Ein Kommentar von Frank Rottenbacher, AfW-Vorstand
Zunächst: Die Bundesregierung möchte sich noch nicht festlegen, ob sie das durch Brüssel vorgeschlagene Provisionsverbot nun gut oder schlecht findet. Gleich mehrfach weist sie in ihren Antworten auf diesen Fakt hin. Das klingt leider noch nach größerem Abstimmungsbedarf zwischen den Ampel-Koalitionären und ich drücke unserer Branche die Daumen, dass die Entscheidung aufgrund von Fakten getroffen werden wird. Eine Katastrophe wäre: Es gibt im Kanzleramt zum Beispiel eine Runde der Fraktionsvorsitzenden und es kommt zu irgendwelchen Deals: „Gibst Du mir das Verbrenner-OK, bekommst Du dafür das Provisionsverbot.“ Auszuschließen ist ein solches Szenario nicht. Und allein das kann einem Sorgen bereiten.
Würde die Bundesregierung in ihrer Gänze das bitte zur Kenntnis nehmen?
Schaut man sich jedoch die Fakten und Statements an, die die Bundesregierung veröffentlicht hat, entdeckt man Erstaunliches. Zum Beispiel: Im BaFin-Register der unabhängigen Honorar-Anlageberater sind derzeit 18 Kredit- und Wertpapierinstitute gelistet. Nach den der BaFin vorliegenden Zahlen ist das durchschnittliche Anlagevolumen 552.000 Euro pro Kunde. Da muss selbst die Bundesregierung von „sehr vermögenden Privatkunden“ sprechen. Honorarberatung scheint somit quasi ausschließlich Besserverdiener besonders anzusprechen und gar nicht den „Otto-Normalverbraucher“. Würde die Bundesregierung in ihrer Gänze das bitte zur Kenntnis nehmen? Dass sich die Honorarberatung noch nicht durchgesetzt hat, wird auch an der nächsten Zahl deutlich: Bundesweit gibt es zusätzlich 306 registrierte Honorar-Finanzanlagenberater mit Zulassung nach Paragraf 34h Gewerbeordnung. Von Marktdurchdringung kann man somit wirklich nicht sprechen.
Wieso Niederlande?
Kommen wir zu den Niederlanden. Niederlande? Wieso Niederlande? Weil es dort schon ein Provisionsverbot gibt und daher alle auf dieses kleine Land schauen. Dort passierte schon, was bei einem Provisionsverbot auch in Deutschland zu erwarten wäre: Das beratungsfreie Geschäft steigt an, weil sich nur noch wenige einige Beratung leisten wollen – oder können. Die Bundesregierung formuliert das so: „Beispielsweise kann der dort nach Informationen der BaFin zu beobachtende Anstieg des beratungsfreien Geschäfts (einschließlich reinem Ausführungsgeschäft, sog. Execution-only) aus Sicht des Verbraucherschutzes durchaus kritisch gesehen werden, da es regulatorisch ein niedrigeres Schutzniveau bietet und deshalb ein besonderes Maß an Finanzkompetenz voraussetzt.“ Kann ein Provisionsverbot zu weniger Verbraucherschutz führen? Die Bundesregierung hält das für möglich, weil sie für ein funktionierendes „Execution Only Geschäft“ Finanzkompetenz – zum Glück – für sinnvoll hält: „Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass die automatisierte Finanzportfolioverwaltung nicht für jeden Kleinanleger geeignet ist, da sie eine hinreichende Finanzkompetenz voraussetzt, und der Kleinanleger ein Verständnis dafür haben muss, was die Finanzportfolioverwaltung leisten und auch nicht leisten kann, und was ihre Chancen und Risiken sind.“
Eine fast verrückte Frage
Kommen wir daher am Ende zu einer fast verrückten Frage: Ist die Regulierung, ist ein Provisionsverbot überhaupt nötig? Oder, wie die CDU es in ihrer kleinen Anfrage formuliert: „Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, nach denen die Provisionen in Deutschland systematisch zu einer für den Verbraucher unvorteilhaften Beratung führen?“ Wenn diese Frage die erste der insgesamt 34 Fragen gewesen wäre, hätte man sich die restlichen 33 vielleicht schenken können. Denn die Antwort der Bundesregierung – und sie nimmt sicherheitshalber die BaFin mit hinzu – lautet: „Der Bundesregierung liegen, ebenso wie der BaFin, keine diesbezüglichen eigenen Erkenntnisse für den deutschen Markt vor. Ein Gutachten hierzu ist derzeit nicht in Planung.“
Vielleicht sollte der Vollständigkeit halber noch ergänzt werden, dass in Anbetracht von ca. 36.000 registrierten Finanzanlagenvermittlern und ca. 46.000 registrierten Versicherungsmaklern die Beschwerdequoten bei den jeweiligen Ombudsstellen seit Jahren statistisch ungefähr bei null liegen.
Fazit: Das gibt die Bundesregierung selbst in dem sie schreibt: „Jede Art der Anlageberatung hat Vor- und Nachteile, die der Anleger im Einzelfall gegeneinander abwägen und denen die Aufsicht bei ihrer Tätigkeit Rechnung tragen muss.“ Genau. Lassen wir doch einfach dem Kunden die Wahl, welche Form er bevorzugt. Man könnte das auch als Marktwirtschaft beschreiben.
Hier steht die schriftliche Antwort der Bundesregierung an die Unions-Bundestagsfraktion zum Download für Verfügung.
Bild: © Frank Rottenbacher
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