Höhere Preise für Lebensmittel und Mobilität, drastisch gestiegene Vorauszahlungen für Gas und Strom: Die Teuerung hat Deutschland fest im Griff. Vertraut man den Prognosen renommierter Wirtschaftsforschungsinstitute, dann soll es im nächsten Jahr noch dicker kommen. Laut ifo-Institut soll 2023 die Jahresteuerungsrate 9,3%, laut Institut für Weltwirtschaft (IfW) soll sie 8,7% betragen. Die Inflation wird also noch schlimmer. Und nun kommen auch noch die Versicherer.
Denn die Gesellschaften werden in vielen Versicherungssparten die Prämien zum Teil deutlich nach oben schrauben. So sind auch bereits viele Maklerhäuser über eine Prämienanpassung zum Jahresbeginn 2023 informiert. „Dies zieht sich von der Kfz-Versicherung über die Sach- und Haftpflichtversicherung bis hin zur Rechtsschutzversicherung nahezu durch jede Versicherungsart“, erläutert etwa Marco Schulz, Vorstand und Managing Partner bei der AdVertum AG Versicherungsmakler. Grundsätzlich, so Schulz weiter, sei auch festzustellen, dass die Versicherer tendenziell in schlechten wirtschaftlichen Zeiten mehr Prämienerhöhungen anstreben als in guten Wirtschaftsphasen.
Steigende Baupreise, steigende Prämien
Die Prämien für die Wohngebäudeversicherung scheinen besonders davon betroffen zu sein. Der Grund ist schnell ausgemacht, zumindest für die Versicherer: Denn gerade seit Beginn des Jahres 2021 sind die Baupreise für Wohngebäude regelrecht explodiert, wie AssCompact bereits berichtete. So sind die Baupreise für Wohngebäude nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Mai 2022 um 17,6% gegenüber Mai 2021 gestiegen und markieren damit den höchsten Anstieg der Baupreise seit Mai 1970. Diese enorme Kostensteigerung bleibt nicht ohne Folgen für die Versicherungswirtschaft, denn sie treibt die Preise für Reparaturen und die Wiederherstellung von Gebäuden ordentlich nach oben.
Durch die bevorstehende Anpassung des Baupreisindexes und die Anpassung des gleitenden Neuwertfaktors haben die Versicherer nun bereits Anpassungen in Höhe von etwa 15% angekündigt. Dazu kommt noch die Katastrophe an Ahr und Erft im Sommer des vergangenen Jahres. Das Unglück ging zunächst vorwiegend in die Bücher der Rückversicherer und wird nun erst mit einem Jahr Verzögerung auch an die Erstversicherer weitergereicht. „Nimmt man dann noch je nach Versicherer eine gestiegene Schadenquote dazu, kann die Prämienerhöhung noch heftiger werden. Eine Anpassung von bis zu 20% im Einzelfall würde daher nicht überraschen“, schätzt Michael Reeg, Geschäftsführer bei Hoesch & Partner GmbH Versicherungsmakler. Manche Makler erwarten auf AssCompact-Anfrage sogar 30% und mehr.
Kfz: Trotz guter Schaden-Kosten-Quote weitere Prämienanhebungen
Nicht anders ist die Situation im Kfz-Bereich. Auch hier versuchen die Versicherer die vorhandenen Kostensteigerungen durch Beitragserhöhungen aufzufangen. Die Kostensteigerungen seien aber auch im Kfz-Bereich nicht allein den höheren Energiekosten geschuldet. Dazu gesellen sich steigende Kosten bei Ersatzteilen. So seien laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) Rückleuchten, Motorhauben und Windschutzscheiben in den vergangenen zwölf Monaten deutlich teurer geworden. Aber auch steigende Kosten bei Gehältern, die zunehmende Häufigkeit von Elementarereignissen sowie unterbrochene Lieferketten bei Ersatzteilen durch Corona und den Krieg in der Ukraine treiben die Schadenkosten der Versicherer und damit auch die Prämien an.
