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12. April 2022
Nachhaltigkeit: „Wir werfen über 800 Mrd. Euro in die Waagschale“
Nachhaltigkeit: „Wir werfen über 800 Mrd. Euro in die Waagschale“

Nachhaltigkeit: „Wir werfen über 800 Mrd. Euro in die Waagschale“

Als einer der größten Investoren in Deutschland hat die Allianz bei der Nachhaltigkeitstransformation eine bedeutsame Rolle. ESG-Kriterien werden in den gesamten Anlageprozess integriert. Bei der Entwicklung von Produkten sucht der Versicherer das Gespräch mit nachhaltigkeitsaffinen Vermittlern.

Ein Interview mit Dr. Thomas Wiesemann, Vorstand Vertrieb bei der Allianz Lebensversicherungs-AG und Maklervertrieb Allianz Private Krankenversicherungs-AG, und Andreas Lindner, Chefanleger der Allianz Leben
Herr Lindner, wie groß ist die Rolle der Allianz bei der nachhaltigen Transformation?

Andreas Lindner Als großer institutioneller Investor verfügen wir natürlich über Einfluss auf die Unternehmen, in die wir investieren. Diesen nutzen wir aktiv, um die notwendige Transformation hin zu einer CO2-­neutralen Wirtschaft zu unterstützen. Als Allianz Gruppe werfen wir über 800 Mrd. Euro an Kapitalanlagen in die Waagschale, davon stammen rund 360 Mrd. Euro von der Allianz Leben und der Allianz Private Krankenversicherung.

Der Effekt, den wir auf diesem Weg erzielen können, ist durchaus spürbar. Weil wir das nur gemeinsam schaffen können, haben wir 2019 unter dem Dach der Vereinten Nationen die Net Zero Asset Owner Alliance (AOA) mit ins Leben gerufen und uns mit mittlerweile 63 weiteren Investoren und einem Anlagekapital von über 10 Bio. US-Dollar dazu verpflichtet, unsere Portfolios bis 2050 vollständig zu dekarbonisieren.

Was bedeutet dies für Ihre Anlagestrategie?

AL Dass wir Verantwortung tragen und genau prüfen müssen, wen oder was wir mit unseren Geldern finanzieren. So integrieren wir ESG-Kriterien in den gesamten Anlageprozess und beziehen Klimaziele wie die Höhe des CO2-Ausstoßes in unsere Investmententscheidungen ein. Im Rahmen unserer AOA-Engagements haben wir uns beispielsweise dazu verpflichtet, den CO2-Fußabdruck unseres Aktien-, Unternehmensanleihe- und Immobilienportfolios bis Ende 2024 um ein Viertel zu reduzieren. Angesichts eines Anlagevolumens von 120 Mrd. Euro in diesen Asset-Klassen bedeutet das bei der AZL und APKV eine jährliche CO2-Einsparung von weit über zwei Millionen Tonnen. Hinzu kommen Investitionen in klimapositive Anlagen von mehr als 20 Mrd. Euro.

Auch mit Blick auf unsere Kundinnen und Kunden spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle – schließlich begleiten wir sie über Jahrzehnte hinweg, was bedeutet, dass unsere Kapitalanlagen langfristig wertstabil ausgerichtet sein müssen.

Herr Dr. Wiesemann, ist es Kunden und Vertriebspartnern mit Nachhaltigkeitsinteresse erklärbar, wenn Anlagen in Atomenergie und Gas im Sicherungsvermögen eines großen Versicherers vorkommen?

Dr. Thomas Wiesemann Wir dürfen nicht vergessen, dass die Energieversorgung in Europa heute noch zu großen Teilen auf diesen Rohstoffen und Technologien basiert. Man muss sich stattdessen fragen, wie wir sie zielgerichtet durch andere Energielieferanten ersetzen können. Und zwar ohne, dass sich das unverhältnismäßig negativ auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirkt. Entscheidend für den Klimaschutz ist der Wandel der Wirtschaft hin zu emissionsarmen Geschäftsmodellen. Dies wird in den nächsten zwei Jahrzehnten über den Zuwachs an erneuerbaren Energien bei gleichzeitigem Auslaufen von kohlebasiertem Strom im globalen Energiemix angetrieben. Wichtig ist angesichts der steigenden Strompreise und Inflation eine sozial verantwortungsvolle Energiepolitik, die Empfehlungen der Klimaforschung folgt. Die Allianz unterstützt diesen Wandel aktiv über die Umsetzung des 1,5-Grad-Klimaziels im Kerngeschäft.

Welche Anlagen schließen Sie konkret aus?

