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14. November 2023
Norman Wirth: So positioniert sich der AfW zu aktuellen Themen
Norman Wirth: So positioniert sich der AfW zu aktuellen Themen

Norman Wirth: So positioniert sich der AfW zu aktuellen Themen

Ob Provision, EU-Kleinanlegerstrategie oder künstliche Intelligenz: die Themen, die die Vorsorge- und Finanzberatung in ganz unterschiedlicher Weise beeinflussen, nehmen kontinuierlich zu. Wie geht der Vermittlerverband AfW mit dieser Fülle an Themen um? Und inwiefern wird diese Interessenvertretung durch die Mitglieder wertgeschätzt?

Interview mit Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. (AfW)
Herr Wirth, künstliche Intelligenz (KI), insbesondere die Nutzung sogenannter Chatbots wie ChatGPT, ist aktuell in aller Munde. Welche Rolle spielt das Thema im AfW-Verband bzw. bei den AfW-Mitgliedern?

Wir sind hier insbesondere mit unserer Community #DIE34ER im Austausch. Nach unseren Erkenntnissen setzen ca. 25% der jüngeren Vermittlerinnen und Vermittler bereits KI-Tools aktiv in ihrem Beratungsalltag ein und weitere 25% planen, es sehr bald zu tun. Dabei geht es hauptsächlich um die Unterstützung der Social-Media-Arbeit bzw. um die Unterstützung bei der Texterstellung.

Welche Einsatzmöglichkeiten von KI machen für Sie in der Finanzanlagenvermittlung denn am ehesten Sinn?

Letztlich sollte das Ziel des Einsatzes von KI sein, uns von lästigen administrativen, sich stets wiederholendenden Tätigkeiten so weit wie möglich zu entlasten, um wieder mehr Zeit für die Tätigkeit zu bekommen, für die wir eigentlich angetreten sind: unsere Kunden umfassend zu beraten und zu betreuen.

Es wird sehr spannend sein zu beobachten, wie auch KI-unterstützte digitale Avatare in den Beratungsmarkt eintreten. Dies könnte für Basisprodukte spannend werden, die über die eigene Website vertrieben werden. Wir sind und bleiben aber soziale Wesen, daher bleibt die Kundenbindung etwas, was die KI nicht ersetzen können wird.

Von gesellschaftlicher Relevanz ist die angedachte Reform der privaten Altersvorsorge. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Fokusgruppe: Welche Folgen wird das für die Finanzberatung rund um die private Altersvorsorge haben?

Der Abschlussbericht der Fokusgruppe enthielt deutlich mehr, als zu erwarten war. Die Befürchtung, dass man sich in der Gruppe quasi neutralisiert, weil die – teilweise auch ideologisch geprägten – Auffassungen zu manchen Themen zu gegensätzlich waren, hat sich nicht realisiert. Vernunft hat sich durchgesetzt. Riester soll endlich reformiert werden und man verabschiedet sich von der problematischen Idee eines Staatsfonds bzw. eines öffentlich verantworteten Vorsorgefonds in der privaten Altersvorsorge.

Gerade bei Riester sind die Vorschläge überzeugend: die Garantien sollen fallen, es soll keine Verrentungspflicht mehr bestehen und eine Auszahlung soll zum Beispiel auch für die selbst genutzte Immobilie verwendet werden können, sei es zur Sanierung, zum altersgerechten Umbau oder zur Tilgung einer Immobilienfinanzierung.

Insgesamt scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass risikoorientierter, offensiver vorgegangen werden muss, da ansonsten keine Chance besteht, die Altersvorsorgelücke zu schließen. Der klare Blick auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten deuten da eine Zeitenwende an. Der Vorschlag eines Altersvorsorgedepots, in dessen Rahmen in Fonds, aber auch in andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investiert werden könnte, wäre eine zukunftsfähige Neuerung aus Sicht des AfW.