Dabei hätten die Kfz-Versicherer in den vergangenen zwei Jahren so gut verdient wie seit Jahren nicht mehr. Grund war die Pandemie. Autofahrer waren weniger unterwegs, es gab weniger Unfälle. Laut GDV zahlten Autobesitzer 2021 29 Mrd. Euro an Prämien für ihre Absicherung. Davon gaben die Gesellschaften 24,3 Mrd. Euro für Schäden aus, dazu kommen noch Verwaltung und Vertrieb. Dennoch: Die Schaden-Kosten-Quote beträgt seit vielen Jahren deutlich unter 100. Was die Frage aufwirft, inwiefern die Steigerungen wirklich gerechtfertigt sind.
Die Erfahrungen der Maklerhäuser
Und welche Erfahrungen machen die Maklerhäuser in dieser angespannten Marktsituation? „Wir erleben zum Beispiel Änderungskündigungen und neuerdings auch die Ablehnung von üblichen Kündigungsfristverkürzungen häufiger als in den Vorjahren“, berichtet etwa Thomas Billerbeck, Geschäftsführer bei einem unabhängigen Versicherungsmakler. Und das Vorgehen seitens der Versicherer scheint auch teilweise wenig verständlich zu sein. Die Makler fordern von den Versicherern daher eine höhere Transparenz bei der Berechnung der Erhöhungen. Schon allein deshalb, damit die drastischen Prämienanpassungen den Versicherten nachvollziehbar erläutert werden könnten. Angesichts der Breite der Prämienerhöhungen im Markt bleibe den Kunden auch kaum eine Alternative für ihre Vermeidung, denn auch die Mitbewerber ziehen mit ihren Prämien nach – der eine Versicherer mehr, der andere Versicherer weniger und mit Augenmaß, erklärt Burkhard Brämer, geschäftsführender Gesellschafter bei bauass Versicherungsmakler GmbH + Co. KG, die Dynamik im Markt. Es gibt unterdessen aber auch relativierende Stimmen in der Branche. „Seitdem ich in der Branche arbeite, gibt es immer wieder diese Wellenbewegungen nach oben oder nach unten. Und derzeit empfinde ich es auch nicht anders“, meint etwa Michael Richthammer, langjähriger Geschäftsführer eines mittelständischen Maklerhauses. Insgesamt könne sein Maklerhaus noch keine Tariferhöhungen über das übliche Maß hinaus feststellen.
Und was nun nicht geschehen sollte
Was indes keinesfalls geschehen sollte, ist, dass Versicherte nun am Versicherungsschutz sparen, zum Beispiel durch die Absenkung der Versicherungssumme. Dies berge immense Risiken für den Versicherten, weiß Andreas Vollmer, geschäftsführender Gesellschafter bei Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG und Vizepräsident beim Bundesverband der deutschen Versicherungskaufleute e. V. (BVK). Denn dieser Eingriff werde seitens des Versicherers mit dem Entzug der Gewährung des Unterversicherungsverzichts sanktioniert. Die Versicherungssumme entspreche dann nicht mehr der Höhe, die durch einen Wertermittlungsbogen oder durch Umrechnung aus tatsächlichen Baukosten oder durch Ermittlung eines Sachverständigen zustande gekommen sei. Die Konsequenz: Schäden werden nur noch in Höhe der Unterversicherungsquote entschädigt und damit nicht mehr zu 100%. Vollmer empfiehlt stattdessen, Optionen für eine Erhöhung der Selbstbeteiligung zu prüfen. Diese würden häufig mit einer Prämienreduktion von 5% bis 25% goutiert werden. Bereits mit einer fest vereinbarten Selbstbeteiligung von 500 Euro könne so bei der Prämie ein Teil der Erhöhung kompensiert werden. (as)
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