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4. Juli 2024
PKV-Tarifoptimierung: BGH entscheidet über Widerrufsrecht

PKV-Tarifoptimierung: BGH entscheidet über Widerrufsrecht

Eine Frau hatte mit einem Versicherungsmakler eine Honorarvereinbarung zur PKV-Tarifoptimierung getroffen, die sie später widerrufen wollte. Der Fall ging bis vor den BGH. Dieser entschied, anders als die Vorinstanzen, im Kernpunkt Widerruf im Sinne des Maklers. Doch es gibt auch ein paar Haken.

Eine PKV-Tarifoptimierung hat manchmal ihre Tücken und so landete auch ein Fall aus Oberbayern vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Eine PKV-Versicherte hatte mit einem Versicherungsmakler eine Honorarvereinbarung getroffen. Der Makler war hierzu in ihrem Ladengeschäft und erhielt den Auftrag, ihre Krankenversicherung günstiger zu gestalten, ohne allzu viel an Leistungsumfang zu verlieren. Als Honorar wurden 80% der berechneten Jahresersparnis zzgl. MwSt. vereinbart. Dieses ist zur Zahlung fällig, wenn Umstellungen oder Veränderungen innerhalb der nächsten 24 Monate bei der Versicherung beantragt werden. Neuabschlüsse bei anderen Gesellschaften sind honorarfrei.

Der Versicherungsmakler wählte für die Frau einen günstigeren Tarif mit einem geringeren Selbstbehalt beim bisherigen Versicherer aus und schloss einen Ergänzungsvertrag bei einem anderen Versicherer ab. Insgesamt berechnete der Makler für seine Tätigkeit eine Bruttovergütung von 1.947,82 Euro, wobei er zu der Beitragsdifferenz auch die Differenz aus dem Selbstbehalt addierte.

Die Frau zahlte, verlangte dann aber die Rückzahlung des Honorars. Es kam zum Rechtsstreit, im Laufe dessen der Versicherungsmakler zur Begründung seines Vergütungsanspruchs Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) vorgelegt hat, in denen zur Berechnung der Jahresersparnis ausgeführt wird:

  • 5.2.1 Die Jahresersparnis berechnet sich alleine aus der Differenz der monatlichen Beitragsprämien zum Zeitpunkt der policierten Vertragsumstellung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Selbstbehalte.
  • 5.2.2. Dies bedeutet, dass zur Bestimmung der Jahresersparnis der monatliche Prämienbeitrag nach der Umstellung des Versicherungsvertrags von dem monatlichen Prämienbeitrag vor der Umstellung des Versicherungsvertrags abgezogen und mit dem Faktor 12 multipliziert wird. Da es sich um eine Stichtagslösung handelt, sind alleine die Beiträge maßgeblich, die in dem Versicherungsschein aufgeführt werden. Von dem hierdurch gebildeten Betrag wird die Differenz der Jahresselbstbehalte abgezogen, die sich eventuell aus einer Vertragsumstellung ergeben.

Doch zu den AGBs noch später.

Vorinstanzen erkennen Widerrufsrecht der Frau zur Honorarvereinbarung an

Zunächst einmal hat die Frau mit Schriftsatz vom 29.08.2022 den Widerruf der Honorarvereinbarung vom 20.02.2018 erklärt. Das von ihr angerufene Amtsgericht hat dann auch den Zahlungsanspruch der Klägerin, über den sie zuvor einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hatte, als begründet angesehen. Die anschließende Berufung des Maklers beim Landgericht ist ohne Erfolg geblieben, doch er ließ nicht locker und der Fall ging vor den BGH.

Keine Ausweitung des Haustürgeschäfts über Fernabsatz hinaus

Der BGH hat wie nun veröffentlicht im April 2024 entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung des Honorars zustehe. Die Sache geht nun wieder zurück an das Landgericht.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, also dem Landgericht, konnte sie die zwischen ihr und dem Beklagten geschlossene Honorarvereinbarung nicht wirksam gemäß § 312g BGB widerrufen. Die Anwendung dieser Vorschrift ist gemäß § 312 Abs. 6 BGB ausgeschlossen.

