Enormer Sprung in der Leistungsfähigkeit
Die Leistungsfähigkeit solcher Modelle hat in den vergangenen Jahren einen enormen Sprung gemacht. Sie sind heute in der Lage, auf Basis verfügbarer Daten für jede Wohnimmobilie an jedem Standort den statistisch wahrscheinlichsten Markt- und Mietpreis zu ermitteln und dabei neben den traditionellen Eigenschaften auch die nachgewiesen preissensitivieren nicht-traditionellen Eigenschaften wie zum Beispiel Lärmbelastung, Soziodemografie, Erreichbarkeit, Bauvorhaben in der Umgebung oder Infrastruktur miteinzubeziehen. Damit werden auch komplexe nicht-lineare Zusammenhänge erfasst, die in der traditionellen Bewertung nicht berücksichtigt werden können, und es ist möglich, den Marktwert mit einer Bewertungsgenauigkeit von 5 bis 15% Abweichung zu ermitteln.
In anderen Ländern wie beispielsweise der Schweiz haben sich teilautomatisierte Prozesse durch den Einsatz hedonischer Modelle bereits etabliert und es ist möglich, mithilfe digitaler Authentifizierung unter anderem die Verlängerung einer Hypothek ohne Berater komplett digital durchzuführen.
Näher am Markt im Risikomanagement
Im Risikomanagement von Banken sind solche AVMs heute noch völlig unterrepräsentiert, und das, obwohl sie viele Vorteile bieten. Bei einer konservativen Preisermittlung wie dem Sachwertverfahren nach Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) werden der Bodenrichtwert und die Herstellungskosten der Immobilie herangezogen und gegebenenfalls unter Anwendung eines Marktanpassungsfaktors korrigiert. Dieses Verfahren berücksichtigt aber nur unzureichend beispielsweise wirtschaftliche Veränderungen am Standort, die durch Abwanderung entstehen, oder den Anstieg von Baukosten, sodass die Herstellungskosten der ursprünglichen Bewertung bei Kreditvergabe nicht mehr den tatsächlichen Herstellungskosten und damit auch nicht mehr dem Marktpreis entsprechen. Da ein AVM imstande ist, solche Veränderungen in Echtzeit abzubilden, ist es dann sogar deutlich konservativer in der Wertermittlung. Fließen solche Veränderungen im Markt nicht in die Wertermittlung bei Kreditvergabe und auch nicht in die laufende Kreditüberwachung von Bestandskrediten ein, läuft die Bank Gefahr, vermeidbare Ausfallrisiken in die Bilanz zu nehmen oder zu halten. Andersherum kann der Bank bei einer zu konservativen Bewertung, die vom tatsächlichen Marktpreis nach unten hin stark abweicht, Geschäft entgehen, weil sie den Wert des Objekts nicht erkennt und ein lohnendes Kreditgeschäft vorschnell ablehnt.
Der Einsatz von AVMs kann für Kreditinstitute damit in Form einer Pre Due Diligence schon im ersten Schritt des Kreditlebenszyklus eine Unterstützung sein. Deutsche Kreditinstitute, die der BaFin unterstehen, müssen sich noch etwas gedulden. Mit einer Novelle der MaRisk, voraussichtlich Anfang dieses Jahres, wird bekannt gegeben, wie die neuen Anforderungen der EBA in nationales Recht umgesetzt werden – im ersten Schritt für die Vergabe neuer Kredite und ab 2024 dann auch für bestehende Kredite.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2021, Seite 64 f. und in unserem ePaper.
Bild: © metamorworks – stock.adobe.com
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