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26. Juni 2024
Pflichten und Haftung des Versicherungsberaters
Pflichten und Haftung des Versicherungsberaters

Pflichten und Haftung des Versicherungsberaters

Früher war die Welt der Versicherungsberater noch in Ordnung. Die deutsche Umsetzung einer neuen Richtlinie sorgte dann aber für Entsetzen. Hans-Ludger Sandkühler über Versicherungsberater, Versicherungsmakler und Versicherungsvermittler.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass in den einschlägigen Medien der Branchen über Pflichten und Haftung des Versicherungsmaklers fabuliert wird. Offenbar bilden Versicherungsmakler eine äußerst interessante Zielgruppe für diverse Dienstleistungsanbieter. Ganz anders ist die Situation bei Versicherungsberatern. Pflichten und Haftung der Versicherungsberater: scheinbar nicht der Rede wert. Dabei sind die Pflichten der Versicherungsberater nahezu deckungsgleich mit denen der Versicherungsmakler. Teilweise gehen sie sogar darüber hinaus.

Historische Ausgangssituation

Früher war die Welt der Versicherungsberater noch einfach und in Ordnung. Versicherungsberater hatten ihr Nischendasein im Rechtsberatungsgesetz. Versicherungsberater benötigten für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine behördliche Erlaubnis und mussten dafür Eignung und Sachkunde in einem Gespräch (!) mit einem Richter des zuständigen Landgerichts nachweisen. Eigentlich eine Farce. Offenbar um das zu kompensieren, mussten sich einige über Aufwand und Niveau ihrer Qualifikation in den Gazetten der Versicherungspresse ausführlich auslassen. Das dabei zur Schau gestellte Berufsverständnis: Versicherungsvermittler verkaufen provisionsgetrieben Versicherungsverträge, Versicherungsberater haben mehr Sachverstand und beraten ihre Mandanten objektiv und neutral.

Für Versicherungsvermittler gab es dagegen keine Zugangsvoraussetzungen, ihr Berufsrecht war – rudimentär – im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt, ergänzt durch Rechtsprechung wie dem Sachwalterurteil, das den Versicherungsmaklern umfangreiche Vertragspflichten auferlegte.

Versicherungsvermittler

Mit der Versicherungsvermittlerrichtlinie von 2003 kam ein Rahmen für eine europaweite Regulierung der Versicherungsvermittler. Nach der Legaldefinition der Richtlinie ist unter Versicherungsvermittlung „das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall“ zu verstehen.

Erst im Mai 2007 wird die deutsche Umsetzung der Richtlinie veröffentlicht: Versicherungsvermittlung wird erlaubnispflichtiges Gewerbe. Zudem gelten für alle Versicherungsvermittler neue versicherungsrechtliche Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten, für Versicherungsmakler außerdem die Pflicht zur ausgewogenen, objektiven Marktuntersuchung.

Abweichend von der Legaldefinition der Richtlinie beschreibt der deutsche Gesetzgeber – offenbar noch in überkommenen gewerberechtlichen Denkstrukturen verhaftet – Versicherungsvermittlung als „Vermittlung oder Abschluss von Versicherungsverträgen“. Also wird Vermittlung mit sich selbst definiert und es bleibt unklar, was darunter zu verstehen ist. Neben der Definition der Richtlinie – eigentlich autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen – bleibt Raum für überkommene gewerberechtliche Deutungen.

Versicherungsberater

Die deutsche Umsetzung der Richtlinie sorgt im Übrigen für Entsetzen bei den Versicherungsberatern. Ausgehend von der Überlegung, dass die weite Definition der Versicherungsvermittlung in der Richtlinie auch die Tätigkeit der Versicherungsberater umfasst, verlieren Versicherungsberater folgerichtig ihre Rechtsberatungsbefugnis aus dem Rechtsberatungsgesetz und werden ebenfalls dem Gewerberecht unterworfen. Sie erhalten mit § 34e Gewerbeordnung (GewO) einen eigenen Erlaubnistatbestand, dessen Voraussetzungen denen der Versicherungsvermittler ohne Unterschied – auch nicht bei der Sachkunde – entsprechen.

