine solche Nachbestellung aktiv eingesetzt, steht ihm ein Provisionsanspruch zu. Der Anspruch steht und fällt mit der Mitwirkung des Handelsvertreters.
Besonderheit Versicherungswirtschaft
An dieser Stelle muss allerdings den Besonderheiten in der Versicherungswirtschaft Rechnung getragen werden, denn der Provisionsanspruch für Nachbestellungen besteht kraft Gesetzes nicht für den Versicherungs- und Bausparkassenvertreter. Diese können Provisionen nur für Geschäfte verlangen, die direkt auf ihre Tätigkeit zurückzuführen sind (§ 92 Abs. 3, 5 HGB). Im Unterschied zu anderen Handelsvertretern (zum Beispiel dem Warenvertreter) steht dem Versicherungsvertreter kein Provisionsanspruch für solche Folgevereinbarungen zu, an denen er nicht mitgewirkt hat, auch wenn er die Kunden ursprünglich als Kunden für Geschäfte gleicher Art geworben hat. Durch die Vermittlung konventioneller Versicherungsverträge wird nämlich dem Versicherer regelmäßig keine Kundschaft in dem Sinne zugeführt, dass er allein aufgrund der einmal hergestellten Kundenbeziehung laufend gleichartige Folgegeschäfte im Sinne von Nachbestellungen erwarten könnte. Die Versicherung neuer Risiken erfordert wie die Verlängerung ablaufender und die Erweiterung laufender Versicherungsverträge in der Regel neue Vermittlungsbemühungen von ähnlicher Intensität wie beim ersten Vertrag, weil der Kunde auch hier wieder zu einem eigenständigen Entschluss auf veränderter sachlicher Grundlage und aufgrund neuer Überlegungen unter anderen Umständen veranlasst werden muss (vgl. Höff, Versicherungsrecht 1976, S. 205 ff.) Die den Provisionsanspruch des Handelsvertreters tragenden Gründe liegen daher beim Versicherungsvertreter zuerst einmal nicht vor.
Hier kommt die Besonderheit zum Tragen, dass es sich bei den Versicherungsverträgen um sogenannte Dauerschuldverhältnisse handelt. Diese werden aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Kunden jeweils um ein weiteres Jahr verlängert, soweit sie nicht gekündigt werden. In der Folge besteht für jedes weitere Jahr ein Anspruch auf Provision, wobei die Höhe der Provision durch den Handelsvertretervertrag näher bestimmt wird. Und in der jüngeren Vergangenheit gab es nun Bestrebungen, die Folgeprovision (oder auch Bestandsprovision) zu kürzen oder an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen.
Anteilige Kürzung der Folge-/Bestandsprovision bei Kündigung?
Kündigt der Handelsvertreter sein Vertragsverhältnis, so sind nach den Vereinbarungen in bestimmten Handelsvertreterverträgen von Versicherern die Bestandsprovisionen anteilig zurückzuzahlen. Nach den obigen Darlegungen hat der Versicherungsvertreter einen Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte und für jedes weitere Jahr auf eine Folgeprovision, solange der Vertrag besteht. Erfolgt nun eine Kürzung oder eine Beschränkung, so stellt sich die Frage, ob eine solche wirksam vereinbart werden kann oder ob hier eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsvertreters oder gar eine Kündigungserschwernis vorliegt. Für Verzichtsklauseln wurde dies jedenfalls in VersR 2011, 565 ff. negiert mit der Begründung, dass der Versicherungsvertreter die von ihm geschuldete Leistung durch Vermittlung der abgeschlossenen Verträge bzw. der Bestandserhaltung erbracht hat, während die Gegenleistung (Vergütung) bei Vertragsbeendigung gekürzt werden dürfte und der Versicherungsvertreter im schlimmsten Fall einen erheblichen Anteil der Bestandsprovisionen verlieren würde, der mit Zahlung der Prämie unbedingt erworben wurde.
Auch eine Kündigungserschwernis gem. § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. § 134 BGB ist zu diskutieren. Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB kann das Vertragsverhältnis von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB bestimmt, dass dieses Recht nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Diese gesetzliche Regelung bildet eine Schutzvorschrift zugunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters. Die gesetzlich gewährleistete Freiheit, das Handelsvertreterverhältnis zu beenden, wird unzulässig beschränkt, wenn an die Kündigung des Vertreters die Vertragsbeendigung erschwerende oder sie praktisch unmöglich machende finanzielle Nachteile geknüpft werden. Dabei müssen derartige Nachteile nicht unmittelbar an die Kündigung geknüpfte Vertragsstrafen sein; vielmehr kann eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Erforderlich für die Annahme einer Kündigungserschwernis bleibt jedoch eine Anknüpfung der Rückzahlungsverpflichtung gerade an die Kündigung oder jedenfalls das Ausscheiden des Handelsvertreters.
Nachträgliche Änderung des Vergütungsmodells
Eine nachträgliche Änderung eines Vergütungsmodells ist in aller Regel nur in beiderseitigem Einverständnis im Sinne eines Vertragsnachtrages möglich. Einmal unterzeichnete Vergütungsmodelle können nicht einseitig verändert werden. Allenfalls ein wirksamer Änderungsvorbehalt könnte das Versicherungsunternehmen berechtigen, einseitige Änderungen durchzuführen. An einen Änderungsvorbehalt werden allerdings strenge Anforderungen gestellt, wie ein Verfahren des Oberlandesgerichts München vom 06.02.2008 zeigt. Ein Änderungsvorbehalt in Vertretungsverträgen ist dann unwirksam, wenn es ihm an der hinreichenden Bestimmtheit fehlt, das heißt, wenn also weder der Anlass, aus dem ein Änderungsrecht entsteht, noch der Maßstab seiner Ausübung konkret darlegt wird. Einseitige Leistungsänderungsrechte in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bedürfen zunächst zu ihrer Wirksamkeit der konkreten Angabe der Änderungsgründe in der Klausel selbst. Dabei müssen sowohl der Änderungsgrund, also der Anlass, aus dem das Änderungsrecht entsteht, als auch die Richtlinien und Grenzen der Ausübung des Änderungsrechts – insbesondere also auch Art und Ausmaß der zulässigen Abweichung – konkret benannt sein. Darüber hinaus muss ein schwerwiegender, triftiger Grund für die Änderung der vereinbarten Leistung durch den Verwender ersichtlich sein.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 106 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Dasha Petrenko – stock.adobe.com
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