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11. Februar 2025
So reagieren Grundfähigkeitsversicherer auf das aktuelle BGH-Urteil
So reagieren Grundfähigkeitsversicherer auf das aktuelle BGH-Urteil

So reagieren Grundfähigkeitsversicherer auf das aktuelle BGH-Urteil

Einem aktuellen BGH-Urteil zufolge könnte eine Grundfähigkeitsversicherung nicht als klassische Arbeitskraftabsicherung eingestuft werden. Das Urteil wirft damit Fragen auf, insbesondere was die Kündigung durch den Anbieter angeht. AssCompact hat bei ausgewählten Versicherern nachgefragt, welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen.

In einem langen Rechtsstreit zwischen Verbraucherschützern und der AXA haben die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) am 11.12.2024 entschieden (Az. IV ZR 498/21), dass die Kündigung der umstrittenen AXA Unfall-Kombirente vonseiten der AXA rechtmäßig war. Aus der Urteilsbegründung konnte allerdings abgelesen werden, dass Grundfähigkeitsversicherungen anders als die Berufsunfähigkeitsversicherungen unter bestimmten Voraussetzungen vonseiten des Versicherers ordentlich gekündigt werden können.

Dem Urteil zufolge könnte eine Grundfähigkeitsversicherung (GFV) nicht als klassische Arbeitskraftabsicherung eingestuft werden, da sie ausschließlich definierte Grundfähigkeiten und nicht die Arbeitskraft selbst absichert. Das Urteil schafft damit Unsicherheiten, auch in Vermittlerkreisen, insbesondere hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten durch den Anbieter und der rechtlichen Einordnung von GFV-Produkten als Lebens- oder Sachversicherung.

Das Fachmagazin AssCompact hat daher bei den Top-3-Maklerfavoriten in der Grundfähigkeitsversicherung laut aktueller Studie „AssCompact AWARD – BU/Arbeitskraftabsicherung 2024“, Canada Life, NÜRNBERGER und Allianz, nachgefragt, wie sie auf das BGH-Urteil reagieren.

Das sagt Canada Life
Wie ordnet Canada Life GFV-Produkte rechtlich ein?

Unserer Auffassung nach ist die Grundfähigkeitsversicherung als eigenständige Versicherung (Stand-alone) eine Lebensversicherung. Diese kann daher aufgrund der Spartentrennung auch nur von Lebensversicherungsunternehmen angeboten werden.

Sie wird nach den Grundsätzen der für die Lebensversicherung geltenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben berechnet und braucht daher auch ein aktuarielles Lebensversicherungsumfeld. Sie ist wie die Lebensversicherung im Übrigen nicht seitens des Versicherungsunternehmens ordentlich kündbar, §§ 150 f. VVG.

Anders verhält es sich bei manchen Mulitrisk-Produkten, die eine Grundfähigkeitsabsicherung auf Basis einer Unfallversicherung anbieten. Diese Produkte sind gemäß § 11 VVG seitens des Versicherungsunternehmens kündbar und über § 40 VVG kann eine Prämienanpassung erfolgen. Die Aufsicht nennt diese Produkte „Funktionelle Invaliditätsversicherungen“ und ordnet sie den Unfallversicherungen zu.

Besteht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit für Canada Life, und wenn ja, unter welchen Umständen?

Ein ordentliches Kündigungsrecht besteht in der Lebensversicherung nicht, so dass wir ein solches auch nicht vereinbaren können. Etwas anderes gilt im Falle des Prämienverzuges, §§ 38, 166 VVG.

Inwiefern wird Canada Life die GFV-Produkte hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten und rechtlichen Einordnung künftig handhaben?

Die Canada Life ist ein Lebensversicherungsunternehmen und darf daher nur Lebensversicherungen anbieten. Wir haben weltweit aktuelle Erfahrung mit Invaliditätsabsicherungen in der Lebensversicherung und starke Rückversicherungspartner, die uns zusätzlich mit Ihrem aktuariellen Know-how zur Verfügung stehen.

Wir glauben, dass es wichtig ist, zu unterscheiden, ob man seine Arbeitskraftabsicherung, zu der die Grundfähigkeitsversicherung neben der Berufsunfähigkeits-, Erwerbsunfähigkeits- und Schwere-Krankheiten-Versicherung zählt, bei einem Lebensversicherungsunternehmen abschließt, oder ob man eine Grundfähigkeitsversicherung auf Basis einer Unfallversicherung wählt.

Der Bundesgerichtshof hat keineswegs ausgeurteilt, die AXA-Kombirente sei keine Arbeitskraftabsicherung, denn weder das Wort „Arbeitskraft“ noch das Wort „Arbeitskraftabsicherung“ wird in dem Urteil erwähnt.