TW Wir verfolgen für unser Sicherungsvermögen eine Nachhaltigkeitsstrategie mit klaren ESG- und Ausschlusskriterien. So investieren wir zum Beispiel nicht im Bereich biologischer und chemischer Waffen, Anti-Personen-Minen, Streubomben und Atomwaffen. Seit 2015 hat die Allianz über 6,3 Mrd. Euro Investitionen in kohlebasierte Geschäftsmodelle auslaufen lassen. Auch Ölsandprojekte sind für uns tabu. Dagegen treiben wir den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung voran: So hat die Allianz zuletzt 25% des weltgrößten Offshore-Windparks vor der holländischen Küste erworben, der rund zwei Millionen Haushalte mit Strom versorgen wird.

Versicherer reagieren unterschiedlich: Es gibt nachhaltige Aus- oder Neugründungen, nachhaltige Marken und grüne Produktlinien. Braucht die Allianz das nicht?

AL Wir können den Klimawandel nur dann auf das 1,5-Grad-Ziel begrenzen, wenn sich Staaten und Unternehmen weltweit auf eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 verpflichten. Das wiederum wird uns nur dann gelingen, wenn wir unser gesamtes Volumen an Kapitalanlagen einbringen. Nachhaltigkeit ist Basis unserer Kapitalanlagestrategie und liegt all unseren Produkten zugrunde.

Eine grüne Vorsorge-Variante haben Sie im vergangenen Jahr dann doch auf den Markt gebracht. Was ist dann dort noch einmal besonders grün?

TW InvestFlex Green ist eine fondsgebundene Rentenversicherung, bei der über 30 ausschließlich nachhaltige Fonds und ETFs renommierter Fondsgesellschaften zur Auswahl stehen. Zugrunde liegt eine systematische und mehrstufige Fondsauswahl und regelmäßige Qualitätsprüfung. InvestFlex Green ist also für Menschen gedacht, die ganz bewusst nachhaltig vorsorgen wollen. Eingesetzt werden kann sie als Basisrente, Direktversicherung im Rahmen der bAV und in der Privatvorsorge.

Gibt es noch andere Beispiele?

TW Nachhaltigkeit umfasst ja auch soziale Aspekte. Hier geht es unter anderem darum, Zugang zu Versicherungsschutz für einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu gewährleisten. Für Diabetiker etwa konnte es bis vor Kurzem mitunter schwierig bis unmöglich sein, eine Risikolebensversicherung abzuschließen. Die Allianz Leben wollte ihnen diesen Zugang erleichtern und hat 2020 eine spezielle Risikolebensver­sicherung für Diabetiker entwickelt, die im Folgejahr dann sogar als Vorsorgeprodukt des Jahres ausgezeichnet wurde.

Spüren Sie denn tatsächlich eine große Nachfrage aufseiten von Versicherungsmaklern und Kunden?

TW In der Gesellschaft findet ein Umdenken statt, das Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Relevanz und man merkt, dass Privat- und Firmenkunden zunehmend sensibilisiert sind. Zwei Drittel der Deutschen achten beim Kauf von Produkten auf Nachhaltigkeit und das Thema Klimaschutz beeinflusst zunehmend auch bei Finanzprodukten das Kaufverhalten. Zudem haben wir bereits 2016 begonnen, regelmäßige Dialoge mit nachhaltigkeitsaffinen Vermittlern zu führen, und erhalten dadurch wichtige Impulse für die Entwicklung unseres Angebots. Über die Allianz Maklerakademie bieten wir Weiterbildungsangebote zu Nachhaltigkeit und Beratung an und unterstützen mit Themenseiten auf unserem Vermittlerportal.

Und welche Zeithorizonte setzen Sie sich ?

AL Im Kundenportfolio in der Schaden- und Unfallversicherung und der Anlage der Versichertengelder reduzieren wir die Treibhausgasemissionen in Fünf-Jahres-Schritten bis spätestens 2050 auf nettonull, dazu zählt auch das Auslaufen der kohlebasierten Risiken bis spätestens 2040. Eine erste konkrete Zielmarke ist das Jahr 2025. Bis dahin soll der CO2-Fuß­abdruck in den Portfolios der AZL und der APKV um rund zwei Millionen Tonnen CO2 verglichen mit 2019 reduziert werden. Per Ende 2021 stehen wir bereits bei einer Einsparung von 1,4 Millionen Tonnen und sind somit auf einem sehr guten Weg.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 24. f, und in unserem ePaper.

Bild: © WrightStudio – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Andreas Lindner
Dr. Thomas Wiesemann