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1. Juli 2021
Schneller mit RNext: Umsetzung der Kfz-Schadenmeldung
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Schneller mit RNext: Umsetzung der Kfz-Schadenmeldung

Schneller und einfacher soll es werden mit RNext, der neuen BiPRO-Generation. Klingt für Makler erstmal weit weg, kann aber in der digitalen Kommunikation das Ende von Dateneinbahnstraßen und Fehlerquellen bedeuten. Die Allianz setzt gerade die RNext-Norm im Bereich Kfz-Schaden um und wünscht sich Mitstreiter.

Interview mit Dr. Rolf Wiswesser, Vorstand Sach-Maklervertrieb, und Nadja Werner, Referentin Maklervertrieb Vertriebsanwendungen & Digitale Prozesse der Allianz Versicherungs-AG
Herr Dr. Wiswesser, die digitale Kommunikation zwischen Versicherern und Maklerunternehmen schreitet dank BiPRO voran. Manchmal ist es aber auch etwas mühsam, oder?

Dr. Rolf Wiswesser: BiPRO ist ein Erfolg. Der Standard wird von allen Beteiligten akzeptiert und angewendet. Mit BiPRO RNext folgt nun die nächste Generation. Beim bisherigen BiPRO-Klassik-Standard hat man ein Datenformat erzeugt, das viele Freiräume in dem Sinne zulässt, dass immer noch eine Eins-zu-eins-Umsetzung erforderlich ist. Das bedeutet, jeder Versicherer muss mit jedem Kunden über die Schnittstelle sprechen und individuell programmieren. Das birgt große Komplexität.

Bei RNext sprechen wir von einem Stecker, der überall passt. RNext verwendet eine andere Technologie, nämlich eine API-Schnittstelle. Wenn wir dort zum Erfolg kommen, haben wir die Chance, dass wir mit einem einheitlichen Format marktweit arbeiten. Daraus ergeben sich deutliche Kosten- und Geschwindigkeitsvorteile.

Bedeutet das, dass auch kleinere Maklerbetriebe leichter angeschlossen werden können?

Dr. Rolf Wiswesser: RNext wird das für alle deutlich erleichtern. Aber natürlich spielt in den Maklerbetrieben nicht nur die Schnittstelle zum Versicherer eine Rolle, sondern es ist auch eine Frage von Beratungsqualität und Datenhaushalt. Aber RNext würde die Anbindung an Maklerportale, Vergleicher, Tools oder auch die Direktanbindung deutlich einfacher machen. Die Idee ist: Ein Maklerbetrieb möchte mit seinem Maklerverwaltungsprogramm (MVP) den Kontakt zu 20 verschiedenen Versicherern herstellen und dafür ist nur ein Stecker notwendig. Ich denke, das macht das Leben auch für kleinere Maklerbetriebe sehr viel leichter und natürlich auch kostengünstiger.

Sie müssen uns noch etwas näher an RNext heranführen. Lange stand bei BiPRO das Neugeschäft im Vordergrund, nun geht es auch um Bestandspflege und Schadenbearbeitung?

Nadja Werner: Zunächst bietet RNext eine grundsätzlich neue und agilere Art der Zusammenarbeit. Wir sind in den entsprechenden Projekten nicht nur kunden- und verwaltungsseitig unterwegs, sondern sowohl mit Technikern als auch mit Fachexperten. So haben wir von Anfang an ein gemeinsames Verständnis für den Prozess entwickelt und ihn zu Ende betrachtet. Das heißt, wir haben kein Norm-Dokument entwickelt, bei dem man für den nächsten Schritt ein weiteres Norm-Dokument braucht. Stattdessen haben wir den Kraft-Schadenprozess komplett durch­gedacht und letztlich einen Code entwickelt. Ein Entwickler bei einem Versicherer kann sich also diese API nehmen und direkt bei sich im Haus umsetzen. So kommt es zu viel weniger Interpretationsfehlern.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Nadja Werner: Ja, konkret geht es um Kraft-Schaden: Wir haben diese API für den Bereich Kraft-Schaden sowohl für Teil- und Vollkasko als auch für Haftpflicht implementiert. Der Prozess ist end-to-end, das heißt, wir sprechen von der Schadenmeldung des Maklers zum Versicherer, aber auch von den entsprechenden Rückmeldungen zum Makler. Der Makler bekommt also automatisiert über diese Schnittstelle die Schadennummer des Versicherers, den zuständigen Sachbearbeiter, aber auch Statusmeldungen wie beispielsweise „Sachverständiger beauftragt“ oder „Zahlung erfolgt“ bis hin zu „Schaden geschlossen“.

