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18. Juni 2024
Opt-out – die bessere bAV

Opt-out – die bessere bAV

2024: Lausige 37,8% Durchdringungsquote bei der bAV, 53,5% inklusive öffentlichem Dienst. Und die finanzielle Bildung gleicht finanziellem Analphabetismus. Gender Pension Gap: Was ist das? Ein Kommentar und Plädoyer für mehr bAV von Cordula Vis-Paulus.

Ein Artikel von Cordula Vis-Paulus, Versicherungsmaklerin und bAV-Expertin

53,5% der Angestellten besitzen eine Zusage auf Altersversorgung. Eingezahlt werden für Männer spärliche 128 Euro, für Frauen 108 Euro. Das sind weiterhin zu wenige mit betrieblicher Altersversorgung (bAV)! 46,5% jedoch haben gar keine – zu viele ohne! 30 Mrd. Euro an Steuer- und Sozialversicherungsersparnissen lassen die Mitarbeiter damit jedes Jahr verfallen.

Haben die 46,5% eine andere Altersvorsorge? Laut R + V legen 25% gar nichts zurück, 25% maximal 50 Euro, 20% zwischen 50 und 100 Euro, nur der Rest investiert mehr als 100 Euro. Also: NEIN! Zu allem Überfluss bevorzugen der Gothaer nach 85% unrentable Geldanlagen. Zwei Drittel haben dem NDR zufolge Angst vor Altersarmut. Mehr als die Hälfte beschäftigt sich aber nicht mit Alters­vorsorge – und 44% ist das sehr bewusst.

Finanziell ungebildet

Wenig halten Chefs in Sachen Finanz- und Altersvorsorgekompetenz von ihren Mitarbeitern: Von 5 Punkten gab es gerade einmal 2,25. Noch weniger trauen Bank- und Versicherungsberater Unternehmern zu: Sie gaben den Chefs schlappe 1,9 von 5 Punkten (Quelle: bAV-­Practitioner®-Umfrage).

Warum greifen die Mitarbeiter nicht zu, obwohl …

… Mitarbeiter aller Altersklassen die bAV als eines der Top-5-Benefits nennen (Quelle: Employee Happiness Index von benify)?

… die Störfaktoren aus dem Behavioral Finance und die Hürden bisheriger Kommunikationsmodelle überwindbar sind?

Kurz und knackig zusammengefasst:

  • Zu wenige nutzen die bAV.
  • Zu viele investieren zu wenig und unrentabel.
  • Staatliche Förderungen in Milliardenhöhe bleiben jährlich liegen.
  • Zu viele haben zu wenig Finanzbildung.
  • Vulnerablen Gruppen gelingt kaum der Einstieg in Altersvorsorge.
Runter mit den Barrikaden, rauf mit den Nutzungsquoten und Einzahlungen: Opt-out

Laut Aon bewerten 70% Stay-in bzw. Opt-out positiv und konstatieren, dass Unternehmen dadurch attraktiver werden. „Bei […] Opting-out […] sehen wir häufig Beteiligungsquoten von über 90% und hören nur selten kritische Stimmen“, heißt es in einer WTW-Studie zur Situation der Entgeltumwandlung aus dem Jahr 2023. „12% haben es eingeführt, 76% [...] lehnen es ab.“ Laut dem Global Benefits Attitudes Survey 2022 wären 73% der Mitarbeitenden „froh über die automatische Teilnahme und wollen keinesfalls aussteigen“. Meine Erfahrung: 90% Nutzungsquote, alle happy, kaum „Streu­verluste“, top fürs Employer Branding.

Opt-in gescheitert

Die zu überwindenden Informations-, Kenntnis- und Einstiegshürden sind ungeeignet zur Einbeziehung der Mitarbeitenden. Opt-in hat sich ohne intensive Beratung und ohne hohen Arbeitgebereinsatz als Ausgrenzungsmodell statt Einbeziehungsmodell erwiesen. Genügen „finanziellen Analphabeten“ 120 Minuten Beschallung, um eine valide Entscheidung treffen zu können, die sie über Jahrzehnte verteidigen werden? Status quo: Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt es durchschnittlich zu geringe Einzahlungen. Hinzu kommen geschlechterspezifische Gaps in Höhe und Nutzungszahl. Welche Spätfolgen wird das haben?

Daher sollte gelten:
  • • Konzepte dürfen weder an der fehlenden Altersvorsorgekompetenz noch am Trägheitsmoment oder anderen Hürden scheitern.
  • Zudem braucht es angemessene Einzahlungen und Rentabilität.

Opt-out kann das – mit einem Wow-Nebeneffekt: mehr emotionale Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und höhere Arbeitgeber­attraktivität.

Gender Pension Gap

Die geschlechterspezifische Rentenlücke beträgt je nach Betrachtungswinkel bis zu 50%. Hier ein Fakten-Check: 60% der Rentnerinnen bekommen aktuell weniger als 900 Euro Rente, 56% der Rentner (Männer) erhalten mehr als 1.200 Euro Rente. Eine mögliche Schlussfolgerung und Forderung könnte sein: Für in Teilzeit Arbeitende muss mehr in die ergänzende Altersvorsorge eingezahlt werden als für in Vollzeit Arbeitende.

In der Deutschen Rentenversicherung entsteht die geringere Frauenrente durch unter­brochene oder Teilzeiterwerbstätigkeit, oft aufgrund von Care-Arbeit. Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Fehlanzeige! Dazu kommt das (bereinigte) Gender Pay Gap: 6% weniger Geld für gleiche Arbeit erhalten Frauen derzeit laut dem Statistischen Bundesamt. Wussten Sie, dass zwei Drittel der Mütter keiner bezahlten oder einer Teilzeit­erwerbstätigkeit nachgehen, bis das Nesthäkchen 18 Jahre alt geworden ist?

Mit Opt-out würden ...

… finanzielle Analphabeten nicht zu Finanzkennern. Aber ihre Unkenntnis bestraft sie nicht.

… schlecht bezahlte Mitarbeitende nicht zu Top-Verdienern. Aber sie werden eine bessere Rente bekommen.

… Familien heute nicht mehr Geld im Portemonnaie haben. Aber die Teilzeit rächt sich später nicht in Mamas Portemonnaie.

… bAV-Experten nicht weniger verdienen, sondern mehr und hätten mehr Zeit für bessere Versorgungs­konzepte.

German Equal Pension Symposium® („GEPS“)

Das „GEPS“ ist eine Initiative, um die Konsequenzen der Teilzeit für die Rente öffentlich zu machen. Woher kommt das Gender Pension Gap und welche Folgen hat es? Wie können Win-win-Situationen für Unternehmen, Mütter und Caregebende, Berater, Versicherer und die Gesellschaft daraus entstehen? Das „GEPS“ soll Maklerinnen und Makler sowie Altersvorsorgeexpertinnen und -experten Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe ermöglichen, Familien und Unternehmen Lösungsansätze bieten sowie Berufsverbänden, Versicherern, Investmentgesellschaften, Maklerpools und Unterstützern Sichtbarkeit verleihen als Vorreiter für Wohlstand und Lebenszufriedenheit von Frauen bzw. Caregebenden. Das nächste „GEPS“ findet am 12.09.2024 in Düsseldorf statt.

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Bild: © momius – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Cordula Vis-Paulus