Besonders begrüßt haben wir, dass beim Thema der geringen Kosten einmal nicht die Vermittlervergütung prominent platziert wird, sondern vielmehr Produkt- und Bürokratieanforderungen zur Senkung der Kosten vereinfacht werden sollen.

Wichtig ist nun, dass sich die Vorschläge auch im Gesetzestext wiederfinden, oder?

Ja, es bleibt abzuwarten, was von den Vorschlägen der Fokusgruppe letztlich den Weg in ein Gesetzgebungsverfahren finden wird. Wenn die Vorschläge umgesetzt werden sollten, unterstreicht das auch den sozialen Auftrag an die Branche. Es betont aber auch, dass qualifizierter, guter Rat mehr denn je gefragt sein wird. Und guter Rat ist nicht umsonst zu bekommen. Wer das eine will, darf nicht beim anderen – also der Vergütung – sparen wollen. Die Uhr tickt. Reformen sind überfällig. Der AfW wird den Prozess weiter konstruktiv begleiten.

Sprechen wir auch über den Themenkomplex „Provision“. Wieso hat sich das Ziel einer stärkeren Beteiligung von Kleinanlegern an den internationalen Kapitalmärkten scheinbar nur noch auf die Frage „Provisionsverbot: ja oder nein?“ verdichtet?

Das hat es nicht. Es gibt eine Vielzahl von Kritikpunkten an dem vorgestellten Entwurf der Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission (AssCompact berichtete). Nun ist es aber so, dass das umfassende Provisionsverbot, wie es ursprünglich von Kommissarin McGuinness angekündigt war, und damit auch die Banken, die Ausschließlichkeit, die Strukturvertriebe, die Sparkassen etc. getroffen hätte, vorerst nicht kommt. Dort findet sich dann auch kein Augenmerk mehr auf das potenzielle Provisionsverbot für die Maklerschaft. Das ist nun allein unser Thema und das der Maklerkollegen in anderen Ländern wie Österreich. Daher legen wir nun ganz besonders den Schwerpunkt unserer Bemühungen auf diesen Punkt. Wir stimmen mit letztlich allen Verbänden überein, dass wir ein Provisionsverbot für falsch halten. Zusätzlich haben wir die Aussage in einem Gutachten erhalten, dass Versicherungsmakler nach aktueller Formulierungslage darunter fallen. Was sollen wir tun? Appeasement, abwarten und damit die Interessen unserer Mitglieder gefährden? Das kann nicht der Weg sein. Wir haben einen Auftrag von unseren Mitgliedern, uns für ihre Interessen einzusetzen, und diesen Auftrag nehmen wir ernst.

Der AfW arbeitet auch mit Maklerpools und -verbünden zusammen. Sollte ein Provisionsverbot im Anlagebereich kommen, sehen wir dann größere Verschiebungen bei Pools und Haftungsdächern? Wäre man dort darauf vorbereitet?

Am 22.10.2013 wurde in Dortmund die beim AfW angesiedelte Initiative „Pools für Makler“ gegründet. Die Initiative bietet seit der damaligen Diskussion um das Lebensversicherungsreformgesetz den maßgeblichen Pools und Verbünden ein Podium für den Meinungsaustausch, gemeinsame Aktionen sowie eine einheitliche Stimme bei allen die Pools und Verbünde betreffenden Sachthemen. Diese Plattform hat sich über die Jahre einen hohen Stellenwert erarbeitet. Selbstverständlich wird auch in diesem Rahmen die gesamte Problematik der EU-Kleinanlegerstrategie einschließlich Provisionsverbot diskutiert, sehr eng begleitet und man unterstützt intensiv den Kurs des AfW diesbezüglich. Und natürlich wird in den einzelnen Häusern jedes Szenario betrachtet und durchgespielt. Das ist ein betriebswirtschaftliches Muss. Inwiefern es beim Eintreten des Worst Case zu größeren Verschiebungen käme, entzieht sich meinen hellseherischen Fähigkeiten.