Das Kraft-Schaden-Thema ist also das erste Projekt, das umgesetzt wurde?

Nadja Werner: Wir haben im RNext-Umfeld mehrere Pilotprojekte. RNext Kraft-Schaden ist eines davon, bei dem ich mitgearbeitet habe.

Und bei der Allianz läuft das nun schon?

Nadja Werner: Auch das ist ein großer Unterschied zum bisherigen Standard. Wir haben bereits während der Entwicklung dieser API damit begonnen, sie in den einzelnen Häusern zu implementieren. Darauf liegt ein großer Fokus in diesen RNext-Projekten. Wir haben das große Glück, dass wir hier unter anderem auf Maklerseite die Ecclesia-­Gruppe gewonnen haben, mit der wir gerade in den Produktivgang starten. Die Tests sind erfolgreich abgeschlossen.

Was sind die nächsten Projekte?

Nadja Werner: Zum einen arbeiten wir in diesem Projekt an der Weiterentwicklung der Norm. Wir arbeiten aktuell an der Modellierung von weiteren Geschäftsprozessen, beispielsweise den Prozess einer Nachmeldung. Dann könnte beispielsweise der Bereich Sach folgen. Aber da muss natürlich im Rahmen der BiPRO ein solches RNext-Projekt angegangen werden. Es müssen sich wieder Anwender und Anbieter finden, die das Projekt gemeinsam gestalten.

Ist bei Kfz der Druck einfach am höchsten?

Dr. Rolf Wiswesser: Ausschlaggebend war das Interesse der Makler, die zunächst das Thema Kraft-Schaden adressiert haben. Das ist auch nachvollziehbar, denn aus Sicht der Fallzahlen ist das der Bereich mit dem größten Hebel. Gerade in der Schadenabwicklung rund um das Kfz ist das Kundeninteresse an aktuellen Informationen besonders ausgeprägt. Das ist wie bei Amazon und den Kunden. Diese wollen wissen, wo das Paket zu welchem Zeitpunkt ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Kunden morgen diese Erwartungshaltung auch an Versicherer und an Makler haben. Sie wollen wissen, was passiert und wann es passiert.

Wir würden sagen, dass damit eine Forderung der Makler erfüllt wird. Es klingt jetzt aber so, als ob das Maklerinteresse erst gefunden werden muss. Ist das Maklerunternehmen die Schwachstelle in der Digitalisierungskette?

Dr. Rolf Wiswesser: Das Interesse der Makler ist da. Es sind ja bereits Maklerhäuser beteiligt. Und auch die Dienstleister und MVP-Hersteller greifen das Thema auf. Aber alles ist eine Frage der Ressourcen und Prioritäten. Ich habe mit größeren Maklerhäusern gesprochen und da sagen alle Beteiligten, dass sie das unbedingt wollen, aber sich ansehen müssen, was das für sie und ihre Betriebssysteme konkret bedeutet und welcher Aufwand entsteht. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Schlankheit der neuen technischen Lösung die Makler überzeugt.

Und wie sieht es auf Versichererseite aus? Geht die Allianz hier allein voran?

Dr. Rolf Wiswesser: Die Frage, welche Versicherer sich anschließen, wird sich sehr schnell klären. Dieser Normierungsstandard muss bei BiPRO noch durch ein Gremium. Danach steht es allen zur Verfügung. Üblicherweise werden die großen Adressen zuerst umsetzen, weil der Hebel dort der größte ist.

Nadja Werner: Das Maklerhaus Ecclesia setzt auf RNext. Sie haben sehr aktiv mitgearbeitet und machen das auch weiterhin. Ich denke, das zeigt, dass wir hier einen sehr großen Nutzen für ein solches Maklerhaus schaffen. Und noch einmal zum Thema Normierung: Wir befinden uns aktuell tatsächlich im Normierungsprozess. Das Thema RNext ist in der BiPRO auch neu. Wir brauchen also im Normierungsprozess ein neues Vorgehen und neue Werte, die dahinterstehen. Da befinden wir uns mittendrin. Das Ergebnis wird sein, dass wir in einem ersten Schritt den Status einer vorläufigen RNext-Norm bekommen und damit dem Markt beweisen können, dass es längst keine Spielwiese oder kein Ausprobieren mehr ist, sondern tatsächlich produktiv läuft.

Wir haben bei Bekanntmachung von RNext auch ein Raunen gehört. Nach dem Motto: schon wieder was Neues.

