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20. September 2024
Strukturvertrieb will Kunden zurückholen - wettbewerbswidrig
Rechtsstreit um Kunden: Rückholanruf von Strukturvertrieb wettbewerbswidrig

Strukturvertrieb will Kunden zurückholen - wettbewerbswidrig

Trennt sich ein Vermittler von einem Strukturvertrieb, kommt es oft zu rechtlichen Konflikten um Kunden. Unerlaubte Rückholaktionen des Strukturvertriebs ohne ausdrückliche Kundeneinwilligung gelten dabei als wettbewerbswidrig, selbst wenn der Makler ebenfalls gegen Regeln verstoßen hat.

Die Trennung eines Vermittlers von einem Strukturvertrieb führt häufig zu Nachwirkungen, da Kunden und Verträge bei der Vertriebsorganisation verbleiben. Wechselt der Vermittler in den Maklerstatus, hat er jedoch ein großes Interesse daran, seine ehemaligen Kunden an sich zu binden. Dies steht oft im Konflikt mit den Interessen des Strukturvertriebs, der seinerseits versucht, die Kunden zurückzugewinnen. In der Folge entsteht oft ein Streit darüber, ab wann das Vorgehen als wettbewerbswidrig einzustufen ist.

Auch die Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte ist regelmäßig mit derartigen Streitigkeiten befasst. Aktuell verweist sie auf ein Urteil des Landgerichts Hannover (LG) aus Oktober 2023. Das Gericht entschied, dass Anrufe und E-Mails an ehemalige Kunden, die darauf abzielen, diese zurückzugewinnen, wettbewerbswidrig sind, wenn keine ausdrückliche Einwilligung der Kunden vorliegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Versicherungsmakler anderweitig ebenfalls wettbewerbswidrig verhalten hat.

Kunde entzieht Strukturvertrieb Kontakterlaubnis

Die Kanzlei schildert den Fall so: Ein Versicherungsmakler stellte einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen einen Strukturvertrieb, für den er zuvor selbst als Handelsvertreter tätig war. Diese hatte trotz ausdrücklichen Widerrufs der Kontakterlaubnis durch einen Kunden weiterhin unerlaubt Kontakt aufgenommen. Der Kunde wurde früher von dem Makler im Rahmen seiner Tätigkeit als Handelsvertreter des Strukturvertriebs betreut. Nachdem sich der Antragsteller entschlossen hatte, selbstständiger Versicherungsmakler zu werden und die Zusammenarbeit mit der Vertriebsorganisation zu beenden, wollte der Kunde weiterhin von ihm betreut werden und übertrug ihm ein Maklermandat. Gleichzeitig entzog er dem Strukturvertrieb die bis dato bestehende Kontakterlaubnis.

Kontaktaufnahme vonseiten des Strukturvertriebs

Eine Mitarbeiterin des Strukturvertriebs versuchte mittlerweile den Kunden telefonisch und per E-Mail zu kontaktieren, um ihn über den Wechsel des Ansprechpartners zu informieren. Der Versicherungsmakler beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung, um diese wettbewerbswidrigen Handlungen zu unterbinden, und forderte zudem die Androhung eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft für den Fall einer Zuwiderhandlung.

Der Strukturvertrieb (Antragsgegnerin) argumentierte, dass der Makler selbst auch gegen Wettbewerbsregeln verstoßen habe, so durch Hinweise bzw. Aufforderungen an Vertriebspartner der Vertriebsorganisation per WhatsApp und YouTube, deren Kunden umzudecken. Insoweit sei das Verhalten der Antragsgegnerin eine berechtigte Verteidigung gegen die Verstöße des Antragstellers gewesen und zudem sei die Kontaktaufnahme gerechtfertigt gewesen, um den Kunden über die Folgen seiner Kündigungen zu informieren.

Entscheidung zugunsten des Versicherungsmaklers trotz seines eigenen Fehlverhaltens

Das Gericht entschied zugunsten des Versicherungsmaklers und untersagte dem Strukturvertrieb die unerlaubten Kontaktaufnahmen. Es stellte klar, dass Verstöße unabhängig vom Verhalten des Maklers zu bewerten seien und der Schutz der Verbraucher im Vordergrund stehe. Insbesondere hob das Gericht hervor, dass die Beklagte keine Berechtigung hatte, den Kunden nach dem Widerruf der Kontakterlaubnis erneut zu kontaktieren. Der Versuch, durch unaufgeforderte E-Mails und Anrufe Kunden zurückzugewinnen, wurde als unzumutbare Belästigung und wettbewerbswidrig eingestuft. (bh)

 

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