Die Altersversorgung ist angesichts der Alterung in Deutschland ein gesellschaftsrelevantes Thema. Die unterschiedlichen Formen der Versorgung sichern das Langlebigkeitsrisiko ab und schützen vor Altersarmut. Doch die Altersversorgung bekommt Druck. Der Grund: Die dynamische Inflationsentwicklung. Erst im Oktober wurde mit einer Teuerungsrate von 10,4% der höchste Wert seit über 70 Jahren registriert – ein Zeitraum, der hierzulande fast einem kompletten Menschenleben entspricht. Deutlich höhere Preise für Energie und Lebensmittel knabbern aber an der Kaufkraft der Privathaushalte, die finanziellen Spielräume engen sich mit Blick auf die Sparvorgänge ein. Bleibt den Menschen in dieser Phase überhaupt genug Geld für die Altersversorgung übrig? Und können Versicherte ihre Beiträge beispielsweise in der bAV noch leisten?
Stimmung in der Bevölkerung auf Tiefststand
Zumindest die Stimmung beim Thema „Altersversorgung“ unter den Versicherten scheint sich abgekühlt zu haben. Der Deutsche Altersversorgung-Index (DIVAX-AV), der vom Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) halbjährlich erhoben wird, ist bereits zum vierten Mal in Folge gefallen. Der Index holt ein Stimmungsbild der Bevölkerung zur Absicherung im Alter ein. Seine Werte können zwischen 100 und −-100 liegen. Der neue Tiefstand vom Oktober 2022 liegt nun bei −5,4. Und die DCS Deutsche Clearing-Stelle (DCS) – einem Dienstleister für die Verwaltung von Produkten rund um die betriebliche Altersversorgung (bAV) in Unternehmen – berichtet, dass die Zahl der Beitragsfreistellungen und Anträge in der bAV auf vorzeitige Auflösung im Jahr 2022 bisher um rund das Doppelte gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist. Und auch die Aussichten seien laut DCS wenig rosig: Denn die Tendenz im vierten Quartal zeige deutlich in Richtung weiter rückläufiger Einzahlungen in die bAV.
AssCompact holt sich Markteinschätzung ein
Streichen die Arbeitnehmer angesichts der Inflation also ihre bAV-Einzahlungen tatsächlich zusammen? Wie ist das Verhältnis zwischen Beitragsfreistellungen und vorzeitigen Kündigungen? Und was bieten bAV-Anbieter ihren Versicherten an, um finanzielle Engpässe abfedern zu können? AssCompact hat sich ein Stimmungsbild in der Branche eingeholt und dafür die Maklerfavoriten in der Sparte bAV aus der diesjährigen Studie „AssCompact AWARD – betriebliche Altersversorgung 2022“ um eine Einschätzung gebeten.
bAV gilt als vergleichsweise krisenfest
Hinsichtlich des Stimmungsbildes verspüren die Versicherer mittlerweile durchaus, dass viele Menschen in Deutschland angesichts der Lage verunsichert sind, sich Sorgen über künftige Belastungen machen und hinsichtlich ihrer finanziellen Entscheidungen zunehmend zurückhaltend sind. In diesem Punkt stimmt die oben genannte Studie mit der Einschätzung seitens der Versicherer überein. Mit Blick auf konkrete Zahlen sieht die Lage bei den befragten Versicherern indes positiv aus. Unisono sprechen die Anbieter von einem weiterhin guten bis sogar sehr guten Altersversorgungsgeschäft. „Bei der Stückzahl an Neuabschlüssen verzeichnen wir bis heute einen Zuwachs von rund 55% im Vergleich zum Vorjahr“, heißt es etwa in der Antwort an AssCompact vom VOLKSWOHL BUND. Auch bei Alte Leipziger liegen die Neuzugänge in der Direktversicherung über dem Vorjahresniveau. Ähnlich äußern sich Allianz, Nürnberger und Canada Life.
Als Grund für diese weiterhin positive Entwicklung wird von den Versicherern übereinstimmend der Wandel hin zu einem Arbeitnehmermarkt genannt. Eine bAV biete Arbeitgebern in Zeiten des Fachkräftemangels nämlich ein bedeutendes Instrument zur Mitarbeitergewinnung. Außerdem sei die bAV laut den befragten Anbietern ein vergleichsweise krisenfestes Produkt. Schließlich profitieren Versicherte durch staatliche Fördermöglichkeiten und Zusatzbeiträge seitens des Arbeitgebers.
Zahlungsstopps stagnieren auf Vorjahresniveau
Und wie ist die Lage hinsichtlich Zahlungsstopps und vorzeitiger Kündigungen? Grundsätzlich sei eine Kündigung eines bAV-Vertrages nur unter ganz besonderen Umständen möglich, erklärt etwa die Nürnberger. So müsse einer Kündigung zum Beispiel immer auch der Arbeitgeber zustimmen. Insgesamt würden in der bAV daher deutlich mehr Verträge beitragsfrei gestellt als vorzeitig aufgelöst, berichtet Matthias Sattler, Vertriebsleiter der Alte Leipziger Lebensversicherung. Bei Canada Life wiederum sind in der Regel nur etwa 7% der Zahlungsstopps durch eine vorzeitige Auflösung verursacht – und dieses Verhältnis bleibe auch in der aktuellen Situation unverändert. Und auch bei den Zahlungsstopps berichten die Anbieter von keinen außergewöhnlichen Vorgängen. „Was die Zahlungsstopps […] angeht, so haben wir in den letzten Monaten keine außergewöhnlichen Entwicklungen gegenüber dem Vorjahr festgestellt. Wir haben bis Ende Oktober deutlich weniger Stundungen als im Vorjahreszeitraum registriert und liegen auch insgesamt bei weniger Zahlungsstopps als im Vorjahreszeitraum“, erläutert Sattler weiter. Zusammenfassend scheinen die Zahlungsstopps zumindest bei den befragten Gesellschaften also nicht weiter ins Gewicht zu fallen.
Versicherer signalisieren Flexibilität
Nichtsdestotrotz gibt es auch mahnende Stimmen. Die Branche sei sich bewusst, dass insbesondere im nächsten Jahr angesichts der wirtschaftlichen Lage mitsamt den Rezessionsgefahren größere Herausforderungen am Standort Deutschland zu meistern seien. Davon werde sich auch die bAV nicht abkoppeln können, schätzen sie. Daher werde es Versicherte geben, die aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten Unterstützung benötigen. Doch was bieten die befragten Unternehmen an? Zusammenfassend können die Beiträge – auch mehrmals während der Laufzeit – abgesenkt oder – wie oben bereits beschrieben – eben beitragsfrei gestellt werden. Die Vertriebspartner seien darüber entsprechend informiert worden, heißt es. So ist beim VOLKSWOHL BUND der Zeitraum für Beitragsaussetzungen erst kürzlich von 12 auf 15 Monate verlängert worden. Alte Leipziger bietet an, im Falle von Kurzarbeitergeld den Vertrag bis zu 24 Monate, beim Ausfall von Sonderzahlungen durch den Arbeitgeber oder bei privaten Sonderbelastungen bis zu zwölf Monate beitragsfrei zu stellen. Gleiches gilt für entgeltlose Phasen wie Arbeitslosigkeit und Krankheitszeiten. Insgesamt signalisieren die Versicherer also Flexibilität und betonen, dass es für jeden individuellen Einzelfall auch eine passende Lösung geben werde. (as)
Bild: © Cagkan – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können