Die Hausratversicherung dient dazu, die Sachwerte innerhalb des Haushalts abzusichern. Ein Fallstrick kann sich dann auftun, wenn der Versicherungsnehmer seinen Schlüssel verloren hat oder dieser entwendet wurde. Ob und unter welchen Umständen nach Entwendung des Schlüssels noch Versicherungsschutz für den Hausrat besteht, hat nun ein aktuelles Urteil des Kammergerichtes Berlin (KG) vom 29.03.2022 (Az. 6U 125/19) beschäftigt.
Der Sachverhalt vor dem Kammergericht
Der klagende Versicherungsnehmer begehrte von seinem Hausratversicherer Ersatzleistungen. Der Kläger ist selbstständiger Getränkefachhändler und liefert auch aus. Während einer Lieferfahrt soll ihm seine Aktentasche aus seinem Fahrzeug entwendet worden sein. Hierin befand sich sein Wohnungs- und Tresorschlüssel sowie ein Nachweis seiner Wohnanschrift. Es wurden kurz darauf Sachwerte im Wert von 60.000 Euro aus seinem Tresor entwendet.
Nach den Versicherungsbedingungen besteht Versicherungsschutz bei Einbruchdiebstahl. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn der Täter mit einem falschen Schlüssel eindringt. Der Schlüssel ist auch dann „falsch“, wenn ein richtiger Schlüssel benutzt wird, den der Einbrecher durch einen Diebstahl an sich gebracht hat, es sei denn der Versicherungsnehmer hat diesen Diebstahl durch Fahrlässigkeit ermöglicht.
Die rechtliche Wertung des Kammergerichts
Unstrittig kam es zu einer bedingungsgemäßen Entwendung von Sachwerten aus einem versicherten Tresor. Hierzu nutzte der Einbrecher nach den Feststellungen auch den passenden Schlüssel. Insoweit ist der Einbruchsdiebstahl bedingungsgemäß, denn der passende Schlüssel gilt auch als falsch, wenn er dem Versicherungsnehmer abhandengekommen ist. Der Einbrecher nutzte damit einen „falschen“ Schlüssel.
Zulasten des Versicherungsnehmers musste allerdings geklärt werden, ob er den Diebstahl des Schlüssels durch Fahrlässigkeit ermöglicht hatte. Diese sogenannte „erweiterte Schlüsselklausel“ in der Hausratversicherung sorgt oft dafür, dass Versicherte nach einem Wohnungseinbruch leer ausgehen, wenn sie durch fahrlässiges Verhalten den Diebstahl des Wohnungsschlüssels begünstigt haben. Wenn dem so wäre, dann wäre der Versicherungsschutz im vorliegenden Fall ausgeschlossen. Der Versicherte ließ die Tasche mit seinen Schlüsseln, die den direkten Zugang zu seinen Sachwerten ermöglichen, offen auf seinem Fahrersitz liegen. Daher basiere das Eindringen in die Wohnräume auf einem fahrlässigen Verhalten des Versicherten, so das KG.
Unwirksamkeit der erweiterten Schlüsselklausel?
Der Versicherungsschutz würde also nur dann bestehen, wenn die erweiterte Schlüsselklausel seitens des Versicherers unwirksam wäre. Das Gericht erörterte daher, ob die Klausel eine unzulässige Abweichung von der verschuldensabhängigen Leistungskürzung des § 28 VVG darstellt. Die Versicherungsleistung darf nämlich nur nach der Schwere des Verschuldens gekürzt werden, wenn dem Versicherungsnehmer durch eine Klausel eine Verhaltenspflicht auferlegt wird. Eine vollständige Leistungsfreiheit für fahrlässiges Verhalten wäre indes gesetzeswidrig. Allerdings stellte die Klausel des Versicherers keine solche Verhaltenspflicht auf, sondern beschränkt das Einstandsrisiko des Versicherers – sogenannte primäre Risikobegrenzung. Der Versicherer darf infolgedessen selbst festlegen, unter welchen Umständen der Versicherungsfall eintritt. Nach alledem stellt das Eindringen in die Wohnräume angesichts des fahrlässigen Verhaltens vonseiten des Versicherten keinen versicherten Einbruchsdiebstahl dar, so das KG.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die rechtlichen Wertungen der sogenannten „erweiterten Schlüsselklausel“ birgen häufig Konfliktpotenzial. Ein Ausschluss der Leistungspflicht, wenn der Versicherungsnehmer fahrlässig den Einbruch ermöglicht hat, ist rechtswirksam. Ob ein Versicherungsnehmer fahrlässig gehandelt hat, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Deswegen sollte umgehend nach einem Einbruchereignis ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Abwicklung des Versicherungsverfahrens betraut werden.
Weiterführende Informationen
Weitere Informationen und Rechtsprechung sind themenspezifisch unter „Hausratversicherung“ zusammengefasst. Ein mit den Schlüsselklauseln vergleichbares Risiko bildet sich bei der sogenannten „Tresorklausel“ ab.
Über den Autor
Björn Thorben M. Jöhnke ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow. Außerdem ist er Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und für Informationstechnologierecht.
Bild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com
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