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21. Mai 2024
Ohne Konflikt von Ausschließlichkeit zum Maklerstatus

Ohne Konflikt von Ausschließlichkeit zum Maklerstatus

Die Sorge vor einem konfliktreichen Umstieg aus der Ausschließlichkeit in den Maklerstatus ist nicht unbegründet. Zahlreiche Stolpersteine erwarten einen Vermittler, wenn er aus der Ausschließlichkeit in den unabhängigen Vertrieb wechselt. Was sind die wichtigsten Stolpersteine?

Ein Artikel von Michaela Ferling, Rechtsanwältin der Kanzlei FERLING RECHTSANWÄLTE

Das Thema ist aktueller denn je. Während zu Beginn der 2000er-Jahre nur einzelne Agenturen den Schritt in die Maklerschaft gewagt haben, nimmt die Zahl derer, die aktuell wechseln oder wechselwillig sind, zu. Sind es bei Vermittlern aus Strukturvertrieben häufig höhere Provisionen im Maklerbereich, die zu einer Wechselbereitschaft führen, sind es bei Einfirmenvertretern vor allem die fehlende Wettbewerbsfähigkeit, Provisionskürzungen, steigende Kosten, ständig wachsende Ziele im Geschäftsplan oder eine gescheiterte Unternehmensnachfolge in der Agentur, gerade wenn der Bestand nicht vollständig in die nächste Generation übertragen werden soll.

Während es Vermittlern aus Strukturvertrieben mit dem Wechsel oftmals nicht schnell genug gehen kann und selbst bei äußerst kurzen Kündigungsfristen Aufhebungsverträge gewünscht werden, steht bei Einfirmenvertretern der bislang betreute Kundenbestand im Fokus – Zündstoff für alle Vertriebsgesellschaften.

Erster Stolperstein: Der Handelsvertretervertrag

Erster Stolperstein auf dem Weg in die Unabhängigkeit sowohl bei Vermittlern aus Strukturvertrieben als auch bei Einfirmenvertretern ist der mit dem Unternehmen geschlossene Handelsvertretervertrag und das damit verbundene Wettbewerbsverbot während des bestehenden Vertrages sowie die auch einhergehende Bemühens- und Interessenwahrnehmungspflicht. Das gesetzlich normierte Wettbewerbsverbot nach § 86 Handelsgesetzbuch (HGB) verpflichtet den Handelsvertreter, ausschließlich Produkte des eigenen Unternehmens zu vermitteln. Eine Tätigkeit für Dritte ist vertragswidrig und umfasst auch das Ventilgeschäft.

Vermittelt also der Vermittler während des bestehenden Handelsvertretervertrages an die Konkurrenz und gelingt dem Unternehmer der Nachweis nur eines einzelnen Konkurrenzgeschäfts, riskiert der Vermittler nicht nur die außerordentliche Kündigung, sondern es bestehen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche – je nach Umfang und Art des Ventilgeschäfts kann es zu hohen Schadensersatzforderungen kommen. Wurde im Handelsvertretervertrag eine (wirksame) Vertragsstrafenabrede vereinbart, können Vertragsstrafen hinzukommen. Auch wenn der Vermittler den Handelsvertretervertrag bereits gekündigt hat, gilt das Wettbewerbsverbot in der Kündigungsfrist bis zum Vertragsablauf fort.

Aus der Interessenwahrnehmungspflicht besteht für den Handelsvertreter außerdem eine Bemühenspflicht, dem Unternehmen neue Kunden zuzuführen, Geschäfte zu vermitteln und die Betreuung der Kunden zu gewährleisten. Das Oberlandesgericht München hat sich in einem Urteil vom 30.06.2016 (Az. 23 U 3265/15) mit dem Umfang der Auskunftsverpflichtungen eines Handelsvertreters befasst, wenn dieser während des bestehenden Vertrages seine Bemühungen einstellt, und hat dem Unternehmer – gestützt auf die Berichtspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB – einen Auskunftsanspruch zugesprochen.

Unabhängig davon nährt die Einstellung jeglicher Tätigkeit beim Unternehmer den Verdacht, dass anderweitig Verdienst, insbesondere durch Konkurrenzgeschäft, erzielt wird, um den Lebensunterhalt sicherzustellen.

Zweiter Stolperstein: Der Aufhebungsvertrag

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass mit der Kündigungserklärung jegliche Tätigkeit eingestellt werden kann. Die Zeit der Kündigungsfrist ist Vertragszeit und die Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag bestehen bis Vertragsablauf fort. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Unternehmer die Freistellung erklärt. In diesem Fall ruhen die Pflichten des Handelsvertreters bei gleichzeitiger Verpflichtung des Unternehmers, die Freistellungsvergütung zu bezahlen. Eine Konkurrenztätigkeit ist bis Vertragsende ausgeschlossen.