Normalerweise hat ein Verbraucher das Recht, einen Vertrag zu widerrufen, wenn er außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurde. Es gibt aber eine Ausnahme für Versicherungsverträge und deren Vermittlung. Im Urteil des BGH ist als Leitsatz formuliert:

  • Die Ausnahmeregelung des § 312 Abs. 6 BGB, nach der die Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht auf Versicherungsvermittlungsverträge anwendbar sind, ist bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Versicherungsvermittlungsverträgen nicht richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass für sie ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB besteht. Es besteht keine unionsrechtliche Verpflichtung, ein Widerrufsrecht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsvermittlungsverträge vorzusehen.

Gemäß Urteil bleibt das Widerrufsrecht bei Versicherungsverträgen auf Abschlüsse im Internet per Post oder Telefon beschränkt. Eine Ausweitung auf Haustürgeschäfte sieht deutsches Recht nicht vor, wobei es auch keinen Konflikt mit EU-Richtlinien gibt, stellt der BGH fest.

Aussagen zu Rechtsdienstleistung, intransparente AGBs, PKV-Tarifwechsel als Vermittlung

Der BGH verweist zudem über die zu verhandelnde Sache hinaus auf verschiedene Umstände:

  • Der Beklagte war als Versicherungsmakler für die Klägerin tätig. Er hat für die Klägerin aufgrund der Honorarvereinbarung ein konkretes Angebot zum Abschluss eines geänderten Krankenversicherungsvertrags eingeholt. Der Umstand, dass der Auftrag auf einen Tarifwechsel gemäß § 204 VVG bei dem selben Versicherer und nicht auf einen Vertragsschluss mit einem anderen Versicherer ausgerichtet war, steht der Einordnung als Versicherungsvermittlungsvertrag nicht entgegen.
  • Soweit die nach der Honorarvereinbarung vom Beklagten vorzunehmende Geschäftsbesorgung mit Blick auf einen Tarifwechsel die Überprüfung der Tarife, die die Klägerin bei ihrem Krankenversicherer wählen konnte, auch in rechtlicher Hinsicht umfasste, war eine solche Überprüfung nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt, weil es sich dabei im Verhältnis zu der Maklerleistung als Hauptleistung dem Inhalt und Umfang nach um eine Nebenleistung handelte, die zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehört.
  • Der beklagte Versicherungsmakler hat unabhängig von der Frage eines Widerrufs keinen Anspruch auf die volle Vergütung, weil seine zur Untermauerung der Honorarberechnung im Prozess vorgelegten AGBs zwar einbezogen, die Regelung zur Vergütungsberechnung aber wegen Intransparenz unwirksam sei. Danach solle die Differenz der Jahresselbstbehalte von der Differenz der Beitragsprämien „abgezogen“ werden, was zu einem negativen Betrag führe; in krassem Gegensatz dazu habe der Beklagte die beiden Differenzen aber bei seiner Vergütungsberechnung addiert und damit gezeigt, dass er die AGB entgegen ihrem Wortlaut zu seinem Vorteil auslege. Ob die AGBs des Beklagten wirksam in den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Vertrag einbezogen worden sind, kann somit dahinstehen.

Das Landgericht muss sich nun noch einmal mit dem Fall befassen und auch darüber befinden, inwiefern tatsächlich eine gesicherte Ersparnis vorliegt.

Strittig: Versicherungsmakler als Bestandsbetreuer

Zuletzt fügen die BGH-Richter aber noch an, dass die erhobene Behauptung der Klägerin, der Versicherungsmakler sei als Bestandsbetreuer beim Versicherer auch von diesem für den Tarifwechsel vergütet worden und müsse sich diese Vergütung entgegenhalten lassen, hat die Revisionserwiderung nicht aufgegriffen. Unabhängig davon erschließe es sich nicht, inwieweit der Versicherer ein Interesse daran haben sollte, mit einer Provision für die Bestandsbetreuung auch einen Tarifwechsel abzugelten, der zu geringeren Beiträgen für ihn führt.

BGH, Urteil vom 04. 04.2024 – Az. I ZR 137/23 (Zum Urteil)

Vorinstanzen: LG Traunstein, Entscheidung vom 05.09.2023 – Az. 2 S 2447/22 -

AG Traunstein, Entscheidung vom 13.10.2022 – Az. 319 C 128/22

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