Entgegen seiner eigenen Ausgangsüberlegung, dass die weite Definition der Versicherungsvermittlung auch die Tätigkeit der Versicherungsberater umfasst, bleibt der deutsche Gesetzgeber bei der Beschreibung der Versicherungsberatung in der GewO und im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der ebenfalls überkommenen Begriffswelt des früheren Rechtsberatungsgesetzes verhaftet. Danach ist Versicherungsberater, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag berät oder gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertritt.

Für Versicherungsberater gelten ebenfalls die Informations-, Beratungs- und Informationspflichten sowie die Verpflichtung zur ausgewogenen, objektiven Marktuntersuchung, wie sie für Versicherungsmakler bestehen. Allerdings ist es Versicherungsberatern nicht möglich, im Einzelfall ihre Versicherer- und Vertragsauswahl einzuschränken. Auch ein Beratungs- und/oder Dokumentationsverzicht ist bei Versicherungsberatern nicht möglich.

Rechtsberatungsbefugnis

Die Erlaubnis für Versicherungsberater beinhaltet die Befugnis, Dritte im Rahmen ihrer gesamten Tätigkeit auch rechtlich zu beraten. Demgegenüber ist die Rechtsberatungsbefugnis der Versicherungsmakler darauf beschränkt, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen auch rechtlich zu beraten.

Vertragliche Pflichten der Versicherungsberater

Neben den gesetzlichen Pflichten bestehen für Versicherungsberater – wie für Versicherungsmakler aus dem jeweiligen Maklervertrag – auch vertragliche Pflichten, die sich nach dem Inhalt der jeweils mit den Kunden getroffenen Beratungsvereinbarungen richten.

Haftung der Versicherungsberater

Versicherungsberater haften – auch hier sind Parallelen zum Versicherungsmakler unverkennbar – bei Verletzung ihrer gesetzlichen und/oder vertraglichen Pflichten.

Versicherungsvertriebs­richtlinie IDD

Im Jahr 2016 hat die europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD die vormalige Versicherungsvermittlerrichtlinie abgelöst. Die Definition der Versicherungsvermittlung wird um das Merkmal Beratung und eine Internetkomponente erweitert. Die erweiterte Definition wird bei der Umsetzung 2018 komplett in § 1a VVG übernommen. Der neue § 34d GewO übernimmt die Legaldefinition der IDD dagegen nur teilweise. Warum die Bausteine „Beratung, Vorschlagen oder Durchführung anderer Vorbereitungshandlungen zum Abschließen von Versicherungsverträgen“ aus der Legaldefinition der IDD nicht in die GewO übernommen werden, erschließt sich nicht und weiß wohl nur der Gesetzgeber.

Die Tätigkeitsbeschreibung der Versicherungsberater wird erweitert. Neben den bisherigen Bereichen Rechtsberatung und außergerichtliche Vertretung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen kommt nun die Vermittlung oder der Abschluss von Versicherungsverträgen für den Auftraggeber neu hinzu. Eine völlig verunglückte Regelung. Ausgangspunkt war doch die Überlegung, dass die weite Definition der Versicherungsvermittlung auch die Tätigkeit des Versicherungsberaters umfasst. Es ist deshalb absurd, als weiteres Modul der Versicherungsvermittlung wieder Vermittlung aufzuführen.

Fazit

Im Ergebnis unterscheiden sich die Berufsbilder von Versicherungsmaklern und Versicherungsberater nur marginal. Bei der Umsetzung der noch in der Diskussion befindlichen Kleinanlegerstrategie hat der deutsche Gesetzgeber Gelegenheit, die Berufsbilder Versicherungsmakler und Versicherungsberater – auch unter Berücksichtigung der aktuellen Diskussion über Unabhängigkeiten und Vergütung – erneut zu beraten und möglicherweise auch – wie in Österreich – zusammenzuführen und den Wettbewerb nicht durch sich überschneidende Berufsbilder, sondern durch Qualität zu befeuern. Das Potenzial unabhängiger Vermittler ist noch längst nicht gehoben.

Über Hans-Ludger Sandkühler

Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2024 und in unserem ePaper.

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