Ein Grundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn bereits die Unterlassung der Überwachung seines Grundstücks verlangen, wenn es möglich ist, dass diese das Grundstück erfassen oder auf dieses elektronisch geschwenkt werden kann. Das hat das Amtsgericht Gelnhausen (AG) im März entschieden.
Der Fall stellte sich wie folgt dar: Der Verfügungskläger ist Eigentümer eines Grundstücks und richtete eine Verfügungsklage an die Eigentümerin des benachbarten Grundstücks. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich ein Mehrfamilienhaus mit Mietwohnungen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Wohnungen bereits vermietet sind. Zwischen den Parteien besteht auch deshalb ein seit Jahren angespanntes Nachbarschaftsverhältnis.
Überwachungskamera mit Verfolgungsmechanismus
Der Beklagte installierte nun zu Weihnachten 2023 unter einem Hausbalkon auf seinem Grundstück eine Kamera, die teilweise von den Balkonen des Nachbarhauses sichtbar ist, wobei streitig ist, inwiefern die Kamera dazu in der Lage ist, das Grundstück des Klägers tatsächlich zu erfassen. Die Kamera besitzt einen elektronischen Steuerungsmechanismus dergestalt, dass sie in der Lage ist, selbstständig Personen nachzuverfolgen, wobei auch hier der genaue Umfang der Nachverfolgungsfunktion streitig ist.
Der Kläger fühlte sich beobachtet und forderte den Nachbarn auf, die Störung zu unterlassen. Dieser entgegnete jedoch, dass er die Kamera nicht verwende. Der Kläger hat daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt dahingehend, dass die von dem Nachbarn betriebene Kamera so eingerichtet werden müsse, dass sie sein Grundstück nicht erfassen kann. Der Nachbar wendete hiergegen ein, seine Kamera sei nicht auf das Nebengrundstück ausgerichtet und wollte erreichen, dass der Antrag abgelehnt wird.
Sogenannter Überwachungsdruck genügt
Das Amtsgericht Gelnhausen hat dem Antrag stattgegeben. Darauf, ob die Kamera das Nachbargrundstück tatsächlich erfasst, komme es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht an. Es sei bereits unzulässig, dass sie – wie vorliegend gegeben – über einen elektronischen Mechanismus auf dieses ausgerichtet werden könne. Denn es sei bereits unzulässig, durch die Existenz einer Kamera bei dem Nachbarn ein zumindest nachvollziehbares Gefühl zu erzeugen, er könne jederzeit beobachtet werden. Dies wird auch als Überwachungsdruck bezeichnet, dieser ist bereits gegeben, wenn der Betroffene glaubt, überwacht zu werden oder dies zumindest nicht ausschließen kann, und dadurch sich in seiner Freiheit und Unbeschwertheit beeinträchtigt fühlt.
Zudem fügt das Gericht auf die konkrete Situation bezogen an, dass die Kamerainstallation auch nicht mit einer Notwendigkeit der Überwachung aufgrund des allgemein angespannten Nachbarschaftsverhältnisses zu rechtfertigen sei. (bh)
AG Gelnhausen, Urteil vom 04.03.2024 – Az. 52 C 76/24
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