Bei einer privaten Rentenversicherung spielt der Rentenfaktor eine maßgebliche Rolle für die Höhe der späteren Rentenzahlung. Als Rechengröße gibt er üblicherweise an, wie hoch die vom Versicherer gezahlte monatliche Rente je 10.000 Euro ist. Reduziert ein Versicherer den Rentenfaktor, fällt folglich die lebenslange Rentenzahlung kleiner aus. Doch genau das haben verschiedene Lebensversicherer getan, worüber nun in verschiedenen Gerichtsverfahren gestritten wird.
Eine Änderung des Rentenfaktors ist in der Ansparphase möglich, wenn die Vertragsbedingungen dies zulassen und ein unabhängiger Treuhänder die Voraussetzungen für eine Änderung als erfüllt ansieht – beispielsweise einen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung oder, wie in den vergangenen Jahren der Fall, gesunkene Zinsen, so erklären dies die Versicherer.
Keine einheitliche Rechtsprechung
Verbraucherschützer beanstanden dagegen Klauseln, die dem Versicherer die Möglichkeit geben, den Rentenfaktor einseitig herabzusetzen. In einem Urteil vom 10.07.2023 in einem Verfahren der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Allianz Lebensversicherung folgte das Landgericht Stuttgart (Az: 53 O 214/22) diesem Argument aber nicht. Das Gericht entschied zugunsten der Allianz: Die beanstandete Klausel hält nach der Entscheidung des Gerichts einer Inhaltskontrolle stand und ist nach Ansicht des Gerichts wirksam.
Die Verbraucherzentrale hat dagegen Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eingelegt: „Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass durch diese Klausel die Versicherungsnehmer, entgegen den Geboten von Treu und Glauben, benachteiligt werden. Sollten sich die Berechnungsgrundlagen zugunsten der Verbraucher:innen wieder verbessern, ist der Versicherer nicht verpflichtet, den Rentenfaktor entsprechend wieder anzupassen und nach oben zu korrigieren“, erklärt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Auf die tatsächliche Handhabung der Klausel kommt es dabei aus Sicht der Verbraucherschützer übrigens nicht an. Die Berufungsverhandlung am OLG ist für den 16.01.2025 angesetzt.
In anderen Fällen jedoch gab es auch bereits Urteile zugunsten der Versicherungsnehmer und Verbraucherschützer. So im Februar 2023, wo es um eine fondsgebundene Rentenversicherung der Zurich ging. Der Versicherer unterlag in diesem Fall. Nach Ansicht des Landgerichts Köln (Urteil vom 08.02.2023 – Az: 26 O 12/22) ist die Herabsetzung des Rentenfaktors als Rentenkürzung anzusehen. Dieses Urteil ist rechtskräftig.
Vor kurzem fiel nun ein weiteres Urteil. Diesmal verlor die Allianz Leben bei einem Verfahren vor dem Amtsgericht Reinbek. (Urteil vom 10.07.2014 – Az: 14 C 473/23). Die Richter halten eine Absenkung des Rentenfaktors für nicht rechtskonform. Gegen dieses Urteil hat die Allianz wiederum Berufung eingelegt.
So erklärt die Allianz die Anpassung des Rentenfaktors
„Bei sämtlichen Produktgestaltungen hat Allianz Leben die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr sorgfältig geprüft. Die angegriffene Regelung stellt eine ausgewogene Regelung dar, die sämtliche Interessen berücksichtigt, einschließlich der Interessen der Versicherten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach einer Anpassung des Rentenfaktors auch eine Wiederanhebung des Rentenfaktors möglich“, erklärt ein Unternehmenssprecher der Allianz auf Nachfrage. Grundsätzlich gelte: Eine Anpassung des Rentenfaktors zur Berechnung der Rente greift nicht in Garantiezusagen von Allianz Leben ein. Allianz Leben stehe zu allen vertraglichen Zusagen und Garantien.
Weiter erklärt die Allianz zu dem Vorgang: Bei den kapitalmarktnahen Tarifen der Allianz Lebensversicherung von 07/2001 bis 06/2013 ist ein Rentenfaktor unter Treuhändervorbehalt zum Einsatz gekommen. Der Rentenfaktor unter Treuhändervorbehalt ist nicht garantiert und kann – wie in den Versicherungsbedingungen vereinbart – unter sehr engen Voraussetzungen vor Rentenbeginn mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst werden.
