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24. Mai 2024
Versicherer brauchen mehr Ressourcen für Nachhaltigkeitsziele

Versicherer brauchen mehr Ressourcen für Nachhaltigkeitsziele

Auf dem Weg zum nachhaltigen Unternehmen konzentrieren sich Versicherer bislang v. a. auf ökologische Ziele – und gehören dabei zu den Vorreitern der „grünen“ Transformation. Doch soziale und unternehmensethische Ziele bleiben derzeit noch die Kür, u. a., weil die notwendigen Kapazitäten dafür fehlen.

Ein Artikel von Svenja Gaffry, Strategy & Management Consultant mit dem Schwerpunkt Insurance bei Sopra Steria Next, und Leander Tillmann, Strategy & Management Consultant mit dem Schwerpunkt Insurance bei Sopra Steria Next

Ein grünes Anlageportfolio ist für Versicherer heute ebenso ein Muss wie ökologische Hausrat- und Haftpflichtversicherungen, da Investoren und Kunden diese Produkte und Dienstleistungen zunehmend nachfragen. Unabhängig vom regulatorischen Druck halten sieben von zehn Finanzdienstleistern die gesellschaftliche Bedeutung für die wichtigste Triebfeder, ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Das zeigt die Studie „Managementkompass Survey Good Company“ von Sopra Steria. 63% sind darüber hinaus der Meinung, dass nachhaltiges Handeln und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen. Durch die Fokussierung auf ethische, soziale und ökologische Ziele erhoffen sich fast drei Viertel der Unternehmen zudem eine bessere Mitarbeiterbindung.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Versicherer die gesellschaftliche Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit frühzeitig erkannt haben und im Wettbewerb durch eine veränderte strategische Ausrichtung davon profitieren wollen. Werden Entscheiderinnen und Entscheider allerdings gefragt, ob Organisationen aktuell bereits genügend ökologische und soziale Verantwortung übernehmen, sind sechs von zehn Befragten noch unschlüssig oder verneinen dies sogar.

Versicherer geben ökologischen Zielen Priorität

Diese Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Zielerreichung hat einen Grund: Bei der strategischen Ausrichtung auf mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen steht bei Versicherern bislang der ökologische Aspekt im Vordergrund. Die Kriterien der EU-Taxonomie definieren beispielsweise, welche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Versicherer sind gefordert, ihre Portfolios und Produkte in der Form anzupassen, dass sie Risiken managen und nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln können. Zudem gibt es angesichts des Klimawandels bereits etablierte Standards wie das Greenhouse Gas Protocol zur Messung ökologischer Nachhaltigkeit. Zahlreiche Daten zu Umweltaspekten wie CO2-Emissionen, Energie- und Wasserverbrauch erleichtern zudem die Entwicklung geeigneter KPIs, auch wenn sie heute noch nicht flächendeckend für alle Marktteilnehmer zugänglich sind.

Die Umsetzung von sozialen und unternehmensethischen Themen ist dagegen oft schwieriger. Denn die Unternehmen stehen vor mehreren Problemen: Zum einen ist die Datenerhebung zu Themen wie gesellschaftliche Ungleichheit und Rechte der Arbeitnehmer oder zu möglichen Anforderungen aus dem Lieferkettengesetz komplexer. Zum anderen fehlt es neben den gängigen Diversitäts- und Frauenquoten an zusätzlichen zentralen KPIs, die eine Vergleichbarkeit innerhalb des Wettbewerbs möglich machen.

Zudem reichen die personellen Kapazitäten der Versicherer derzeit schlicht nicht aus: 40% nennen in der Studie personelle Ressourcen als Hürde für mehr Engagement. Der Grund: die umfangreichen Reportingpflichten aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Denn die prüfungskonforme Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts ist derzeit geprägt von manuellen und fehleranfälligen Prozessen und bindet in den Unternehmen viele Ressourcen über einen längeren Zeitraum.

Nachhaltigkeitsreporting: ESG-Strategie und Data-Hub schaffen Transparenz

Insgesamt gilt: Ohne Strategie kein effizienter ESG-Bericht. Trotz aufwendiger Regulatorik und operativer Aufgaben sollten Kapazitäten für eine Bestandsaufnahme der aktuellen ESG-Positionierung geschaffen werden. Sie ist die Basis, um die Fokusbereiche klar zu definieren und voneinander abzugrenzen. Zudem müssen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele ambitioniert, aber ihrer Größe angemessen und realisierbar formulieren. Bereits in diesem Schritt definieren sie klare Kennzahlen und stellen die jeweilige Datenverfügbarkeit sicher. Denn nur so wird eine Vergleichbarkeit am Markt erreicht und die Wirksamkeit der Strategie im weiteren Verlauf deutlich, was eventuellen Greenwashing-Vorwürfen vorbeugt. Wechselwirkungen und Zielkonflikte innerhalb der eigenen ESG-Strategie dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen werden. Die notwendige Transparenz für gegenläufige Zielsetzungen und Maßnahmen bildet einen essenziellen Baustein im Zielerreichungsprozess.

Darüber hinaus ist wichtig, dass die Daten für den Nachhaltigkeitsbericht zuverlässig und gemäß den erforderlichen Standards analysiert werden. Hier bietet sich die Implementierung eines ESG-Data-Hubs an. Auf der digitalen Plattform können Nachhaltigkeitsdaten gesammelt und verwaltet werden. Der große Vorteil: Der Hub schafft Transparenz bezüglich Prozessen und Kosten. Er ermöglicht einen effizienten und sicheren Datenaustausch sowie eine regelmäßige Aktualisierung. Die so geschaffene Transparenz können die Versicherer nutzen, um Mitarbeitern, Bewerbern, Kunden und Investoren in Entscheidungsprozessen gezielt Fakten zukommen zu lassen.

Die im Hub konsolidierten Daten bieten darüber hinaus ein großes Automatisierungspotenzial. So gibt es heute bereits Tools, die über entsprechende Schnittstellen an den ESG-Hub angebunden werden können. Sie unterstützen Versicherer dabei, ihre Nachhaltigkeitsperformance zu analysieren, strategische Ziele zu definieren und anhand von KPIs zu messen. Die aufbereiteten Daten erleichtern zudem die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts. So sparen die Versicherer durch die Automatisierung Zeit und Personal bei der Berichtspflicht und können die frei werdenden Ressourcen nutzen, um den Fokus auf die Realisierung anvisierter Nachhaltigkeitsziele zu setzen.

Fazit: Nachhaltigkeit in all ihren Facetten wird zum Hygienefaktor

Die Konzentration auf die regulatorischen Anforderungen allein mag heute noch ausreichen, in Zukunft aber nicht mehr. Nachhaltigkeit in all ihren Facetten wird in den nächsten Jahren zum Hygienefaktor. Innerhalb der Branche bedarf es der Orientierung, um trotz aller Zwänge durch Regulatorik, Markt, Politik und Wettbewerb Ressourcen richtig zu allokieren. Ein Daten-Hub und strategische Unterstützung mit dem Blick von außen können durch Optimierung und Automatisierung für die notwendigen zeitlichen und personellen Ressourcen sorgen, um alle Ziele der ESG-Strategie voran­zutreiben.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © bluedesign – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Leander Tillmann
Svenja Gaffry