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20. Juli 2024
So unterschiedlich wachsen die Kfz-Haftpflichtversicherer

So unterschiedlich wachsen die Kfz-Haftpflichtversicherer

Die Kfz-Versicherer haben es derzeit nicht leicht, besonders die hohe Schadeninflation macht ihnen zu schaffen. Wenn es um die Schadenrückstellungen und das Wachstum geht, gibt der Kfz-Haftpflichtmarkt jedoch kein einheitliches Bild ab. Die Unterschiede hat die Ratingagentur Assekurata analysiert.

Der Kfz-Markt ist in Bewegung. Nach einem schwierigen Jahr für die Autoversicherer, in dem sie laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Verluste von mehr als 3 Mrd. Euro hinnehmen mussten, machten in letzter Zeit Nachrichten die Runde, wie die Versicherer versuchen, den dramatisch gestiegenen Schadenaufwendungen entgegenzuwirken, etwa mit größeren Beitragssteigerungen oder einer Bereinigung des Bestands.

Im Hinblick auf die herausfordernde Situation, in denen sich die Kfz-Versicherer aktuell befinden, hat die Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH das Wachstum und die Schadenreservequote des gesamten deutschen Kfz-Haftpflichtmarktes analysiert und dabei herausgefunden, dass der Markt ein sehr uneinheitliches Bild abgibt.

Heterogenität im Kfz-Haftpflichtmarkt „enorm“

Die Heterogenität im Wachstum des Kraftfahrzeughaftpflichtgeschäfts ist laut der Ratingagentur „enorm“. Manche Gesellschaften sind im höheren einstelligen oder sogar im niedrigen zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Bei den Beiträgen verzeichnet die Allianz GCS, der Industrieversicherer der Allianz Gruppe, mit 13,68% das größte Wachstum im letzten Jahrzehnt. Die Nürnberger Beamten Allgemeine sah im gleichen Zeitraum ihre Beiträge um 5,92% schrumpfen. Dabei laufen Beitragswachstum und Vertragswachstum nicht immer parallel zueinander, kommentiert Assekurata.

Zudem müssen Sondereffekte beachtet werden. Während die Analyse zeigt, dass die Beiträge der Condor Allgemeine in den letzten zehn Jahren um knapp 20% gewachsen sind, sind die Wachstumsraten kleiner Versicherer – wie der Condor – nur bedingt aussagekräftig, „da der Basiseffekt die Quoten verzerrt“, schreiben die Analysten. Das marktdurchschnittliche Wachstum beträgt 2,77%.

Auch große Unterschiede bei Schadenreservequote

Auch bei der Schadenreservequote – die Schadenrückstellungen im Verhältnis zu den verdienten Bruttobeiträgen – zeichnen sich große Unterschiede ab. Während hier der durchschnittliche Marktwert 221,48% beträgt, liegt die ERGO Direkt mit 483,75% weit über dem Markt, während Rhion mit 77,60% das „Schlusslicht“ bildet. Die Unterschiede, sowohl im Wachstum als auch bei der Schadenreservequote, beobachtet die Ratingagentur dabei nicht nur zwischen den Konzernen, sondern auch zwischen den einzelnen Unternehmen innerhalb einer Versicherungsgruppe.

Schadenreserven werden von Geschäftsmodell beeinflusst

Die Schadenreserven pro Vertrag liegen durchschnittlich bei 549,24 Euro. Am höchsten liegen sie bei der Kravag-Logistik mit 1.302,26 Euro, bei Rhion mit 115,58 Euro am niedrigsten. Hier muss allerdings auch das Geschäftsmodell der Versicherer beachtet werden. So benötigt die Kravag-Logistik beispielsweise eine höhere Reserve pro Vertrag, da die Durschnittrisiken im Bereich LKW – und damit auch die durchschnittliche Schadenhöhe – höher ausfallen.

Alter des Bestands spielt große Rolle bei Rückstellungen

Die Heterogenität bei den finanziellen Kennzahlen bedeutet allerdings nicht, dass die Konzerne eine „grundsätzlich andere Schadenreservierungspolitik“ verfolgen, erklärt der Blogbeitrag. Vielmehr führe ein hohes Wachstum systematisch zu einer geringeren Reservequote, so Assekurata. Gerade Personenschäden wickeln sich in der Kfz-Haftpflichtversicherung oft über einen langen Zeitraum ab, was dazu führt, dass ein Großteil der Schadenreserven aus vergangenen Anfalljahren stammen. Folglich haben Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wachstum tendenziell geringere Schadenreservequoten. Zurückzuführen ist dies auf den sogenannten „Sockeleffekt“: je geringer das durchschnittliche Vertragsalter, desto weniger Rückstellungen aus der Vergangenheit. Umgekehrt führen auch schrumpfende Bestände zu höheren Reserveausstattungen.

Als Beispiel nennt Assekurata hier die ERGO Direkt, bei der sowohl Schadenreserve pro Vertrag als auch Schadenreservequote im Vergleich zum Marktdurchschnitt auf einem sehr hohen Niveau liegen. Dies liegt daran, dass der Versicherer in den 2010er Jahren einen Großteil seiner Beitragseinnahmen verlor. Die Verträge, für die die hohen Schadenreservequoten gebildet wurden, waren also im Jahr 2022 gar nicht mehr im Bestand.

Noch kein Marktüberblick für 2023

Für das vergangene Geschäftsjahr könne die Agentur noch keinen abschließenden Marktüberblick vorlegen, heißt es. Es zeichne sich jedoch ab, dass die Kfz-Versicherer ihre Schadenreserven in der Kfz-Haftpflicht weiter verstärkt haben und die Schadenreserven pro Vertrag per Saldo leicht steigen werden. Die Schadenreservequote dürfte allerdings aufgrund der gestiegenen Beiträge geringfügig zurückgehen. (js)

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