AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
1. Juni 2024
Nachprüfung in der privaten BU: Rechte, Pflichten und Stolperfallen

Nachprüfung in der privaten BU: Rechte, Pflichten und Stolperfallen

Sofern ein Leistungsfall eingetreten ist und der Versicherer eine BU-Rente zahlt, darf der Versicherer regelmäßig prüfen, ob die versicherte Person weiterhin berufsunfähig ist. Dabei handelt es sich um die sogenannte Nachprüfung. Doch was ist dabei zu beachten, welche Umstände sind bedeutsam und wo gibt es Stolperfallen?

Ein Artikel von Heiko Schönsiegel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Ver­sicherungsrecht bei MEILENSTEIN Rechtsanwälte

Hat ein Versicherer seine Leistungspflicht aufgrund Berufsunfähigkeit (BU) eines Versicherungsnehmers anerkannt und bezahlt er eine BU-Rente, hat er das Recht auf eine regel­mäßige Nachprüfung. Für eine Nachprüfungsentscheidung gelten jedoch hohe Anforderungen. Doch der Reihe nach.

Anerkenntnis im Rahmen des Erstprüfungsverfahrens bindet

Steht die Leistungspflicht des Berufsunfähigkeitsversicherers nach Abschluss des Erstprüfungsverfahrens durch die Abgabe eines unbefristeten Anerkenntnisses (oder eine Verurteilung dazu) fest, verpflichtet dies zur Leistungserbringung auch in die Zukunft gerichtet. Hiervon kann sich der Versicherer einzig dadurch lösen, dass er ein vertraglich vorgesehenes Nachprüfungsverfahren durchführt. Die im Detail unterschiedlichen Bedingungswerke in der Berufsunfähigkeitsversicherung sehen die Möglichkeit der Nach­prüfung durch die Versicherung regelmäßig vor.

Umfang der Nachprüfung – nur nachträgliche Änderungen sind von Bedeutung

Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist in Erst- und Nachprüfung inhaltlich identisch („spiegelbildlich“) zu verstehen. Unzulässig wäre ein Neuaufrollen und -bewerten des Sachverhalts, der dem Anerkenntnis zugrunde lag. Ausgangspunkt ist daher stets, ob nachträglich Umstände zu einem Wegfall der Berufsunfähigkeit geführt haben. Der Versicherer kann sich insbesondere in zwei am häufigsten vorkommenden Konstellationen von seiner Leistungspflicht lösen. Erstens dann, wenn sich die gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Versicherten auf ein über der vertraglichen Leistungsgrenze liegendes Maß verbessert hat („Gesundheitsverbesserung“), und zweitens dann, wenn der Versicherte eine Verweistätigkeit konkret ausübt. Bei selbstständigen Versicherten können auch neue Umorganisationsmöglichkeiten relevant sein.

Bedingungswerk maßgeblich

Welche Rechte und Pflichten bestehen und welche Umstände für die Nachprüfung bedeutsam sind, kann nur anhand des konkret maßgeblichen Bedingungswerkes beantwortet werden. So sehen beispielsweise manche Bedingungen für die Frage, ob eine zumutbare Verweis­tätigkeit vorliegt, feste prozentuale Grenzen (20%) einer noch zumutbaren Einkommensminderung vor.

Umkehr der Beweislast

Der Versicherungsnehmer erlangt mit dem Anerkenntnis eine starke Rechtsposition: Einen späteren Wegfall seiner Leistungspflicht hat der Versicherer im Prozess darzulegen und zu beweisen. Der Ver­sicherte kann allerdings eine sog. sekundäre Beweislast haben für solche Umstände, die in seiner Sphäre liegen. Beispielhaft ist hier die konkret ausgeübte Tätigkeit zu nennen, deren Ausgestaltung im Detail nur der Versicherte kennt.

Mitwirkungspflicht des Versicherten

Der Versicherte muss, dies folgt schon aus § 31 VVG und dürfte auch in nahezu allen Bedingungen als vertragliche Obliegenheit festgehalten sein, auch ohne Aufforderung wesentliche Veränderungen unverzüglich mitteilen. Dies betrifft vor allem eine Minderung des Grades der Berufsunfähigkeit als auch die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit. Die Sanktionen für Obliegenheitsverletzungen sind unterschiedlich geregelt, je nach Bedingungswerk. Eine volle oder teilweise Leistungsfreiheit ist im Einzelfall möglich.