Der BGH redet von „Arbeitsfähigkeit“, denn dieses Wort steht so in § 177 Abs. 1 VVG und würde – im Falle deren Absicherung – die Anwendung der Normen über die Berufsunfähigkeit anordnen. Die Normen zur Berufsunfähigkeitsversicherung wiederum nehmen Bezug auf die Vorschriften der Lebensversicherung, so dass, bei entsprechender Anwendung des § 177 VVG, die Unfallkombirente nicht durch die AXA hätte gekündigt werden können.

Grundfähigkeitsversicherungen sichern die Arbeitsfähigkeit nicht ab, weder auf Basis einer Lebensversicherung noch auf Basis einer Unfallversicherung. Die Arbeitsfähigkeitsabsicherung erfolgt z.B. über Erwerbsunfähigkeitsversicherungen, auf die die Vorschriften der § 172 f. VVG (Berufsunfähigkeitsversicherung) aufgrund § 177 VVG anwendbar sind.

Die Lebensversicherer können weder den Tarif einfach kündigen, noch sich auf eine „einfache“ Anpassungsklausel berufen. Für die Lebensversicherungsunternehmen (LVU) gäbe es nur § 163 VVG mit seinen wesentlich höheren Hürden. Wobei auf dessen Anwendung auch von diversen LVU und auch Canada Life verzichtet wird.

Sind Versicherungsmakler bereits darüber informiert worden?

Wir haben unsere Vertriebspartner darüber informiert, dass der BGH nichts Neues ausgeurteilt hat. Canada Life ist nur insoweit betroffen, als die Makler nun sehr gründlich beraten sollten, ob die ggf. geringere Prämie bei den Unfallversicherungs-Grundfähigkeitsversicherungen, das Risiko einer Kündigung oder einfachere Prämienerhöhung, wert ist. Aus unserer Sicht spricht viel dafür, sich bei einem LVU abzusichern. Die LVU haben insoweit schlicht mehr Kompetenz.

Das sagt die NÜRNBERGER
Wie ordnet die NÜRNBERGER GFV-Produkte rechtlich ein?

Die NÜRNBERGER ordnet die Grundfähigkeitsversicherung als Lebensversicherung ein.

Besteht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit für die NÜRNBERGER, und wenn ja, unter welchen Umständen?

Für uns als NÜRNBERGER hat es oberste Priorität, für unsere Kundinnen und Kunden ein verlässlicher Partner zu sein und dauerhafte Sicherheit zu gewähren. Aus diesem Grund haben wir selbstverständlich kein ordentliches Kündigungsrecht für uns in die AVB der Grundfähigkeit eingebaut.

Inwiefern wird die NÜRNBERGER die GFV-Produkte hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten und rechtlichen Einordnung (Lebens- oder Sachversicherung) künftig handhaben?

Unser Anspruch ist es, auch zukünftig Kundinnen und Kunden, die sich für eine NÜRNBERGER Grundfähigkeitsversicherung entscheiden, verlässlicher Partner zu sein. Daher werden wir auch kein ordentliches Kündigungsrecht von Seiten des Versicherers in unsere AVB aufnehmen. Zudem werden wir die Grundfähigkeitsversicherung weiterhin als Lebensversicherung einordnen.

Sind Versicherungsmakler bereits darüber informiert worden?

Bisher haben wir noch nicht aktiv informiert. Einzelne Makler sind jedoch bereits auf uns zugegangen und wir haben diesen bereits geantwortet.

Das sagt Allianz Leben
Wie reagiert Allianz Leben auf das BGH-Urteil vom 11.12.2024?

Wir haben das am 10.01.2025 veröffentlichte Urteil des BGH vom 11.12.2024 zur Kenntnis genommen. Bei dem Urteil geht es konkret um eine Unfallversicherung eines Wettbewerbers. Wir prüfen derzeit das Urteil und die Urteilsbegründung auf grundsätzliche Wirkungen hin und werden bei unserer Bewertung auch die Einschätzungen von Verbänden und ggf. Einordnungen seitens der Versicherungsaufsicht berücksichtigen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt können wir jedoch ausschließen, dass sich das Urteil zum Nachteil der Versicherungsnehmer einer Allianz KörperSchutzPolice auswirkt.

Die Allianz KöperSchutzPolice ist ein eigenständiges Angebot für eine bestimmte Zielgruppe – für Menschen, die beruflich vor allem körperlich tätig sind. Sie sichert die Kundinnen und Kunden bei Beeinträchtigung von bestimmten körperlichen oder geistigen Grundfähigkeiten ab. Diese Eigenschaft ist Ausgangspunkt bei der Beratung zur Absicherung der Arbeitskraft. (as)