Viele Vermittler, insbesondere aus den strukturierten Vertriebsgesellschaften, streben daher nach einem Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer unter Umständen sehr langen – weil vertraglich verlängerten – Kündigungsfrist und der Aussicht, schnell in den unabhängigen Vertrieb wechseln und höhere Courtage erzielen zu können. Ob diese Möglichkeit gegeben ist, hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab: Zum einen muss auch das Unter­nehmen einen Aufhebungsvertrag schließen wollen und zum anderen sollten die getroffenen Regelungen zum künftigen Vorhaben des künftigen Maklers passen. Die Praxis zeigt, dass gerade strukturierte Vertriebe nicht ab­geneigt sind, Aufhebungsverträge anzubieten. Allerdings zeigt die Praxis genauso, dass diese dem Vor­haben des künftigen Maklers nicht zuträglich sind, denn in nahezu allen Fällen wurde zum Beispiel ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verankert, sodass die bisher betreuten Kunden nicht abgeworben werden könnten. Erschwerend kam in fast allen Fällen hinzu, dass durch die „rückwirkende“ Aufhebung die den Handelsvertreter schützenden Normen der §§ 84 ff. HGB ausgehebelt werden und eine zeitliche Begrenzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ebenso entfällt wie die Karenzentschädigung.

Dritter Stolperstein: Die Abwerbung von Kunden

Zündstoff bietet letztlich auch die Abwerbung. Zwar ist die Abwerbung grundsätzlich zulässig und Wettbewerb ist ausdrücklich erwünscht. Auf die Erhaltung des Kundenstammes oder den Fortbestand der Vertragsverhältnisse hat das bisherige Unternehmen kein Recht. Selbst wenn der Kundenstamm einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellt, denn der Kundenstamm ist kein geschütztes Rechtsgut. Einen Schutz bietet lediglich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Die Abwerbung und das Ausspannen von Kunden ist das Wesen des Wettbewerbs, selbst wenn es zielgerichtet und systematisch erfolgt.

Unzulässig ist die Abwerbung jedoch, wenn unlautere Umstande hinzutreten. Es kommt auf die Feinheiten, auf die Nuancen an. Eine Unlauterkeit liegt insbesondere dann vor, wenn auf die Kunden in unan­gemessener Weise eingewirkt wird. Eine unangemessene Einwirkung auf die Kunden wird dann angenommen, wenn der Kunde unzumutbar belästigt oder irregeführt wird oder Maßnahmen zum Einsatz kommen, die auf eine Verdrängung des Wettbewerbers abzielen. Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Kunde unzumutbar belästigt wird, ist zum Schutz der Privatsphäre des Kunden unzulässig. Daher stellt die Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung eine unzumutbare Belästigung dar und ist daher unzulässig. Die Einwilligung des Angerufenen muss vor dem Anruf vorliegen. Eine nachträgliche Einwilligung, etwa im Rahmen des Anrufs, genügt nicht. Die Einwilligung muss auch ausdrücklich erklärt worden sein. Eine konkludente oder nur mutmaßliche Einwilligung ist nicht ausreichend. Das Bestehen von persönlichen Beziehungen zwischen dem Anrufer und dem Angerufenen rechtfertigt nicht die Annahme einer ausdrücklichen Einwilligung.

Vierter Stolperstein: Die Kundendaten

Unlauter ist schließlich die Abwerbung der Kunden unter Verwertung der (zurückgehaltenen) Kunden- und/oder Vertragsdaten. Kunden- und Vertragsdaten sind mit Beendigung des Handelsvertreter­vertrages herauszugeben. Das neu eingeführte Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) und dort insbesondere die Vorschrift nach § 23 schützt den Unternehmer vor einer Verletzung seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Sowohl die Kunden- als auch die Vertragsdaten stellen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dar, da es sich nicht um offenkundige, sondern nur einem begrenzten Personenkreis bekannte Tatsachen, an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat, handelt, die nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Das Verwertungsverbot betrifft grundsätzlich alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem ausgeschiedenen Handelsvertreter während des Vertragsverhältnisses bekannt geworden sind. Es ist auch ohne Belang, ob es sich bei den Kunden um zur Betreuung übertragene Kunden oder aber selbst geworbene Kunden handelt. Davon ausgenommen sind lediglich diejenigen Informationen, die der Handelsvertreter in seinem Gedächtnis bewahrt hat oder auf die er aufgrund anderer Quellen zugreifen kann, zu denen er befugtermaßen Zugang hat. Diese Daten dürfen auch später unbeschränkt verwendet werden. Zu beachten ist, dass § 23 GeschGehG zugleich ein Straftatbestand ist. Verstöße können damit nicht mehr nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich geahndet werden.

Der erste Schritt sollte daher nicht die Kündigung oder die Bitte nach einem Aufhebungsvertrag sein. Eine grundlegende Beratung vor einem Wechsel empfiehlt sich, denn die oben genannten Stolpersteine erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch kommen diese in der Praxis am häufigsten vor.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Ljupco Smokovski – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Michaela Ferling