Mit Einleitung der Nachprüfung kann der Versicherer sachdienliche Auskünfte über den Gesundheitszustand und die aktuelle berufliche Tätigkeit verlangen. Zusätzlich kann der Versicherer fordern, dass sich die versicherte Person durch vom Versicherer beauftragte Ärzte untersuchen lässt, dies allerdings üblicherweise nur einmal jährlich. Die Kosten hierfür trägt der Ver­sicherer. Die Häufigkeit der Nachprüfung ist weder im Gesetz noch in den Bedingungswerken geregelt. Wie oft ein Versicherer nachprüft, hängt vom Einzelfall ab. Hier spielt die Schwere der Erkrankung sicherlich eine große Rolle.

Hohe Hürden für Versicherer, was die Begründung angeht – typische Stolperfallen

Häufiger Streitpunkt, hier liegen auch die typischen „Stolperfallen“, an denen die Wirksamkeit scheitern kann, sind die formellen Anforderungen an die Nachprüfungsentscheidung. An die (schriftliche) Begründung stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Denn sie soll dem Versicherten die für die Einschätzung seines Prozessrisikos erforderlichen Informationen geben und muss nachvollziehbar sein. Eine formell ordnungsgemäße Nachprüfungsentscheidung ist Voraussetzung dafür, dass die Leistungspflicht des Versicherers endet (bzw. enden kann).

Gerade die (behauptete) Gesundheitsverbesserung ist in der Praxis fordernd: Zu einer nach der Rechtsprechung erforderlichen Vergleichsbetrachtung (Zustand bei Eintritt des Versicherungsfalls, Zustand nun) gehören auch die aus medizinischen Erkenntnissen gezogenen berufsbezogenen Schlussfolgerungen. Eine Bezugnahme auf ein eingeholtes Gutachten kann ausreichen, wenn dies hinreichend transparent erfolgt und das Gutachten für sich genommen schlüssig ist.

Im Licht des Transparenzge­botes kann eine Begründung allerdings auch zu umfangreich geraten und auch eine mangelhafte Gestaltung kann im Einzelfall zu Unwirksamkeit führen. So hatte das Landgericht Waldshut-Tiengen eine formelle Unwirksamkeit damit begründet, dass die Mitteilung mit über acht Seiten, noch dazu in kleiner Schrift und engem Zeilenabstand, viel zu umfangreich und damit unzumutbar geraten war, auch da sie jedwede Gliederung vermissen ließ. Hier besteht also aus Sicht der Versicherer tatsächlich das sprichwörtliche „Spannungsfeld“, die Entscheidung einerseits nachvollziehbar und in den wesentlichen Aspekten zu begründen, aber den Versicherten zugleich nicht mit zu umfangreichen Ausführungen zu überfordern. Wenn die Ausführungen in der Erstprüfung eher knapp waren, muss der Versicherer zumeist die Begründung in der Nachprüfung ausführlicher gestalten. Formelle Mängel kann der Versicherer in der Regel „heilen“, dann aber nur für die Zukunft.

Schonfrist

Je nach Bedingungswerk beginnt die durch die Leistungsentscheidung begründete Leistungsfreiheit nicht vor Ablauf eines Monats, bei neueren Verträgen nicht vor Ablauf des dritten Monats nach der Erklärung des Versicherers. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Zugang der Nachprüfungsentscheidung, den der Versicherer nach allgemeinen Grund­sätzen zu beweisen hat.

Fazit: Bedingungswerk kennen

Welche konkreten Rechte und Pflichten im Rahmen einer Nachprüfung bestehen, wie sich der Versicherte konkret verhalten sollte, worauf der Versicherer seinerseits insbesondere bei der Begründung achten muss, ist im Lichte umfangreicher Rechtsprechung eine nicht nur komplexe, sondern auch sehr spannende Fragestellung. Unabdingbar ist hierbei stets, das maßgebliche Bedingungswerk zu kennen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Simon Coste – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Heiko Schönsiegel