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2. Juli 2024
Muss es der Verkauf sein? Wie man ein Maklerhaus in zweiter Generation führt

Muss es der Verkauf sein? Wie man ein Maklerhaus in zweiter Generation führt

Die Konsolidierung ist bei einigen Maklerhäusern derzeit das Mittel der Wahl, um die weitere Betreuung des Kundenbestands sicherzustellen. Doch es gibt auch Gegenbeispiele wie etwa Michael Ostermann von der Wirtschafts-Assekuranz-Makler-AG, der das Unternehmen nun von seinem Vater übernommen hat. Im Interview gibt er einen Einblick ins Geschäft.

Interview mit Michael Ostermann, Vorstand bei der Wirtschafts-Assekuranz-Makler-AG
Herr Ostermann, mit Ihrem noch jungen Alter zählen Sie zur zweiten Generation, die nun nach und nach in die familiengeführten Maklerhäuser einsteigt. Welche Aufgaben stellen sich Ihnen, um Ihr Maklerhaus zukunftsfest aufzustellen?

Auch für mich in der zweiten Unternehmensgeneration sind die Aufgaben ähnlich wie bei meinem Vater als Unternehmensgründer. Kundengewinnung und Bindung sind hier zwei Beispiele die ganz wesentlich für mich sind. Natürlich hat sich die Welt weitergedreht und deutlich geändert. So sind die neuen Herausforderungen auch die Mitarbeitergewinnung und -bindung. Dies war früher vielleicht noch nicht so herausfordernd wie heute. Die neuen Aufgaben durch die Digitalisierung kommen natürlich noch dazu.

Inwiefern unterscheiden sich Ihre Aufgaben denn von den Aufgaben der ersten Generation, also in Ihrem Fall die des Gründers des Maklerhauses, Ihres Vaters?

Ich darf ein Maklerhaus in der zweiten Generation weiterführen. Aktuell haben wir knapp 50 Mitarbeitende bei uns in Amberg. Diese Unternehmensgröße kommt natürlich u. a. mit dem vertrieblichen Erfolg des Unternehmens. Allerdings sind durch dieses Wachstum verschiedene administrative Prozesse nicht in derselben Geschwindigkeit mitgewachsen, wie das in einem mittelständischen Unternehmen eben so ist. Daher ist meine Aufgabe u. a. auch die innerbetriebliche Prozessoptimierung. Als ich vor mittlerweile zwei Jahren bei der WIASS angefangen habe, war es mir sehr wichtig, zu verstehen, wie die Kollegen arbeiten. Daher habe ich mich in der ersten Zeit bei jedem Kollegen an den Schreibtisch gesetzt und mir die täglichen Arbeitsabläufe und die zum Teil verschiedenen Arbeitsweisen angesehen, Fragen gestellt und gelernt. Ich glaube, die Zukunft lässt sich nur gestalten, wenn die Vergangenheit richtig verstanden wurde.

Erfolgreiche Maklerhäuser arbeiteten über Jahre und Jahrzehnte mit erfolgsversprechenden Routinen. Nun ändern sich Kundenpräferenzen schlagartig, die Digitalisierung beeinflusst Prozesse, dazu die Konsolidierungswelle. Wie wichtig ist es für ein inhabergeführtes Maklerhaus, neue Wege zu denken und zu gehen?

Der Spruch „Es muss sich etwas ändern, damit es gleich bleiben kann“ ist aktueller denn je. Die Digitalisierung schafft neue Anforderungen und Herausforderungen, aber selbstverständlich auch große Chancen. Hier sind die großen Vorbilder ganz klar Amazon, Netflix, Spotify und Co. Die Menschen sind es aus dem Alltag gewohnt, Informationen und Unterlagen jederzeit einsehen und selbständig agieren zu können. Wie kann man in der heutigen Zeit einem Kunden wirklich noch nachvollziehbar erklären, dass die Dokumentierung einer Police auch mal drei Wochen dauern kann? Wenn man ehrlich ist, eigentlich gar nicht mehr.

