Doppelte Benachteiligung des Maklers
Die analoge Anwendung von § 87a Abs. 3 HGB ist also unumgänglich, weil die Konstruktion einer Nachbearbeitungspflicht über § 242 BGB nicht zum Erhalt des Courtageanspruchs führen kann. In diesem Zusammenhang darf nicht aus den Augen verloren werden, dass der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers agenturvertragsrechtlichen Grundsätzen unterliegt. Die gesetzliche Grundlage des Grundsatzes, nach dem die Courtage des Versicherungsmaklers das Schicksal der Versicherungsprämie im Guten wie im Bösen – sog. Schicksalsteilungsgrundsatz – teilt, bildet die analoge Anwendung der §§ 92 Abs. 4 in Verbindung mit 87a Abs. 1 HGB auf den Courtageanspruch des Maklers. Infolgedessen führt an der entsprechenden Anwendung des § 87a Abs. 3 HGB kein Weg vorbei.
Nur diese Anwendung vermeidet eine doppelte Benachteiligung des Maklers. Sie liegt darin, dass der Versicherungsmakler im Courtagepunkt nicht nur schlechter gestellt wird, als er als Makler steht, sondern dass er auch gegenüber dem Vertreter benachteiligt wird. Nach § 652 BGB entsteht der Courtageanspruch des Versicherungsmaklers nach der Rechtsprechung bei der Vermittlung einer Nettopolice mit dem wirksamen Zustandekommen des Versicherungsvertrages. Die Maklercourtage ist daher nach § 652 BGB nicht davon abhängig, ob der Versicherungsvertrag ausgeführt wird.
Für den Provisionsanspruch des Vertreters nach §§ 92 Abs. 4 in Verbindung mit 87a Abs. 2, 3 HGB gilt indes, dass er entfällt, wenn das Versicherungsgeschäft anders ausgeführt wird als geschlossen. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer nach § 87a Abs. 2 HGB nicht leistet. Ebenso ist dies der Fall, wenn die Ausführung des Vertrages aus vom Versicherer nicht zu vertretenden Umständen teilweise oder vollständig unterbleibt (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB). Dies gilt nicht nur, wenn der Vertrag vollständig nicht ausgeführt wird, sondern auch, wenn die Ausführung nur zu einem Teil unterbleibt. Ist der Provisionsanspruch des Vertreters danach von der Ausführung des Versicherungsvertrages abhängig, wird der Versicherungsvertreter dagegen geschützt, provisionsmäßig leer auszugehen, indem das Gesetz mit § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB die Geschäftsausführung fingiert, wenn der Vertrag nicht oder nicht so ausgeführt wird wie geschlossen.
Der gegen Courtage des Versicherers tätige Makler wird also vor dem Gesetz benachteiligt, weil sein Courtageanspruch wie beim Vertreter von der Ausführung des Versicherungsvertrages abhängig gemacht wird, während er umgekehrt nicht einmal den Schutz erhalten soll, den das Gesetz dem Vertreter zubilligt. Für diese Benachteiligung gibt es keine sachliche Rechtfertigung.
Was der Maklersenat nicht geprüft hat
Was die Frage anbelangt, ob der Widerruf einen Nachbearbeitungsfall darstellt, hat der Senat nicht geprüft, ob es mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu vereinbaren ist, dem Versicherungsvertreter und auch dem Makler allgemein das Risiko des Widerrufs des Vertrages zuzuweisen. Es könnte sein, dass es nach der Entscheidung auf die Motive des Versicherungsnehmers ankommt, sein Widerrufsrecht auszuüben.
Ebenso wenig hat der Maklersenat untersucht, ob der Kunde mit dem Widerrufsrecht von einem ihm vorbehaltenen und der vermittelten Versicherung immanenten Gestaltungsrecht Gebrauch macht. Deshalb dürfte es an einem Geschäft nach § 87 Abs. 1 HGB fehlen, weil der Versicherer keinen Anspruch gegen den Kunden erworben hat, den Versicherungsvertrag durch Zahlung der Prämie weiter als bis zum Zugang des Widerrufs auszuführen. Sinn und Zweck des § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB sprechen dafür, die Norm nicht anzuwenden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Vermittler mit seiner auf Geschäftsabschluss gerichteten Tätigkeit alles Erforderliche getan hat, dem Versicherer einen Anspruch auf Ausführung des Geschäfts zu verschaffen. Daran fehlt es jedoch, solange und soweit die Durchführung des Geschäfts im Belieben des Kunden steht. Soweit der Maklersenat § 87a Abs. 3 HGB beim Widerruf nicht als anwendbar ansieht, trägt die dafür von ihm gegebene Begründung nicht und wirft das Risiko auf, dass sie auch einer Überprüfung beim EuGH nicht standhält.
Im Fazit ist festzuhalten, dass der Maklersenat es mit der Netfonds-Entscheidung versäumt hat, der Ungleichbehandlung des Maklers gegenüber dem Vertreter ein Ende zu bereiten. Auch nach dieser Entscheidung muss der Makler allerdings der Rechtsstellung eines Vertreters angenähert sein oder die Courtagezusage muss nach Treu und Glauben eine entsprechende, die Anwendung der Nachbearbeitungsgrundsätze fordernde Auslegung erfahren. Für den Makler bleibt die Unsicherheit, dass ein Gericht die Voraussetzungen für die Anwendung der Nachbearbeitungsgrundsätze wegen seiner unabhängigen Stellung verneint. Überdies hat der Maklersenat den Widerruf mit einer Begründung von den Nachbearbeitungsgrundsätzen ausgenommen, die mit der EuGH-Rechtsprechung nicht in Deckung zu bringen ist. Die Entscheidung hat dem Makler daher Steine statt Brot geliefert.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 116 ff., und in unserem ePaper.
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