Sofern sich bei Rentenbeginn mit den dann maßgebenden Rechnungsgrundlagen für das Neugeschäft ein höherer Rentenfaktor ergibt, wird der angepasste Rentenfaktor unter bestimmten Voraussetzungen wieder angehoben. Diese Regelung ist bei den kapitalmarktnahen Tarifen ab 2007 in den Versicherungsbedingungen enthalten. Bei Tarifen vor 2007 wurde dies mit den Kunden in den Mitteilungsschreiben zur Anpassung des Rentenfaktors vereinbart. Ab 07/2013 ist das Verfahren zur Ermittlung der Rente umgestellt worden auf die Rentenberechnung zum Rentenbeginn mit den dann maßgebenden Rechnungsgrundlagen.
Weitere Verfahren und der Weg zum BGH
Aktuell laufen eine ganze Reihe weiterer Verfahren gegen verschiedene Versicherer. Dr. Knut Pilz von der Kanzlei Pilz Wesser & Partner Rechtsanwälte berichtet, dass entsprechende Klagen eingereicht wurden und auch noch weitere Klagen eingereicht werden. Pilz stellt aber auch fest, dass die Gerichte hinsichtlich einzelner Positionierungen recht zurückhaltend seien und wohl darauf hofften, dass der Bundesgerichtshof (BGH) hierzu irgendwann eine Grundsatzentscheidung treffen wird. Das sei zwar noch nicht absehbar, aber aus Sicht der Kanzlei nicht auszuschließen. Pilz erklärt dazu: „Wir führen aktuell ein Verbandsklageverfahren gegen einen Versicherer vor dem OLG Köln und sobald dort ein Urteil vorliegt, dürfte dieses Verfahren sicherlich eines der ersten beim Bundesgerichtshof werden.“
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer wiederum hat zwei Verfahren am Laufen, darunter das erwähnte Verfahren, in dem das Amtsgericht Reinbek im Juli 2024 entschieden hat. Die Kanzlei teilt mit, dass das Landgericht Berlin am 13.11.2024 einen weiteren Fall verhandeln will. Auch diese Klage richtet sich gegen die Allianz, eine weitere Klage soll folgen.
Anpassung des Rentenfaktors nach oben?
Beide Kanzleien bemängeln grundsätzlich, dass der Rentenfaktor einseitig von der Versicherung gesenkt werden kann, aber eine Erhöhung oftmals nicht vorgesehen ist. Und falls doch? Rechtsanwalt Pilz erklärt dazu: „Mir ist aktuell auch nicht ein Fall bekannt, wo Versicherer den Faktor nach oben angepasst haben, selbst wenn die Versicherungsbedingungen eine solche Verpflichtung vorsehen.“
Auch die Kanzlei Stoll geht davon aus, dass erst Urteile und höchstrichterliche Entscheidungen mit Blick auf die Klausel eine Wirkung haben werden. Auch sie würde ein Grundsatzurteil vonseiten des BGH als hilfreich erachten. Die Kanzlei gibt aber zu bedenken, dass der Streitwert des aktuellen Verfahrens dies nicht hergebe. Zudem müsse ein Gericht eine Berufung erst auch noch zulassen.
Letztlich bedeutet das wohl, dass noch mehr Fälle verhandelt und Urteile gefällt werden müssten, um den Weg zum BGH zu ebnen. So wird aktuell mit Spannung insbesondere auf Januar 2025 und das Berufungsverfahren am OLG Stuttgart geblickt. (bh)
Bild: © Intellectual – stock.adobe.com
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Leserkommentare
Comments
1 Cent zu teuer?
Nach Umsetzung unserer Innovation, Geheimhaltungsvereinbarung -Alleinstellung, werden alle Rentenversicherungen -auch gefördert, rentabel. Aktuell seit vielen Jahren defizitär.
Seit 7 Jahren wurden viele Vorstände darüber jährlich informiert. Welche Vorteile, neben lebenslanger adäquater Rente-gesichert bis 90% der Bürger, ergeben sich daraus?
Nur mit hoher Rendite entsteht ein Zinseszinseffekt, der nicht nur Rentengarantien leicht finanzierbar macht, sondern auch die PKV von Beginn an im Alter absichert. Berufsunfähigkeitsversicherungen werden wesentlich günstiger undundund……
Warten auf Godot, mit dem Schwert am seidenen Faden über dem Kopf? Extremes Haftungsrisiko total negieren?
Packen wir es an, zum Vorteil aller, wenn die Branche es später kopiert, steht es der gesamten Bevölkerung, sogar weltweit, zur Verfügung. Wenn allerdings 1 Cent zu viel ist….
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