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17. Juni 2024
Mensch und Maschine: Der „Finanz-Beratroniker“

Mensch und Maschine: Der „Finanz-Beratroniker“

Auf Makler kommen in Zukunft viele neue Herausforderungen zu. Wie können sie sich auf den Vertrieb der Zukunft vorbereiten? Makler werden sowohl analoge als auch digitale Fähigkeiten fördern müssen, um den neuen Wegen im Versicherungsvertrieb gewachsen zu sein.

Ein Artikel von Oliver Bruns, Netfonds AG

Auf den Versicherungsvertrieb kommen vielfältige Herausforderungen zu. Die Transformation ist in vollem Gange. Im Einzelnen sind folgende Trends auszumachen: der demografische Wandel mit einem veränderten Kunden-Vermittler-Verhältnis, die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz (KI), Regulierung und Nachhaltigkeit. Das sind die Themen, die den Vertrieb neu gestalten werden.

Demografische Entwicklung am Vermittlermarkt

Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird vermutlich die Hälfte der heute 190.000 Vermittlerinnen und Vermittler in den Ruhestand gehen. Das bedeutet, das von den derzeit rund 470 Millionen aktiven Verträgen vermutlich ebenfalls die Hälfte ohne Betreuung aus Fleisch und Blut dastehen wird. Die Kunden dieser Policen werden weiterhin Service nachfragen und bieten Potenzial für attraktives Neugeschäft. Und: Die Babyboomer sind persönliche Ansprechpartner gewöhnt. Es ergeben sich Chancen für Versicherungsvermittler, die Betreuung von bestehenden Verträgen zu übernehmen.

Was das Neugeschäft angeht, so wird der GenZ und nachfolgenden Altersgruppen eine hohe Affinität zu digitalen Lösungen nachgesagt. Das ist zweifelsohne so. Jedoch sagen Studien (z. B. die Sirius Campus Marktuntersuchung „Versicherung der Zukunft – Erwartungen der GenZ“), dass bei den komplexen Themen nach wie vor das persön­liche Beratungsgespräch gefragt ist. Und komplexe Themen gibt es einige: zum Beispiel die Altersvorsorge, Gesundheitsvorsorge oder die Biometrie. Insbesondere, wenn Vermittelnde einen echten Mehrwert bieten, zum Beispiel mit einer ausführlichen Risiko- und Vorsorgeanalyse, werden sie auch in Zukunft ein lukratives Geschäftsfeld vorfinden. Die DIN 77230 bietet zudem einen seriösen Rahmen zur Qualitätssicherung.

Es ist also mitnichten so, dass das Versicherungsneugeschäft ausschließlich über digitale Tools und Vergleichsrechner abgewickelt werden wird. Das persönliche Gespräch behält seinen Platz im Berater-Kunden-Verhältnis.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz

Dieses Gespräch findet nur noch selten im Wohnzimmer des Kunden oder im Büro des Beraters statt. Mit der Corona-Krise hat das Online-Gespräch per Video-Schaltung an Bedeutung gewonnen. Es hat dem Vertrauensverhältnis nicht geschadet. Maklerbüros und Vertriebe werden allerdings auf vielfältige Weise den Kontakt zwischen ihnen und dem Kunden ermöglichen: über eine Website, Social-Media-Kanäle und sonstige Online-Anwendungen. Dabei die datenschutzrechtliche Sorgfalt walten zu lassen sowie die Cybersicherheit im Auge zu behalten, wird mehr und mehr zum Alltag dazugehören. Für die einfachen Produkte gehören dazu auch Abschlussstrecken. Die Kunden haben sich an Abläufe und Services wie bei Amazon gewöhnt und nehmen dieses Erleben als Maßstab.

Beratende werden sich den Servicepartner suchen, der ihnen Daten und Dokumente am besten bereitstellt, ihnen einen Rundumblick auf den Kunden ermöglicht und ihnen die tägliche Arbeit weitestgehend abnimmt. Die Effizienz wird sich weiter erhöhen. Schon in den letzten Jahren hat der Umsatz zugenommen, obwohl die Anzahl an Beratenden sank.