Dr. Rolf Wiswesser: Im Beirat von BiPRO wurde der Beschluss getroffen, dass wir für neue BiPRO-Normen grundsätzlich die RNext-Technologie verwenden. Zur Frage, wie schnell die Häuser bestehende und entwickelte Standards implementieren, kann man nur Mutmaßungen anstellen. Meine Vermutung ist, dass es aufgrund der Vorteile bei der Umsetzung diesmal deutlich schneller gehen wird, als es bei den BiPRO-Klassik-Formaten der Fall war. Wenn alle Beteiligten erst mal verstanden haben, wie diese RNext-Technologie funktioniert, und sich darauf einlassen, dann wird das recht schnell gehen.

Nadja Werner: Der entscheidende Vorteil ist, dass kein Dokument ins Haus kommt, das erst mal durch die Fachabteilungen wandert und mit dem Entwickler besprochen werden muss, welche Attribute aus dem riesigen Datenmodell herangezogen werden müssen und welche Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Attributen in diesem BiPRO-Datenmonolithen bestehen. Das fällt komplett weg. Der Entwickler drückt aufs Knöpfchen und er erhält den auslieferbaren Code. In der API ist alles ausformuliert und somit ist klar, was mit den jeweiligen Attributen gemeint ist und was deren Bedeutung ist. Aber nichtsdestotrotz muss man die Backendsysteme entsprechend anbinden, und das ist je nachdem, wie weit in einem Haus die Prozesse und Backendsysteme aufgebaut sind, mehr oder weniger Aufwand.

Kann man unser Gespräch als Aufruf verstehen, dass sich mehr Versicherer beteiligen und die Projekte umsetzen?

Nadja Werner: Auf jeden Fall, sehr gerne. Unsere Motivation ist zu zeigen, dass es ein einfacherer und fehlerfreier Prozess ist, der Systemen ermöglicht, sich automatisiert auszutauschen.

Nun heißt es, dass die Corona-Zeit ein Beschleuniger der Digitalisierung ist. Können Sie das feststellen?

Dr. Rolf Wiswesser: Wir erleben im Allgemeinen eine Beschleunigung. Zur Digitalisierung gehören aber viele Facetten. Da geht es um Datenaustausch und Interaktion mit Versicherern, um Kommunikation, Leadgenerierung, Kundenbetreuung und Beratung. Es geht auch darum, neue Technologien zu implementieren, mit denen man Daten viel effizienter nutzen kann. Und es geht auch um das heute selbstverständliche Nutzen von Videokonferenzen. Die Pandemie zeigt den Maklerunternehmen und Versicherern in einer deutlichen Form, wie wichtig es ist, die Digitalisierung voranzutreiben und vor allem darin auch den Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Mitbewerber zu suchen. Es ist nicht mehr nur eine Frage des Preises oder des Wordings. Es geht auch um die reibungslose Interaktion mit dem Kunden und die fortlaufende Versorgung mit Information über diverse Kanäle. Der Kunde wird bereit sein, einen Preisaufschlag zu akzeptieren, wenn er dafür einen sehr schlanken und einfachen Prozess erhält.

Nadja Werner: Vor allem im Bereich elektronische Dokumente hat man deutlich mehr Schwung erlebt. Allein die Tatsache, dass einzelne Dokumente in den Filialen nicht mehr bearbeitet werden konnten, weil die Mitarbeiter im Home-Office waren. Das ist eine spürbare Entwicklung, dass hier wesentlich mehr Bewegung in das Thema Dokumentenbearbeitung kommt.

Zu RNext

Das Brancheninstitut BiPRO erstellt im Austausch mit Versicherern, Maklern und Dienstleistern Normen für die digitale Kommunikation und den digitalen Datenaustausch in der Versicherungswirtschaft. RNext ist die neue Release-Generation der BiPRO. Mit ihr sollen Arbeitsprozesse schlanker und serviceorientierter werden. Möglich machen dies der Einsatz neuer Technologien, neue fachliche Designprinzipien und eine agilere Arbeitsweise, die nach den Prinzipien der Open-Source-Entwicklung funktioniert.

In verschiedenen Projekten beschäftigen sich RNext-Gruppen beispielsweise mit Themen wie bAV, Bestand, Industrie oder eben „Schaden Kfz“, über das Dr. Rolf Wiswesser und Nadja Werner von der Allianz in diesem Interview Auskunft geben. Beim Marktführer startet demnächst der Produktivbetrieb der implementierten BiPRO-RNext-Kraft-Schaden-API in der Zusammen­arbeit mit der Ecclesia Maklergruppe.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2021 und in unserem ePaper.

Bild oben: © Tierney – stock.adobe.com

 
Interview mit
Nadja Werner
Dr. Rolf Wiswesser