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22. Oktober 2024
Mit der Benutzung fremder Daten ist nicht zu spaßen!
Mit der Benutzung fremder Daten ist nicht zu spaßen!

Mit der Benutzung fremder Daten ist nicht zu spaßen!

Beim Jobwechsel von Angestellten in Maklerhäusern besteht die Gefahr eines Abflusses von Kundendaten. Dabei gelten diese als Betriebsgeheimnisse des jeweiligen Maklerhauses. Was also ist rechtlich zulässig und was nicht?

Ein Artikel von Dr. Hans-Georg Jenssen, Rechtsanwalt

Wir stellen uns einmal folgende Situation vor. Nachdem ein Versicherungsvermittler bei seinem früheren Arbeitgeber – ein Versicherungsmakler – aufgehört hat und zu einem anderen Versicherungsmakler gewechselt ist, erreicht ihn folgendes Anwaltsschreiben:

„Sehr geehrter Herr Mustermann, hiermit zeige ich an, dass mich die Fa. XY Versicherungsmakler GmbH mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in der folgenden Angelegenheit beauftragt hat.

Sie waren bei meiner Mandantin mit Anstellungsvertrag/Handelsvertretervertrag seit Jahren bis zum 31.12.2023 tätig gewesen. Im Rahmen Ihres Anstellungsvertrages/Handelsvertretervertrages haben Sie u. a. eine sog. Verschwiegenheitserklärung unterschrieben. Es gilt auch das Geschäftsgeheimnis-Gesetz (GeschGehG) vorliegend. Des Weiteren haben Sie als Angestellter/Handelsvertreter meiner Mandantin natürlich bei Ihrem Ausscheiden alle Unterlagen, Informationen und geschäftlichen Daten meiner Mandantin an diese zurückzugeben bzw. diese nicht einfach mitzunehmen.

Vor diesem Hintergrund habe ich festzustellen, dass Sie nach Ihrem Ausscheiden bei meiner Mandantin sich mit einer Vielzahl von Kunden meiner Mandantin in Verbindung gesetzt haben und dies eindeutig dem Ziel diente, diese Kunden meiner Mandantin zu Ihrem neuen Arbeitgeber, der Fa. AB-Versicherungsmakler ‚herüberzu­ziehen‘. Ich verweise exemplarisch auf die beigefügten Vorgänge.

Für meine Mandantin halte ich fest, dass Sie von meiner Mandantin die entsprechenden Daten und Informationen über die Kunden nicht erhalten haben und Sie sich bei diesen Daten und Informationen auch nicht auf die sog. Gedächtnisrechtsprechung berufen können. Dazu sind die angesprochenen Kunden und deren Versicherungsverhältnisse zu vielfältig. Sie sind nicht berechtigt gewesen, sich Daten meiner Mandantin zu verschaffen und beim Ausscheiden ‚einfach‘ mitzunehmen und diese Daten dann für eine Umdeckung von Verträgen bzw. Ausspannung von Kunden zu benutzen. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass diese Daten, vor allen Dingen Kundenlisten, sog. Betriebsgeheimnisse darstellen und der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ein Strafdelikt nach § 23 GeschGehG ist. Auch die Beihilfe zu einem solchen Delikt ist strafbar. Die unbefugte Verwertung von Geschäftsgeheimnissen begründet natürlich auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche …“

Schriftliche Aufzeichnungen sind Geschäftsgeheimnisse

Was ist hier wohl passiert? Im Mittelpunkt steht erkennbar die Frage, welche Unterlagen bzw. in welchem Umfang Aufzeichnungen des ehemaligen Arbeitgebers nach einem Jobwechsel verwendet werden dürfen. Kommt es dabei darauf an, wer diese Aufzeichnungen angefertigt hat?