Auch wenn die Konsolidierungswelle vermutlich noch nicht beendet ist, sehe ich für die inhabergeführten und selbstständigen mittelständischen Maklerhäuser gegen die gerade entstehenden großen Maklergruppen auch weiterhin einen Wettbewerbsvorteil durch die Kundennähe und die mögliche Dynamik. Der Vergleich mit einem großen Tanker und einem kleinen Motorboot trifft es ganz gut. Änderungen und Anpassungen sind deutlich schneller möglich.

Haben Sie ein konkretes Beispiel, wo Ihr Maklerhaus nun neue Wege geht?

Da kann ich gerne eins von verschiedenen Beispielen nennen. Wir sind gerade dabei, mit unserem neuen Kundenportal online zu gehen. Hier hat der Kunde sämtliche Daten, Unterlagen, sicheren Schriftverkehr, Statistiken etc. per Knopfdruck durch die Cloud jederzeit in seinem digitalen Versicherungsordner zur Verfügung.

Wie nehmen Sie dabei die Gründergeneration, aber auch die Beschäftigten mit?

Mein Vater unterstützt mich sehr bei dem Generationswechsel. Seine Erfahrung und sein Rat sind mir sehr wichtig und ich bin froh, dass dieses Miteinander so funktioniert, wie es täglich gelebt wird.

Ich bin aber auch sehr froh, dass ich mit meinem Vorstandskollegen Thilo Röhrer eine Person an meiner Seite habe, zu der ich ein sehr starkes Vertrauensverhältnis habe.

Jeder einzelne Kollege trägt seinen Teil und seine Arbeit gleichermaßen dazu bei, dass wir weiterhin erfolgreich arbeiten können. Ich bin wahnsinnig froh und dankbar, so ein tolles Team zu haben, das mit mir gemeinsam diesen neuen Weg geht.

Ansonsten sind es viele Gespräche und ein direkter Austausch, die mir sehr wichtig sind.

Mit Blick auf das aktuelle Konsolidierungsgeschehen im Maklermarkt: Sie sind seit rund zwei Jahren Vorstand eines mittelständischen Industrie- und Gewerbemaklers. Warum tun Sie sich diese Aufgabe überhaupt an?

Das ist eine schöne Frage. Tatsächlich ist die Antwort relativ einfach: Weil mir die Aufgabe, die Verantwortung gegenüber unseren Kunden, unseren Mitarbeitenden und die Herausforderung großen Spaß bereiten. Mit meinen 30 Jahren bereits Verantwortung für ein Unternehmen mit ca. 50 Mitarbeitenden zu haben, ist natürlich nicht ganz ohne, aber ich habe diese Entscheidung keine Sekunde bereut.

Sie könnten auch an einen Investor verkaufen und das Kapital für sich arbeiten lassen. Was spricht für Sie dagegen?

Natürlich geht es auch bei einem inhabergeführten Versicherungsmaklerunternehmen darum, am Ende des Tages ein vernünftiges wirtschaftliches Ergebnis zu haben, aber daneben ist Spaß an der Arbeit genau so wichtig. Ich finde, es entsteht viel zu häufig der Eindruck, dass bei einer Work-Life-Balance die Arbeit etwas Negatives und die Freizeit etwas Positives ist. Die Möglichkeit, dabei frei und unabhängig als Unternehmer zu agieren und selbstständige Entscheidungen zu treffen, ist mir sehr wichtig.

Das heißt, Sie werben aktiv dafür, dass Maklerhäuser ihre Selbstständigkeit bewahren und weiterleben?

Absolut. Wenn man die Fachpresse liest, bekommt man ja den Eindruck, die einzig richtige Entscheidung ist der Unternehmensverkauf an einen der großen Konsolidierer.

Nach dem Motto: Wenn alle nach links gehen, kann das ja nur der einzig richtige Weg sein. Natürlich hat nicht jeder Unternehmer das Glück den Unternehmensübergang innerhalb der Familie gestalten zu können. Aber auch innerhalb des eigenen Unternehmens können sich nach Gesprächen mit Mitarbeitenden Möglichkeiten der Weiterführung ergeben. Der deutsche Maklermarkt hat sich in den letzten Jahren so verändert wie noch nie. Das bringt natürlich große Herausforderungen für die weniger gewordenen, weiterhin selbstständig geführten Maklerhäuser mit sich. Ich sehe aber eher die sich daraus ergebenen Chancen für uns.

Bild: © supansa – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Michael Ostermann