Die europäische Vermögensverwaltungsbranche durchlebt derzeit eine Phase starker Veränderungen. Laut dem 26. jährlichen McKinsey Asset Management Survey aus dem Jahr 2023 sind die Gewinne rückläufig und die Lücke zwischen den erfolgreichsten und den weniger erfolgreichen Vermögensverwaltern wächst. McKinsey legt in einer Unternehmensmitteilung zur Umfrage neun interessante Beobachtungen aus den Ergebnissen dar.
Profiteinbruch und divergente Wachstumsdynamiken
Die Gewinne der Branche sind um ein Drittel gegenüber ihrem Höchststand zurückgegangen. Trotz einer Erholung der verwalteten Vermögen (AUM) um etwa 9% im vierten Quartal 2023 zeigen sich tiefere strukturelle Probleme: Die Gewinne bei den europäischen Asset-Managern sind im zweiten Jahr in Folge gesunken und liegen nun 32 % unter dem Allzeithoch von 2021.
Das Profitabilitätsgefälle zwischen den besten und den restlichen Vermögensverwaltern hat sich außerdem weiter vergrößert. Während die Top-Quartile ihre Einnahmen steigern und Kosten effektiv managen konnten, mussten die weniger erfolgreichen Quartile Einbußen hinnehmen. Der Unterschied in den Gewinnmargen beträgt nun 28 Prozentpunkte, zehn Punkte mehr als 2018.
Passive Fonds und Marktvolatilität
Passive Fonds haben in den letzten Jahren deutlich schneller als aktive Fonds zugelegt, insbesondere in Zeiten hoher Marktvolatilität. Seit 2014 wuchsen die verwalteten Vermögen passiver Fonds jährlich um durchschnittlich 11 % schneller als die aktiver Fonds. In volatilen Jahren wie 2018, 2022 und 2023 betrug der Unterschied in den Nettozuflüssen rund 470 Mrd. Euro.
Entwicklungen in den Privatmärkten
Die Privatmärkte erleben aufgrund makroökonomischer Gegenwinde eine Verlangsamung. Die Mittelbeschaffung in Europa blieb 2023 mit 243 Mrd. US-Dollar nahezu stabil, lag jedoch 27% unter dem Höchststand von 2021. Einzig Private Equity konnte das Fundraising um 57% steigern und einen neuen Rekord verzeichnen.
Trotz der Herausforderungen zeigt eine McKinsey-Umfrage unter über 300 globalen LPs, dass 43% der Befragten planen, ihre Allokationen in private Märkte in den nächsten drei Jahren zu erhöhen.
Preisgestaltung und Leistung
Die Preisgestaltung kann bei aktiv verwalteten Anleihenfonds eine schwache Leistung teilweise kompensieren. Seit 2021 verzeichneten Fonds mit hohen Gebühren Zuflüsse von 83 Mrd. Euro, während Fonds mit geringeren Gebühren Abflüsse von 59 Mrd. Euro hinnehmen mussten. Im Gegensatz dazu ist bei aktiv verwalteten Aktienfonds vor allem die Performance entscheidend: Fonds mit hoher Performance konnten Zuflüsse von 83 Mrd. Euro verzeichnen, während andere Fonds Abflüsse von 127 Mrd. Euro erlitten.
ESG-Investments: Chancen und Herausforderungen
Obwohl die Region EMEA bei den in ESG investierten AUM führend ist, hat das Wachstum in diesem Bereich nachgelassen. Seit 2021 sind die ESG-Fonds in der EMEA-Region jährlich nur um 1% gewachsen. In den Privatmärkten hingegen ziehen Impact- und Dekarbonisierungsfonds weiterhin starke Zuflüsse an.
Trotz der allgemeinen Stagnation bieten sich für Anbieter mit einem differenzierten Angebot weiterhin attraktive Möglichkeiten, insbesondere angesichts des Bedarfs an Kapital zur Erreichung der Netto-Null-Ziele.
Unverwaltete Vermögenswerte und KI-Potenziale
Die Zinsanstiege und die Marktvolatilität haben den Anteil unverwalteter finanzieller Vermögenswerte erhöht. Mit etwa 70 Bio. Euro machen sie nun 73% der gesamten finanziellen Vermögenswerte aus. Wenn die Zentralbanken die Zinsen senken, könnte das derzeit auf der Seitenlinie stehende Kapital von rund 22 Bio. Euro eine große Chance bieten.
Generative KI könnte der Branche einen erheblichen Produktivitätsschub verleihen. Der kombinierte globale Wert durch traditionelle und generative KI wird auf etwa 60 Mrd. US-Dollar geschätzt. Asset-Manager sollten die Potenziale in den Bereichen Inhaltssynthese, Kodierung, Erstellung kreativer Inhalte und Kundenengagement nutzen, wobei Produktivitätsgewinne von bis zu 80% möglich sind.
Konsolidierungsdruck und M&A-Aktivitäten
Der Konsolidierungsdruck in der Branche wächst angesichts geringer Effizienz. Die durchschnittliche Kosten-Ertrags-Quote europäischer Vermögensverwalter ist seit 2021 um neun Prozentpunkte auf 65% gestiegen. Trotz eines Rückgangs der M&A-Aktivitäten im Jahr 2023 könnte eine Verbesserung des mittelfristigen Wirtschaftsausblicks zu einer Wiederbelebung führen.
Fazit
Die europäische Vermögensverwaltungsbranche sieht sich mit erheblichen Herausforderungen wie Gewinnrückgängen, einer aufklaffenden Schere zwischen den stärksten und schwächsten Unternehmen und unterschiedlichen Wachstumsdynamiken konfrontiert. Doch mit gezielten Investitionen und einer Anpassung an die neuen Marktbedingungen können Vermögensverwalter diese Herausforderungen in Chancen verwandeln und in einem sich radikal verändernden Umfeld erfolgreich bestehen, erläutert McKinsey. (mki)
Bild: © 78art – stock.adobe.com
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