Ausgehend von dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH vom 28.01.1993, Az. I ZR 294/90), welches die Verwertung von Kundendaten durch einen Handelsvertreter betrifft – die Rechtsprechung gilt auch für Arbeitnehmer, vgl. z. B. Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 03.06.2020, Az. 12 SaGa 4/20 –, scheint die Situation recht klar zu sein. Ein ausgeschiedener Mitarbeiter darf zunächst einmal alles verwerten, was ihm während seiner Tätigkeit bekannt wurde, soweit er keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt und die Kenntnisse in seinem Gedächtnis aufbewahrt. Umgekehrt darf er nichts verwerten, was sich aus schriftlichen Aufzeichnungen ergibt. Diese sind eindeutig Geschäftsgeheimnisse. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass dies auch für Unterlagen gilt, welche der Mitarbeiter selbst verfasste, also entweder zu Papier brachte oder auf dem Notebook speicherte (siehe BGH-Urteil vom 27.04.2006, Az. I ZR 126/03 oder vom 02.05.2024, Az. I ZR 96/23). Viele Betroffene unterliegen deshalb dem Irrtum, dass nicht nur Unterlagen erfasst sind, die das Unternehmen dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt hat, sondern eben auch die eigenen Aufzeichnungen. Der BGH (vgl. auch LAG Düsseldorf, s. o.) hat hierzu bereits in seinem Urteil vom 19.12.2002, Az. I ZR 119/00, entschieden, dass eine unzulässige Verwertung insbesondere dann vorliegt, wenn Kundenlisten in private Unterlagen des Mitarbeiters übertragen werden.

Was kann sich ein Mensch alles merken?

Es kommt also auf das Gedächtnis an. Es steht dem Mitarbeiter grundsätzlich frei, seinem ehemaligen Unternehmen nach Vertragsende Konkurrenz zu machen. Es gehört zum Wesen des Wettbewerbs, in fremde Kundenbestände einzudringen und Kunden abzuwerben. Das Unternehmen kann seinem ehemaligen Mitarbeiter nicht untersagen, die Namen und Adressen zu nutzen, die ihm aus der bisherigen Tätigkeit im Gedächtnis geblieben sind. Dies führt zu der praktischen Frage, die häufig vor Gericht behandelt wurde, was man sich merken kann. In einer älteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ging es um die Nutzung der Anschriften von 18 Kunden, die über viele Jahre von einem Mitarbeiter eines Weinhandels betreut wurden. Mit diesen 18 Kunden hatte der ausgeschiedene Mitarbeiter weitere Geschäfte getätigt. Das BAG ging davon aus, dass ein Mitarbeiter Namen und Anschriften von 18 langjährigen Kunden im Gedächtnis behalten könne. In einem anderen BAG-Fall ging es um 200–220 ehemalige Kunden, was dem Gericht als deutlich zu viel für eine Reproduktion aus dem Gedächtnis erschien. Diese beiden Fälle zeigen auf, wie problematisch die Beweislage werden kann, wenn es um die Frage geht, was genau man aus dem Gedächtnis reproduzieren kann. So dürfte ein Mitarbeiter, der zum Beispiel in einem Regionalbezirk für die Versicherung von Apotheken, die überdies noch in öffentlich aufrufbaren Verzeichnissen gelistet sind, zuständig war, sich an eine doch recht stattliche Anzahl von Kunden erinnern können. Das Gleiche gilt für einen Mitarbeiter, der sehr aktiv in einem Sportverein in seiner Gemeinde war und ist und von dort eine Vielzahl von Kunden angeworben hat. Klar ist, dass einfache und zusammenhängende Informationen auswendig gelernt werden können, während komplexe und nicht zusammenhängende Daten ohne Aufzeichnungen schwer zu behalten sind.

Um auf das Anwaltsschreiben zurückzukommen, dürfte es deshalb darauf ankommen, was dort mit Vielzahl von Kunden gemeint ist. Fünf oder zehn Kunden dürften wohl unproblematisch sein, 150 Kunden eher nicht.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Song_about_summer – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Hans-Georg Jenssen