Einige Verbände, wie der AfW, haben nun Stellungnahmen zum EU-Richtlinienvorschlag eingereicht. Was erhoffen Sie sich davon? Und was können die angeführten Punkte innerhalb der EU-Kommission bewirken?

Wir bringen unsere Argumente nicht nur in der veröffentlichten Stellungnahme vor. Es werden unzählige Gespräche geführt – mit Politikern in Deutschland und auf EU-Ebene, direkt oder auch über unseren europäischen Dachverband FECIF. Interessenvertretung ist wie ein Eisberg: nur ein Siebtel davon sieht man. Wir stimmen uns mit guten Partnern in Deutschland und auf EU-Ebene ab. Und natürlich erhoffen wir uns, dass die Vernunft sich durchsetzt und es keinen rechtswidrigen Eingriff in das Vergütungssystem geben wird. Der Ball liegt jetzt beim europäischen Gesetzgeber, dem Parlament und dem Rat. Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag ja bereits gemacht.

Am Beispiel der Novellierung der EU-Kleinanlegerstrategie ist nachzuverfolgen, wie bedeutsam Verbandstätigkeit in der politischen Arena ist. Sind sich die Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler an der Basis dessen überhaupt bewusst?

Ja, unsere Mitglieder auf jeden Fall. Deswegen sind sie im AfW. Man muss aber feststellen, dass wir noch viel Potenzial in der Vermittlerschaft haben.

Wie schlägt sich das beim AfW nieder? Profitieren zum Beispiel die Mitgliederzahlen davon? Und welche Reaktionen aus der Mitgliederschaft erhalten Sie?

Wir haben seit Jahren sehr konstante Mitgliederzahlen. Konstant leicht steigend. Das ist einerseits gut, da es uns gelingt, die Abgänge, die sich in der Regel altersbedingt ergeben, auszugleichen. Andererseits würden wir uns natürlich mehr Mitglieder wünschen und tun hierfür auch viel. Aber immerhin, aktuell haben wir über 1.800 Maklerinnen und Makler inklusive juristischer Personen mit Maklerzulassung unter unseren ca. 2.100 Mitgliedern. Zudem haben fast 1.300 unserer Mitglieder eine Zulassung nach § 34f Gewerbeordnung als Finanzanlagenvermittler und sogar knapp 1.000 eine Zulassung nach § 34i Gewerbeordnung, also als Immobiliardarlehensvermittler. Sie sehen, die O Unabhängigkeit und der Allfinanzgedanke finden sich bei uns hervorragend aufgehoben. Das spiegelt sich auch in den durchgehend positiven Reaktionen aus der Mitgliederschaft zu unserer politischen Interessenvertretung in der ganzen Breite der damit einhergehenden Themen wider. Man vertraut und unterstützt uns.

Was macht denn die Stärke eines Interessenverbandes aus? Die Mitgliederzahl? Die Vernetzung in Berlin oder Brüssel?

Ja und ja. Und ergänzend natürlich die Akzeptanz und Vernetzung innerhalb der Branche und sicherlich auch eine gute Kommunikation nach außen und innen. Bei allem haben wir immer noch Potenzial, besser zu werden. Wir sehen uns aber auf einem guten Weg.

Wie ist es denn mit Blick auf den Entwurf zur EU-Kleinanlegerstrategie generell um die Verbändelandschaft in der Vermittlerschaft hierzulande bestellt? Haben Sie das Gefühl, dass alle gleichermaßen an einem Strang ziehen?

Hier besteht partiell noch Optimierungspotenzial. Grundsätzlich sehen wir uns aber mit sehr vielen guten Partnern im offenen und vertrauensvollen Austausch und in Abstimmung über eine gemein­same Vorgehensweise.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 11/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Norman Wirth, AfW; © Foto-Ruhrgebiet – stock.adobe.com

 
Interview mit
Norman Wirth