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28. August 2023
Neues Gutachten hält Provisionsverbot für rechtswidrig
Neues Gutachten hält Provisionsverbot für rechtswidrig

Neues Gutachten hält Provisionsverbot für rechtswidrig

Der AfW hat beim Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski ein Gutachten zur Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission, die im Mai 2023 vorgestellt wurde und auch ein Provisionsverbot für Versicherungsanlageprodukte beinhaltet, in Auftrag gegeben. Fazit: Die Rechtmäßigkeit des Vorschlags sei wohl anzuzweifeln.

Nun ist Ende August und es gibt nach wie vor keine Nachrichtennot beim Thema Provisionsverbot. Erst diesen Monat gab es eine Studie vonseiten des Fondsverbands BVI, die besagt, dass durch ein solches Verbot keine höheren Renditen erwirtschaftet würden (AssCompact berichtete). Gleichzeitig bleiben die Rufe von Verbraucherschützern, die sich dafür einsetzen, nicht aus (AssCompact berichtete).

Hintergrund der Diskussion: das geplante Provisionsverbot für die Beratung und Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten, welches in der im Mai 2023 vorgestellten EU-Kleinanlegerstrategie vorzufinden ist. Doch es wird nicht nur infrage gestellt, ob jenes Verbot eine verbraucherschützende Funktion hat, sondern auch die generelle Frage, ob es rechtens ist. Diese Frage sollte Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin im Auftrag des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW klären und hat dazu ein Gutachten erstellt. Die wesentlichen Punkte dessen hat der AfW in einem Pressestatement zusammengefasst.

Gutachten: Provisionsverbot nicht rechtskonform

Schwintowski, der selbst u. a. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundes der Versicherten ist und lange Jahre Mitglied des Versicherungsbeirats bei der BaFin war, stellt in seinem Gutachten fest, dass die vorgesehene Regelung in Art. 30 Absatz 5b RL-E nicht mit europäischem Recht vereinbar und somit nichtig sei, so der AfW. Der auf Versicherungsrecht und Wettbewerbsrecht spezialisierte Jurist hält fünf Punkte mit Blick auf die Europarechtswidrigkeit fest.

Zum einen fehle es an einer Kompetenzgrundlage, die die Regelung legitimiert. Denn sie erleichtere die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit für Versicherungsmakler nicht, sondern erschwere sie erheblich. Weiterhin seien im Rahmen der Regelung das „Kohärenzprinzip“, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus den Verträgen über die Europäische Union und die Arbeitsweise der Europäischen Union verletzt. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb seien ebenfalls verletzt sowie die wirtschaftliche Freiheit und der Gleichheitssatz. Abschließend würden Versicherungsmakler, so Schwintowski, gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert. Sie wären somit nicht mehr wettbewerbsfähig.

Nachteile für Vertrieb und Kunden

Laut Gutachten wäre hiervon die Folge, dass nicht nur die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit als Makler im europäischen Binnenmarkt erschwert würden, sondern auch der Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten im Binnenmarkt. Die Wettbewerbsbedingungen für den Vertrieb würden durch das Verbot sehr unterschiedlich werden.

Für die Kunden entstehe ebenso ein großer Nachteil, der darin bestehe, dass sie auf den Sachverstand unabhängiger Sachwalter, die in ihrem Kundeninteresse tätig sind, nicht mehr zählen könnten. Denn diese könnten sich im Wettbewerb gegenüber Versicherungsvertretern nicht mehr behaupten. Das Beratungsangebot würde ausgerechnet um diejenigen Vermittler reduziert werden, die im Interesse ihrer Kunden Produkte vergleichen und einen Überblick über den Markt geben könnten.

Makler wesentlich für Wettbewerb

Weiterhin falle dem Gutachten zufolge ein wesentlicher Aspekt des Wettbewerbs um den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten weg, sollten die Makler daraus ausscheiden. Denn diese seien ein wesentlicher Treiber des Wettbewerbs um die besten Produkte. Die gebundenen Vertreter könnten diesen Wettbewerb gegenseitig nicht realisieren, da sie an einen bestimmten Anbieter gebunden seien.

Das Ausscheiden der Makler wäre laut Schwintowski für die Offenheit und Funktionsfähigkeit der Märkte von großem Nachteil. Denn die Anpassung der Produktmerkmale an die jeweils besten Produkte werde letztlich über die Makler getrieben. Sie seien der „verlängerte Arm und das Sprachrohr der Kunden“. Vertreter würden eine vergleichbare Funktion nicht erfüllen. Demzufolge dürften sie bei ihrer Honorierung gegenüber gebundenen Vertretern nicht benachteiligt oder diskriminiert werden. Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs um Versicherungsanlageprodukte im Interesse der Kunden sei sonst nicht gewährleistet. Folglich sei Artikel 30 Absatz 5b RL-E aus der EU-Kleinanlegerstrategie nicht mit dem europäischen Recht zu vereinbaren und somit ungültig. Schwintowski empfiehlt daher, die Regelung ersatzlos zu streichen. (mki)

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