An der Nachfrage nach Beratung durch einen Menschen wird auch die KI nichts ändern. Gleichwohl ist das Disruptionspotenzial bei den Vermittelnden groß, die sich den Möglichkeiten dieser Technologie verweigern. Der Geist ist aus der Flasche. In Communities jüngerer Vermittelnder spielt daher KI bereits heute eine große Rolle. Welches Tool im Alltag helfen kann, ist eine wiederkehrende Frage.

Die Versicherer beschäftigen sich alle mit KI. Aber sie bevorzugen die Anwendungen im Betrieb, wenn es um die Entwicklung geht. Zum Beispiel bei der Schadenabwicklung oder der Produktentwicklung. Daraus erwachsen Chancen für Pools und Plattformen, sich mit geeigneten Lösungen für den Vertrieb einen Vorsprung zu verschaffen. In der direkten Kundenkommunikation ist derzeit noch keine KI im Einsatz. Insbesondere weil Versicherer die Haftung scheuen.

Außerdem sind die Versicherer in Summe in der Digitalisierung eher langsam unterwegs, was im Wesentlichen auf die Legacy-Problematik zurückzuführen sein dürfte. Auch sonst wartet die Branche noch auf einen echten digitalen „Gamechanger“, der den Markt umpflügt, so wie Amazon den Handel. Ob er kommt?

Regulierung

Neben den bereits genannten Regulierungen wie Datenschutz oder Nachhaltigkeit spielt das Thema Vergütung eine große Rolle. Es mag eine Frage der passenden politischen Konstellation sein, ob die Abschlussprovision auch für kapitalaufbauende Versicherungsprodukte eines Tages abgeschafft wird. Schon jetzt ist ein Trend zu alternativen Vergütungsstrukturen zu beobachten. Sie stehen im engen Zusammenhang mit dem oben bereits erwähnten Mehrwert, den Vermittelnde liefern können. Durch Servicegebühren beispielsweise machen sie sich unabhängiger von Abschlussprovisionen und das Verhältnis zum Kunden wird gestärkt.

Nachhaltigkeit

Das Thema Nachhaltigkeit wird einen großen Raum einnehmen, weil es nicht nur Privatkunden nachfragen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zum Beispiel ist eine Richtlinie der Europäischen Union zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit in Unternehmen und bringt klar definierte Standards mit sich: die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Wichtige Aspekte dieses Reports lassen sich mit Konzepten aus den „betrieblichen Versorgungssystemen“ erfüllen. Unternehmen zahlen auf wichtige Sustainable Development Goals (SDGs) ein, wie „Verringerung der Armut“ (SDG 1), „Gesundheit und Wohlergehen“ (SDG 3) oder „Weniger Ungleichheiten“ (SDG 10). Das betrifft mehr als 13.000 Unternehmen. Eine Vorlage aus der Politik, die Vermittelnde nutzen können. Und vermutlich nicht die letzte.

Mensch und Maschine: Der „Finanz-Beratroniker“

Der Versicherungsvermittler der Zukunft wird beide Talente fördern müssen: das analoge, also das persönliche Beratungsgespräch, und das digitale, indem er Tools gezielt erlernt und einsetzt. Die Analogie zum Kfz-Mechatroniker drängt sich förmlich auf. Waren Mitglieder dieses Berufsstandes früher mit dem Schraubenschlüssel gut unterwegs, braucht es heute vertiefte Kennt­nisse im Digitalen, um die Analysetools bei modernen Fahrzeugen bedienen zu können. So auch im Versicherungsvertrieb der Zukunft, die längst begonnen hat. Statt in ein repräsentatives Büro und ein schmuckes Auto investieren Makler heute eher in Internetauftritte, Content-Management und Video-Ausrüstung.

Besonders wichtig sind prozessuale Fragen, wenn es um das Gewerbegeschäft geht. Ein Berater, der sich auf die „betrieblichen Versorgungssysteme“ konzentriert, muss Lösungen in der Tasche haben, wie Hunderte von bAV- oder bKV-Verträgen in der Firma gemanagt werden.

Wie so oft im Leben muss er das gar nicht alles selber können und erarbeitet haben. Er braucht aber einen leistungsstarken und kostensensitiven Partner an seiner Seite, der solche prozessualen Lösungen zur Verfügung stellt.

Diesen Artikel finden Sie auch in AssCompact 06/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © freshidea – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Oliver Bruns