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7. Dezember 2022
Pflegefall Pflege: BKK stellt Gesundheitsreport 2022 vor
Pflegefall Pflege: BKK stellt Gesundheitsreport 2022 vor

Pflegefall Pflege: BKK stellt Gesundheitsreport 2022 vor

Die Alten- und Krankenpflege in Deutschland ist schon seit geraumer Zeit stark vom Fachkräftemangel gebeutelt. Doch wie kann man die Lage in der Branche verbessern, insbesondere für die Arbeitnehmer? Der BKK Dachverband hat hierzu den diesjährigen Gesundheitsreport vorgestellt.

Es steht schlecht um die Alten- und Krankenpflege in Deutschland. Einerseits gibt es zu wenige Beschäftigte und zu wenig Nachwuchs, andererseits sind die Personalausfälle überdurchschnittlich hoch, und in dem Beruf aktiv bis zur Rente bleiben wollen auch bei Weitem nicht alle. Die Gründe dafür sind verschieden.

Um dem konkreten Sachstand in der Pflege auf den Zahn zu fühlen, hat sich der Dachverband der Betriebskrankenkassen dieses Jahr in seinem Gesundheitsreport unter dem Motto „Pflegefall Pflege“ mit genau diesem Thema beschäftigt – und dabei auch versucht, Lösungen herauszuarbeiten. Die Ergebnisse wurden am heutigen Mittwoch, 07.12.2022, auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Anwesend waren Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbands e.V., Dr. Bernadette Klapper, die Bundesgeschäftsführerin des Berufsverbands für Pflegeberufe, und Prof. Dr. Holger Pfaff vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft an der Uni Köln, Mitherausgeber des BKK Gesundheitsreports 2022.

Schlechte Arbeitsbedingungen und viele Ausfälle in der Pflege

Franz Knieps stellte zunächst die allgemein im Gesundheitsreport erhobenen Daten vor. Die Kranken- und Altenpflege sei häufig durch körperlich und psychisch belastende Arbeit geprägt. Die verzeichneten Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) liegen in beiden Sparten (33,2 Tage je Beschäftigte in der Altenpflege und 25,7 Tage in der Krankenpflege) durchschnittlich deutlich über den Fehlzeiten aller Beschäftigten (je 18,2 Tage). Während der Corona-Pandemie sei diese Differenz noch größer geworden mit 22,7 AU-Tagen je Beschäftigten bei den Gesundheits- und Krankenpflegekräften, je 29,0 AU-Tagen bei den Altenpflegekräften und 18,4 AU-Tagen bei allen Beschäftigtengruppen. Als Grund für die Fehltage werden im Gesundheitsreport insbesondere Muskel-Skelett-Erkrankungen (Altenpflege 9,5 AU Tage; Krankenpfleger 6,5 AU-Tage je Beschäftigte) und psychische Störungen (Altenpflege 7,3 AU-Tage; Krankenpfleger 5,5 AU-Tage) geführt.

Die körperlich schwere Arbeit, die zu Problemen wie Rückenbeschwerden führen könne, die unregelmäßigen Arbeitszeiten, Nacht- und Schichtarbeit, die zu Störungen des biologischen Rhythmus oder Konzentrations- und Schlafstörungen führen könne, die schwere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die in den Augen vieler (66,1%) unangemessene Bezahlung… Bei der BKK Beschäftigtenumfrage 2022 unter 6.000 teilnehmenden Pflegebeschäftigten (die auch bei einer dem BKK Dachverband zugehörigen Betriebskrankenkasse versichert waren) gaben 44,2% der Altenpflegekräfte und 40,4% der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte an, dass sie sich den aktuellen Anforderungen des Berufs nur teilweise oder gar nicht gewachsen sehen. Bei sonstigen Berufen seien es nur 24,6%. Zusätzlich gaben viele Beschäftigte (34,8% in der Altenpflege und 29,8% in der Gesundheits- und Krankenpflege) an, dass sie unter diesem Druck nicht bis zum Renteneintrittsalter arbeiten könnten – zu einem großen Teil wegen der oben genannten Gründe. Ein Umstand, der in Zeiten von Personalmangel in dem Beruf kritisch zu bewerten sei, so Prof. Dr. Holger Pfaff. Auch denke jeder vierte Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege darüber nach, in den nächsten zwei Jahren den Arbeitgeber zu wechseln. Und mehr als jeder fünfte ziehe es in Erwägung, den Beruf gänzlich aufzugeben.

Situation in der Pflege erinnert an „Familienbild der 50er Jahre“

Dr. Bernadette Klapper ließ kein gutes Haar daran, wie die Pflege insbesondere auf politischer und struktureller Ebene behandelt wird. Sie verglich die Situation in der Pflege mit dem Familienbild der 50er Jahre: „Der Vater als Haushaltungsvorstand – in dem Fall der Medizinier – sagt an, was richtig ist in Sachen Gesundheit. Die Mutter, also die Pflege, kümmert sich um die Kinder, hat vermeintlich diffuse Aufgaben, aber sorgt dafür, dass der Laden läuft. Und sie muss ihren Mann fragen, ob sie arbeiten gehen und ein eigenes Konto eröffnen darf, sprich, sie wird in jedem Schritt gesteuert und darf nicht eigenständig agieren. Und die Kinder, also die Patienten, haben auch kaum Mitspracherecht.“ Dass die Pflegebedürftigkeit fremdbestimmt ist, sei vergleichbar damit, wenn man dem Elektriker sagen würde, wie er seine Kabel verlegen soll.

Ein Weg aus der kritischen Lage

Die Teilnehmer der Konferenz stellten auch einige im Gesundheitsreport herausgearbeiteten Möglichkeiten dar, wie man die Bedingungen für beschäftigte Alten- und Krankenpfleger verbessern, so den Beruf attraktiver und schlussendlich die Gesamtlage in der Branche verbessern könne. Für Dr. Klapper sei eine Möglichkeit, das Berufsbild von professionell Pflegenden aufzuwerten. Man brauche eine gute Bildung und gute Qualifizierung auf allen Ebenen. Auch sei es wichtig, die Möglichkeiten zu nutzen, die uns das Pflegeberufgesetz ermögliche, wie den Berufszugang über primär qualifizierende Hochschulstudiengänge, sprich den Bachelor in Pflege, als Grundlage für Spezialisierungen auf Masterebene verstärkt anzubieten und zu sichern.

Laut Franz Knieps sei ein grundsätzliches Umdenken bei der Alten- und Krankenpflege, weg von stationären Aufenthalten hin zu mehr ambulanter Pflege von Nöten. Der größte ambulante Pflegedienst sei die Familie. Bei mehr als 50% Ein-Personen-Haushalten werde die Pflege im Familienverbund schwieriger. Das System müsse viel durchlässiger werden und man müsse die heutigen Pflegegrade flexibler nach dem individuellen Bedarf anpassen.

Lauterbachs Krankenhausreform – ja oder nein?

Zur Sprache kam in der Konferenz auch die am Dienstag, 06.12.2022, von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellte Krankenhausreform, in der davon die Rede ist, dass die Fallpauschale in Krankenhäusern „überwunden“ werden müsse.

Für Knieps sei der Vorschlag des Gesundheitsministers bislang zumindest eine „Chance“, mit der die Krankenhauslandschaft und letztlich auch die Versorgung neu sortiert werden könne. Doch vor der Bewertung müsse zunächst die Umsetzung erfolgen. Entscheidend sei letztlich, was in dem Gesetzesentwurf der Reform stehen werde. (mki)

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