Vor dem Landgericht (LG) Stuttgart haben sich die Fondsgesellschaft Commerz Real und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ) wegen irreführender Werbung bei nachhaltigen Geldanlagen gegenübergestanden. Streitpunkt war die Bewerbung des klimaVest Impact Fonds, ein nachhaltiges Finanzprodukt der Fondsgesellschaft, das in Sachwerte wie Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowie nachhaltiger Infrastruktur, Mobilität und Forstwirtschaft investiert. Die VZ als Klägerin vertrat dabei die Auffassung, die präzisen und daher besonders werbewirksamen Aussagen, die vom Verbraucher zu leistende Geldanlage könne „messbar Klima schützen“ und habe ganz konkrete (in exakten Zahlen angegebene) Auswirkungen auf den „persönlichen CO2-Fußabdruck“ infolge des Einsparpotenzials („CO2-Ausgleich“), seien offensichtlich irreführend, zumal die Beklagte diese unmittelbare Klimawirksamkeit selbst an anderer Stelle bis zur Bedeutungslosigkeit relativiere.
Urteil untersagt irreführende Werbung für Nachhaltigkeitsfonds
Das Gericht hat nun in seinem Urteil vom 31.01.2022 der Klage der VZ entsprochen und untersagt, einen direkten Zusammenhang zwischen einer bestimmten Anlagesumme und einer definierten angeblichen Reduktion des persönlichen Kohlenstoffdioxid- (CO2)-Fußabdrucks herzustellen. Zudem sei nicht deutlich genug gemacht worden, dass der tatsächlich vermiedene Ausstoß an Treibhausgasen durch die im Fondsportfolio befindlichen Solar- und Windkraftanlagen vom angestrebten Ziel abweichen kann.
Forderung nach einem gesetzlichen Kennzeichnungssystem für grüne Kapitalanlagen
Mit dem Urteil gegen die Commerz Real hat sich nun ein Gericht mit der Werbung für nachhaltige Geldanlage befasst und enge Grenzen gezogen, heißt es nach dem Urteilsspruch von der VZ. Wegen der Unklarheit von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „Bio“ sei, so das Gericht, eine Irreführungsgefahr besonders groß. Die so beworbenen Produkte seien meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender als andere Waren. Unter diesen Umständen bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. „Dieses Urteil ist nicht nur ein wichtiges und klares Signal an die gesamte Branche, sondern auch an den Gesetzgeber. Es zeigt deutlich, dass Nachhaltigkeit eine reine Marketingstrategie ist, solange weder belastbare Methoden zur Wirkungsmessung bestehen noch gesetzliche Definitionen und Kennzeichnungen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden mit Werbeaussagen getäuscht“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Um dem Einhalt zu gebieten, seien aber nicht nur Gerichte gefordert: „Wir brauchen ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen, um irreführendes Greenwashing in den Griff zu bekommen.“ Auch die geplante EU-Taxonomieverordnung leistet der Irreführung weiteren Vorschub statt sie zuverlässig zu beseitigen. Solange die Daten, die den ESG-Ratings zugrunde liegen, auf nicht verifizierbaren Selbstauskünften von Unternehmen beruhen, können diese nicht als zuverlässige Informationsquelle gelten.
Änderungen in der werblichen Darstellung bereits vorgenommen
Zufrieden äußerte sich auch die Commerz Real über den aktuellen Entscheid des Landgerichts: „Damit haben wir die von uns angestrebte Rechtssicherheit erreicht“, so Henning Koch, Vorsitzender des Vorstands der Commerz Real. „Die entsprechenden Änderungen auf der Website hatten wir bereits Ende letzten Jahres vorgenommen.“ So wurde der ursprünglich hergestellte direkte Zusammenhang zwischen der Investition in den Fonds und dem persönlichen CO2-Fußabdruck entfernt und das Vermeidungsziel und dessen Bedingungen transparenter und deutlicher dargestellt. Nach Ansicht der VZ hat Commerz Real allerdings das Verfahren vor dem LG Stuttgart nicht dazu genutzt, in ihrer Werbung maximale Transparenz herzustellen. „Es finden sich nach wie vor zahlreiche Punkte, die Verbraucherinnen und Verbrauchern ein diffuses Bild liefern. Wir werden prüfen, ob weitere rechtliche Schritte notwendig sind“, so Nauhauser. (as)
LG Stuttgart, Urteil vom 31.01.2022 – 36 O 92/21 KfH
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